Prüfung ist PflichtWas Pferde für den Kölner Rosenmontagszug können müssen

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Pferde unterm Reiter beim Rosenmontagszug 2023.

Rosenmontag 2023: Pferde des Reitercorps Jan von Werth laufen durch Köln. Die Tiere müssen nervenstark sein.

Wir haben eine Gelassenheitsprüfung für Pferde besucht. Das Bestehen ist Voraussetzung für eine Teilnahme am Rosenmontagszug.

Neugierig begutachtet Zeus den aufgebauten Parcours auf einer Wiese in seinem Zuhause in Kürten. Der sechsjährige Norikerwallach von Besitzerin und Hofbetreiberin Evelyn Biesenbach soll im kommenden Jahr zum ersten Mal beim Kölner Rosenmontagszug teilnehmen. Besteht er die sogenannte Gelassenheitsprüfung (GHP), die ihm und den anderen Pferden nun bevorsteht, darf er unterm Sattel bei der Prinzengarde mitlaufen.

Zwei Frauen mit einem schwarzen Pferd

Norikerwallach Zeus soll Rosenmontag beim Kölner Zug mitlaufen. Dafür musste das Pferd von Evelyn Biesenbach (rechts) eine Gelassenheitsprüfung ablegen, die von Richterin Margarete Sauer (links) abgenommen wurde.

Die Prüfung ist Voraussetzung für alle Pferde, die noch nicht im Zug dabei waren. Richterin Margarete Sauer wird Zeus‘ Verhalten genau beobachten. „Ich bewerte, wie gelassen die Pferde die Stationen absolvieren, wie viel Einwirkung der Pferdeführer hat und wie das Pferd das annimmt“, sagt sie.

Für jede Station gibt es eine Note, aus der sich dann die Endnote zwischen eins und sechs, entsprechend den Schulnoten, zusammensetzt. Zögern, Spannungen und Angst führen zu Minuspunkten. Mindestens eine Drei muss Zeus bekommen. „Sehr verspannte Pferde sind bei mir sofort raus“, sagt Sauer. Die Gelassenheitsprüfung ist ein offizielles Format der der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und nicht etwa speziell für die Pferde des Rosenmontagszugs entwickelt. Die Aufgaben sind dabei variabel.

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Pferde im Rosenmontagszug: Aufgaben sollen auf Tauglichkeit prüfen

Für Zeus und Evelyn Biesenbach startet die Prüfung mit dem Vorstellen des Pferdes und dem Vortraben auf festem Boden. So sollen Lahmheiten ausgeschlossen werden. Zeus trabt, strengt beobachtet von Richterin Sauer, taktrein über den Weg – der Anfang ist gemacht. Auch die am Boden liegenden Stangen überquert der Rappe ohne Probleme. Richterin Sauer notiert sich etwas auf ihrem Klemmbrett. An der nächsten Station steigen hinter einer aufgebauten Wand plötzlich Luftballons auf: Den Wallach erschreckt das überhaupt nicht.

Ein schwarzes Pferd schaut sich einen blauen Sack an, der von einer Person gehalten wird.

Zeus checkt, ob sich in dem Rappelsack etwas Essbares verbirgt.

Vorsichtig inspiziert er die Ballons mit gespitzten Ohren – es könnte ja essbar sein, scheint er sich zu denken. Nun muss sich Zeus durch einen Vorhang aus Flatterband wagen. Gar nicht so einfach, hängt der Vorhang doch ein wenig tief für das imposante Kaltblutpferd. Zeus duckt sich und trottet brav hindurch. Seine Besitzerin tätschelt ihn lobend am Hals. Rückwärts durch eine Gasse, ein Regenschirm, ein rappelnder Sack voller leerer Dosen, eine große Plane auf der feuchten Wiese – für Zeus ist das alles keinen zweiten Blick wert, gelassen und spielerisch meistert er jede Aufgabe und testet alle Gegenstände auf potenzielle Essbarkeit, ganz zur Begeisterung seiner Besitzerin und der Richterin.

Als Evelyn Biesenbachs Neffe Raphael als letzte Station mit viel Enthusiasmus in eine Trompete pustet, dreht Zeus seine Ohren interessiert in Richtung des ungewohnten Geräuschs. Sanft stupst er die Trompete mit der Nase an – von Angst und Zögern keine Spur. Margarete Sauer lacht, für sie besteht kein Zweifel: Zeus besteht mit Bestnote. Der Teilnahme am Zoch steht nun nichts mehr im Weg. Evelyn Biesenbach ist nicht überrascht: „Zeus hat sich wie im Alltag sehr gelassen in allen Situationen gezeigt. Er ist interessiert an den Dingen, die um ihm herum passieren.“

Ein schwarzes Kaltblutpferd steht vor einem Jungen mit einer Trompete.

