Menschliche Überreste wie Totenköpfe werden für tausende Euro auf Flohmärkten und im Internet gehandelt.
Schädel der Uni Köln gestohlenWie Händler damit Geld machen – Polizei ermittelt am Anatomie-Institut

Im damaligen Deutsch-Südwestafrika gestohlene Totenschädel wurden 2018 in einer Zeremonie in Berlin an Namibia zurückgegeben.
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Mit chinesischem Porzellan, Gemälden oder Skulpturen kennen sie sich ganz gut aus, die Kunstermittler der Polizei Köln. Gestohlene Totenschädel australischer Ureinwohner dagegen sind auch für die Experten des Kriminalkommissariats 71 Neuland. Einen solchen Fall habe es in den vergangenen Jahren nicht gegeben, bestätigte eine Polizeisprecherin – bis zu dieser Woche Mittwoch.
Da erstattete die Uni Köln Strafanzeige, weil aus dem Anatomie-Institut an der Joseph-Stelzmann-Straße einer von drei menschlichen Schädeln indigener Australier verschwunden war. Die drei Köpfe, die Kölner Dozenten und Studenten seit 1955 als Anschauungsobjekte dienten, hätten am Donnerstag eigentlich bei einer feierlichen Zeremonie an staatliche Repräsentanten Australiens und Nachfahren der indigenen Community zurückgegeben werden sollen. Doch ein Schädel fehlte, Unbekannte hatten ihn heimlich gegen einen Gipskopf ausgetauscht; das Original ist verschwunden. Nun fragen sich viele: Wer tut so etwas? Und warum?
Köln: Polizei ermittelt wegen Diebstahls von Kunst- und Kulturgütern
Bei der Polizei fällt die Tat unter „Diebstahl von Kunst- und Kulturgütern“. Am Freitagvormittag waren Ermittler im Institut, befragten Angestellte und sicherten Spuren. Mutmaßlicher Tatort ist das Präparatorenlabor, zu dem laut Uni grundsätzlich 59 Menschen mit einem Transponder Zutritt haben. Ist einer von ihnen ein Dieb? Oder hat sich der Täter auf ganz anderem Weg Zutritt verschafft?
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Sicher sei Stand jetzt noch nicht einmal, ob der Schädel tatsächlich aus diesem Raum gestohlen wurde, heißt es bei der Polizei. Dort wurde er nach Angaben der Universität zwar am 10. Oktober für Rückführung nach Australien verpackt und seitdem gelagert. Aber die Polizei muss herausfinden, ob die drei Schädel möglicherweise nicht doch zwischenzeitlich und vorübergehend verräumt wurden.

Zeremonie an der Medizinischen Fakultät der Uni Köln am Donnerstag (4.12.2025): Zwei Schädel wurden an Vertreter der indigenen Community Australiens zurückgegeben. Ein Schädel wurde zuvor gestohlen.
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Eine spezielle Spedition sei zweimal im Haus gewesen, teilte Uni-Sprecherin Elisabeth Hoffmann mit: Am 10. Oktober seien die Schädel vermessen, in Luftpolsterfolie eingewickelt und in einen Karton gepackt worden. Und am Mittwoch, einen Tag vor der Zeremonie, habe die Spedition sie für den Transport in ein hochwertigeres Gefäß umverpacken wollen. „Dabei ist aufgefallen, dass die Nummern nicht übereinstimmten“, sagte Hoffmann. Jedes Präparat und jeder Gipsschädel ist mit einer individuellen Nummer versehen. Warum der oder die Täter den menschlichen gegen einen Schädel aus Gips ausgetauscht haben, ist unklar – möglicherweise um zu verhindern, dass ein leerer Karton beim Anheben aufgefallen wäre.
Die Stimmung im Anatomie-Institut sei „nicht gut“, berichtete Hoffmann. „Alle sind erschüttert. Das ist eine unhaltbare Situation. Wir sind sehr dankbar, dass die australische Delegation diese Nachricht mit so viel Würde aufgenommen hat.“
Aber wo könnte der Schädel sich jetzt befinden? Fest steht, dass es für menschliche Überreste aus kolonialen Zusammenhängen einen Markt gibt. Sie werden auf Flohmärkten, Auktionen und im Internet gehandelt. Zwei Klicks etwa genügen, und man landet auf der Seite eines deutschen Versteigerers: Der bietet einen so genannten Schrumpfkopf, einen mumifizierten und zusammengeschrumpften Schädel, zum Katalogpreis von 3000 bis 4000 Euro an. Laut Beschreibung handelt es sich um eine „Trophäe“ südamerikanischer „Naturvölker“, den abgetrennten Kopf eines Gegners. Andere Verkäufer werben sogar eigens mit Spuren von Gewalt an den Skelettteilen – das wirkt offenbar verkaufsfördernd.
Abgesehen von ethischen und moralischen Bedenken: Grundsätzlich verboten ist der Handel mit menschlichen Überresten in Deutschland nicht. Auf eine Kleine Anfrage der Grünen im August dieses Jahres antwortete die Bundesregierung, mangels spezieller gesetzlicher Regelungen zum Handel mit menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten „finden die allgemeingesetzlichen Regelungen Anwendung“. Gemeint ist etwa Störung der Totenruhe, doch dies greift nicht für den Handel, nur für den ursprünglichen Grabraub.
Der Deutsche Museumsbund entwickelte 2013 erstmals einen Leitfaden zum Umgang mit menschlichen Überresten. An Universitäten wird deren Herkunft seitdem genau erforscht. Unter welchen Umständen der Händler, dem die Uni Köln die drei Totenschädel 1955 abgekauft hatte, in deren Besitz gelangt war, lasse sich nicht mehr nachvollziehen, heißt es.
Menschliche Überreste wurden vor allem vom 17. bis 19. Jahrhundert im Zuge der Kolonialgewalt und Plünderungen nach Massakern entwendet und von kommerziellen Händlern verkauft – auch an deutsche Universitäten. Unis und Museen sind längst bemüht, die Überreste und Kunstobjekte zurückzuführen, sofern sich die Herkunft klären lässt.

