Wegerechts-PosseStadt Köln springt Paar nach drei Jahren Nachbarschaftsstreit zur Seite

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Latif Bekiri und Perwin Sakar-Bekiri stehen vor einer Mauer, im Vordergrund ein Poller

Latif Bekiri und Perwin Sakar dürfen weiter ihre Straße nutzen– unentgeltlich.

Der Eigentümer der Privatstraße verlangte Nutzungsgebühren – hätte die Straße nach ihrer Erschließung aber wohl an die öffentliche Hand übergeben müssen. Jetzt will die Stadt Köln die Straße umwidmen.

Vor mehr als drei Jahren hatten sich Perwin Sakar und Latif Bekiri zum ersten Mal bei der Stadt Köln vorgestellt: Der Eigentümer der Privatstraße in Junkersdorf, in der sie ein Haus erworben hatten, hatte infolge eines Nachbarschaftsstreits Gebühren für die Nutzung der Straße von ihnen verlangt – das Paar wollte nicht zahlen und fühlte sich schikaniert.

Kein anderer Nachbar zahlte Gebühren für die Straßennutzung, vor allem aber hätte der Abschnitt des Stüttgerhofwegs ihrer Ansicht nach seiner Erschließung im Jahr 1973 an die damalige Gemeinde Lövenich übertragen werden müssen, so sahen es die Verträge vor.

Junkersdorf: Straße blieb aus unbekannten Gründen in Privatbesitz

Der Eigentümer – ein Immobilienverwalter und Nachbar von Sakar und Bekiri – hatte die öffentliche Widmung vor 50 Jahren abgelehnt, das Thema war später noch einmal von der Stadt Köln diskutiert, aber nie entschieden worden. Die Straße blieb entgegen der festgelegten kostenlosen Übertragung an die öffentliche Hand aus unbekannten Gründen in Privatbesitz.

Die Sachbearbeiterin bei der Stadt sagte: Wenn wir keinen Hubschrauberlandeplatz haben, sollten wir sofort einen Anwalt einschalten
Perwin Sakar, Anwohnerin

Im August 2020 habe eine Sachbearbeiterin im Bauamt ihr gesagt, sie könne ihr nicht helfen, erinnert sich Perwin Sakar. „Sie sagte: Wenn wir keinen Hubschrauberlandeplatz haben, sollten wir sofort einen Anwalt einschalten.“

Als das Ehepaar kurdischer Herkunft im Sommer 2020 einen Gasanschluss verlegen lassen wollte und die Straße dafür aufgerissen werden musste, ließen die Eigentümer der Straße die Arbeiten stoppen. Das Paar setzte sein Recht durch, jetzt eskalierte der Streit.

Zuerst ließen die Eigentümer dem Ehepaar verbieten, ihr Auto am Zaun neben ihrem Garten zu parken – dort, wo auch die Vorbesitzer des Hauses geparkt hatten und andere Nachbarn es bis heute tun. Das Amtsgericht gab den Klägern recht: Das Ehepaar müsse andernfalls bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld zahlen oder mit bis zu einem halben Jahr Gefängnis rechnen. Später versperrte ein Bekannter der Eigentümerfamilie Handwerkern den Weg, die hinzugerufene Polizei zog mit dem Hinweis aufs Privatrecht wieder ab.

Sakar und Bekiri wandten sich an die Stadt Köln und wiesen darauf hin, dass die Straße öffentlich gewidmet werden müsse – der Eigentümer der Straße handele willkürlich, die Privatstraße bedeute eine Rechtsunsicherheit, die den Wert des Eigentums mindere – das gelte auch für alle anderen Nachbarn.

Auf eine Mail ihres Anwalts im Dezember 2020 antwortete die Stadt einige Monate später: Eine Umwidmung der Straße sei „mit Schwierigkeiten verbunden“, die Eigentümerzustimmung sei „kaum zu erlangen“. Der Zustand der Straße müsse zudem „städtischen Anforderungen entsprechen“. Grundsätzlich sei das Paar indes im Recht: Im Erschließungsvertrag sei festgehalten worden, dass die Straße öffentlich gewidmet werden soll.

Nachbarschaftsstreit: Eigentümer verlangten 50 Euro pro Tag für die Nutzung der Straße

Unterdessen erhielten die Eigentümer und Nachbarn bei Streitigkeiten mit Sakar und Bekiri vor dem Amtsgericht Recht: Sie hätten Anspruch auf Nutzungsgebühren, allerdings nicht wie gefordert in Höhe von 50 Euro pro Tag – 300 Euro im Jahr hielt das Amtsgericht für angemessen. Für einige Monate zahlte das Paar, dauerhaft hinnehmen wollte es die Gebühren nicht. „Sonst wären wir bis zum Auszug Willkür und möglichen Schikanen ausgesetzt gewesen“, sagt Perwin Sakar.

Stattdessen wehrten sie sich juristisch, investierten allein in Anwälte nach eigenen Angaben mehr als 80.000 Euro. Das war notwendig, da der Eigentümer nicht nur Handwerkern den Zutritt zu der Straße verbieten wollte, sondern auch reklamierte, dass bei einer Baumpflanzung Grundstücksabstände nicht eingehalten worden seien oder Laub nicht gefegt worden sei – der Nachbarschaftsstreit ging ins Klein-Klein.

Jetzt – auch nach einem Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ und einigen Fragen dieser Zeitung – wurde die Stadt allerdings tätig: Die Rechtslage sei kompliziert gewesen, heißt es zur Begründung für die langwierige Prüfung. Nun gebe es Klarheit: Sollte der Eigentümer einer öffentlichen Widmung nicht zustimmen, „werden wir die öffentliche Widmung auch ohne Zustimmung durchführen“, heißt es in einer Mail des Rechtsamts an den Anwalt des Ehepaars.

Stadt Köln will die Straße öffentlich widmen – die sofortige Vollziehung soll angeordnet werden

Nach „den Grundsätzen von Treu und Glauben dürfte der Eigentümer die Zustimmung aus unserer Sicht nicht versagen dürfen“. Die „sofortige Vollziehung“ werde angeordnet. Ob es zu weiteren Gerichtsverfahren komme, „bleibt abzuwarten“. Die Stadt rechnet offenbar mit Auseinandersetzungen vor Gericht – die sie sich womöglich gern ersparen wollte. „Wir hoffen, dass es jetzt gut ausgeht“, sagen Perwin Sakar und Latif Bekiri. „Aber wir freuen uns erst, wenn wir Gewissheit haben, keine Strafe zu bekommen, wenn wir die Straße nutzen.“

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