Einsatz auf Mülheimer BrückeVerletzter Radfahrer macht Feuerwehr schwere Vorwürfe

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Mülheimer Brücke

Der Unfall geschah auf der Mülheimer Brücke.

Köln – Christian P. ist ein geübter Radfahrer, fast alle Wege in der Stadt legt der 48-Jährige auf dem Fahrrad zurück, und das schon seit Jahren. An jenem späten Freitagnachmittag im September allerdings haut es den Kölner auf der Mülheimer Brücke auf unebenem Asphalt derart aus dem Sattel, dass es ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Nach mehreren Tagen auf der Intensivstation hat P. das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen – und übt nun scharfe Kritik an der Feuerwehr.

Der Rettungseinsatz auf der Brücke, schildert P., habe sich gleich aus zwei Gründen verzögert: Zum einen, weil die Einsatzkräfte erst spät eingetroffen seien. Zum anderen habe man ihn nicht an Ort und Stelle in einen Rettungswagen eingeladen, sondern – um einen Stau im Berufsverkehr zu vermeiden – mit seiner lebensgefährlichen Lungenverletzung sowie vier  gebrochenen Rippen, einer gebrochenen Schulter und einer Platzwunde am Kopf auf einer Trage den holprigen Geh- und Radweg hinunter bis zum Fuß der Brücke gerollt und erst dort in einen am Rande geparkten Rettungswagen gelegt, der ihn in die Klinik gebracht habe. „Hier ging ganz klar der Verkehrsfluss vor Menschenleben“, klagt P. „Das ist doch Wahnsinn.“ Die Feuerwehr widerspricht, jedenfalls teilweise.

Kölner gegen Geländer gestürzt und schwer verletzt liegen geblieben

Die Mülheimer Brücke ist derzeit wegen einer Generalsanierung eine einzige Baustelle. Der gesamte Verkehr wird über die Nordseite geleitet, Radfahrer und Fußgänger teilen sich einen Weg für beide Richtungen. Da kann es schon mal eng werden, zumal Pfeiler teilweise die Sicht versperren. Christian P. hatte auf dem Weg Richtung Wiener Platz auf einer Bodenwelle die Kontrolle über sein Vorderrad verloren. Er war gegen das Brückengeländer gestürzt und schwer verletzt liegen geblieben. „Ich röchelte und bekam kaum Luft, Passanten blieben stehen und wählten den Notruf“, erzählt er.

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Die Feuerwehr bestreitet nicht, dass es zu lange gedauert habe, bis die ersten beiden Rettungsdienstmitarbeiter bei Christian P. eingetroffen seien – insgesamt knapp 15 Minuten. Das sei nicht akzeptabel, räumt Feuerwehrsprecher Ulrich Laschet ein. Der Zeitrahmen bewege sich „außerhalb der vorgegebenen Hilfsfrist“. Die beiden Retter waren unterhalb der Brücke in der Biegerstraße aus ihrem Fahrzeug gestiegen und zu Fuß die Brücke hochgelaufen.

Rettungswagen in Köln dürfen nur gesperrte Brücke befahren

Auch zutreffend sei, dass der Rettungswagen nicht direkt bis zur Unfallstelle vorgefahren sei. Dies sei gängige Praxis während der Bauarbeiten auf der engen Mülheimer Brücke, erläutert Laschet. „Das heißt, die Fahrzeuge verbleiben am jeweiligen Brückenkopf und die Einsatzstelle wird zu Fuß begangen.“ Der Grund: Fahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 Tonnen dürfen die Brücke während der Sanierung nicht befahren – und somit auch kein Rettungswagen. Falls doch mal ein schwereres Rettungsfahrzeug auf oder über die Brücke muss, müsse der übrige Verkehr gestoppt und die Mülheimer Brücke in beiden Richtungen komplett gesperrt werden, sagt Laschet.

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Diese Notwendigkeit sah man beim Patienten Christian P. aber offenbar nicht. „Aus dem geschilderten Meldebild des Notrufteilnehmers konnte keine Indikation für einen Notarzt entnommen werden“, sagt Laschet. Erst die beiden Rettungsmitarbeiter erkannten offenbar den Ernst der Lage: Sie alarmierten eine Notärztin nach. Weitere wertvolle Minuten verstrichen – wie viele genau, kann die Feuerwehr nicht sagen, dies sei nicht protokolliert worden, berichtet Laschet. Sicher ist: Ein Rettungswagen kam immer noch nicht, die Brücke blieb auch weiterhin für den Verkehr offen. Stattdessen wurde die Notärztin von einem Notarzteinsatzfahrzeug (leichter als 3,5 Tonnen) an der Unfallstelle abgesetzt, das Auto fuhr weiter. Auch dies sei auf der Mülheimer Brücke derzeit ein „praktikables Mittel“, um den Verkehrsfluss aufrecht zu erhalten, sagt Laschet.

Unfallopfer in Köln: Transport auf Trage war „der reine Horror"

Das Atmen fiel P. immer schwerer, sein rechter Lungenflügel war bereits kollabiert. In diesem Zustand sei die etwa 200 Meter lange Fahrt auf der Trage bis zum Rettungswagen „der reine Horror“ gewesen, erinnert er sich. „Es ging über Bodenwollen, es schaukelte hin und her.“ Dass die Feuerwehr im Nachhinein auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ von der „schonendsten Methode“ spricht, den Patienten zum Rettungswagen zu bringen, komme einer Verhöhnung gleich, schimpft Christian P. „So eine Äußerung empfinde ich als zynisch.“

Im Krankenhaus diagnostizierten Ärzte bei ihm ein so genanntes Spannungspneumothorax. Eine sofortige Brustkorbdrainage in der Klink rettete ihm das Leben. „Die Ärzte sagten mir, ich hätte großes Glück gehabt.“ Bis alle Verletzungen verheilt sind, wird noch einige Zeit vergehen.

Die Feuerwehr verspricht: In Bezug auf die lange Dauer vom Notruf bis zum Eintreffen der ersten Rettungskräfte werde man den Einsatz nachbereiten.

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