Veedels-CheckLindweiler hat die kurioseste Insellage der Stadt zu bieten

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Die Marienkirche überragt die niedrigen Häuser in Lindweiler.

Köln-Lindweiler – Gina und Dana bringen mit Schneewittchen und Aschenbrödel ordentlich Farbe in eine triste Umgebung. Die Neun- und Zehnjährige bemalen mit Nachbarn eine Garagenrückwand am Bolzplatz des Veedels mit Märchenmotiven. Die Künstlerinnen Nina Marxen und Renate Berghaus haben für die Wohnungsbaugesellschaft GAG, die die Aktion bezahlt, die Leitung der Malaktion übernommen. Fragt man die beiden Mädchen, was ihnen in diesem – den meisten Kölnern wohl völlig unbekannten – Stadtteil gefällt, nennen sie die neu gestalteten Spielplätze, die Jugendeinrichtung Lino-Club und „mein Zuhause“.

Eingegrenzt zwischen den Trassen von Autobahnen und Eisenbahn am Kreuz Köln-Nord wohnt man in Lindweiler in einer für den Rest der Stadt seltsamen Insellage. Die Menschen wohnen eng beieinander.

Hier kann man sich nicht aus dem Weg gehen – es kommt also auf eine gute Nachbarschaft an, wenn das Zusammenleben funktionieren soll. Zahlreiche Initiativen vor Ort – wie die Kirchen und ihre Einrichtungen, Kitas oder die letzten verbliebenen Gewerbetreibenden – , aber auch die Stadt mit ihrem Programm zur Förderung benachteiligter Sozialräume tun einiges dafür.

Die äußeren Rahmenbedingungen sind nicht ganz einfach, aber es tut sich einiges. Quartiersmanagerin Anne Keul ist optimistisch, dass es bald wieder einen Bürgerverein für das Veedel geben wird. Das Engagement sei da. Zuversichtlich geht sie auch davon aus, dass es gelingt, jedes Jahr ein großes Stadtteilfest durchführen zu können. Bislang gibt es das nur alle fünf Jahre.

Notbehausung auf Munitionsdepot

Lindweiler war von Anfang an als reines Wohngebiet auf der grünen Wiese für Menschen mit geringem Einkommen geplant. In den 1930er Jahren verpachtete die Stadt Land eines ehemaligen Munitionsdepots an 70 bedürftige Familien, die sich hier selbst versorgen sollten. Das Baumaterial für die kleinen Wohnhäuser waren Reste abgerissener Militärbaracken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Notunterkünfte für Obdachlose und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten gebaut. Zeugnisse dieser Geschichte sind heute nicht mehr zu sehen. Es gibt keine interessanten Baudenkmäler wie in anderen Stadtteilen. Nur ein einziges Wohnhaus hat es auf die Denkmalliste der Stadt geschafft.

Lindweiler ist ein reines Wohnquartier geblieben. Um Straßenzüge mit Einfamilienhäusern gruppieren sich dreistöckige Mehrfamilienhäuser, dazu sind ein paar etwas höhere Gebäude gekommen. Gewerbebetriebe gibt es nur am Ortsrand. Zahlreiche Wege führen in ein äußerst attraktives Umland mit viel Wald und weiten Feldern sowie den schönen Seen von Esch und Pesch. Gina und Dana nennen den sogenannten „Liebespark“ als Attraktion, sicher auch weil sich hier einer der vorbildlich gestalteten Spielplätze des Orts befindet.

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Das Aushängeschild Lindweilers ist ohne Frage ein weiteres Projekt für Kinder und Jugendliche, das seit fast 40 Jahren für alljährliche Begeisterungsstürme sorgt. Der Zirkus „Linoluckynelli“ demonstriert immer wieder, wie ein gutes Miteinander, Teamwork und Engagement zu einem mitreißenden wie anrührendem Ergebnis führen kann. Noch im Mai präsentierten mehr als 100 Artisten im Alter von fünf bis 27 Jahren eine neue zauberhafte Show. Der Zirkus gehört zum Sozialen Zentrum Lino-Club, der in Lindweiler vor mehr als 50 Jahren mit der Arbeit begann und nun mit Angeboten an 18 Standorten im Kölner Norden dafür steht, dass sich die Chancen von Kindern und Jugendlichen verbessern, die nicht so viel Geld oder so gute Startbedingungen wie andere Kölner Kinder haben.

Ein weiterer zentraler Anlaufpunkt ist der Lindweiler Treff der evangelischen Kirche, der auch zahlreiche Angebote für Senioren anbietet. Montags wird zusammen Mittag gegessen, leider nur unter Frauen, wie die 68-jährige Karin Zirafi sagt, die sich hier ehrenamtlich engagiert. „Es wäre schön, wenn mal ein paar Männer kämen.“ Sie schätzt den guten Zusammenhalt im Veedel, dem es aber auch an Vielem fehle. Die Möglichkeiten zum Einkaufen und Ausgehen seien spärlich. Vor allem das trostlose Ortszentrum mit ungepflegten Beeten und viel Beton brauche neue Impulse.

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