Neugierig schaut Zeus sich die Trompete an.

Für Biesenbach die idealen Voraussetzungen, um bei einem Schützen- oder Karnevalsumzug mitzulaufen. „Er macht alles mit und ist nervenstark, außerdem ist er immer bei mir“, sagt sie. Auch Rosenmontag wird sie bei ihrem Pferd sein und als Begleitperson nebenherlaufen. Biesenbach hat Erfahrung mit großen Events: Seit Jahren laufen ihre Pferde im Zoch und auf Schützenumzügen, zudem ist sie auf Pferdemessen und -shows unterwegs.

Teilnahme von Pferden im Kölner Zoch umstritten

Neben Zeus wird auch ihr Kaltblut Lars im kommenden Jahr bei der Prinzengarde dabei sein. Weil Lars schon einmal im Rosenmontagszug gelaufen ist, braucht er die Prüfung nicht noch einmal abzulegen. Auch an diesem Tag sind Richter der FN anwesend, um die Pferde zu beurteilen. Für Evelyn Biesenbach ist die GHP nicht allein ausschlaggebend dafür, ob sie ein Pferd der Belastung im Zug aussetzt.

„Die Pferde müssen kopfmäßig belastbar sein. Es ist ein fremder Reiter in fremder Umgebung – wie die das verpacken, sieht man vor allem im Alltag“, sagt sie. Jedes Pferd könne eine GHP bestehen, aber: „Ich würde nicht jedes im Zug mitgehen lassen.“ Die Teilnahme von Pferden im Zug ist umstritten. Die Pferde würden unnötigem Stress und der Belastung schwerer Reiter über viele Stunden ausgesetzt, heißt es von Seiten der Kritiker. Tierschützer fordern ein Verbot.

Die Leute verstehen die Reaktionen der Pferde nicht.
Margarete Sauer, FN-Richterin

„Ich unterstütze gerne die Tradition“, so Biesenbach. Momentaufnahmen von einzelnen Pferden, die mit dem Kopf schlagen oder den Hufen scharren, würden oft dazu genutzt, allen Pferden Stress zu unterstellen, sagt sie. Langes Stehen hingegen sei tatsächlich eine Belastung für den Pferderücken. „Solange die Muskulatur in Bewegung ist, kann das Pferd das Gewicht gut tragen. Wenn wir lange stehen, dann geht das nicht.“ Beim vergangenen Rosenmontag kam es zu Verzögerungen. Das findet auch Evelyn Biesenbach nicht optimal. „Aber der Zug ist so aufgebaut, dass wir nicht lange stehen müssen. Das versucht auch das Festkomitee zu vermeiden.“

Zwei Frauen mit einem schwarzen Pferd

Richterin Margarete Sauer (l.), Zeus und Evelyn Biesenbach nach bestandener Prüfung

Richterin Margarete Sauer, mit ihrem Mann Besitzerin eines alteingesessenen Kölner Reitsportgeschäfts, ist selbst 30 Jahre lang im Zug mitgeritten, erzählt sie. „Die Pferde machen es mit“, sagt sie, und den allermeisten Pferden mache die Situation mit vielen Menschen und lauten Geräuschen nichts aus. „Die Leute verstehen die Reaktionen der Pferde nicht“, sagt sie. So sei etwa Hufescharren kein Zeichen von Nervosität oder Angst, sondern „sie wollen einfach weiterlaufen“.  Scharren gilt bei Pferden tatsächlich als Zeichen von Ungeduld.

Die Umstände des Rosenmontagszugs sind bei einer GHP unmöglich nachzustellen und so kann sie auch nur einen Anhaltspunkt geben, ob ein Pferd wirklich geeignet ist. „Rosenmontag ist Rosenmontag. Was da passiert, da steckt kein Mensch drin“, sagt Sauer. Nur einzelne Situationen, die so ähnlich auftreten können, könnten vorab abgebildet werden. Und so steht auch Zeus die eigentliche Prüfung noch bevor: Am 12. Februar 2024, Rosenmontag, wird sich zeigen, ob der schwarze Wallach wirklich die passenden Nerven hat.

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