Veedels-SpezialitätenSo schmecken die Kölner Stadtteile

Wurringer Jedämde ist eine vorzügliche Beilage zu Kotelett.
Copyright: Roesgen Lizenz
Köln – Der Kölner liebt sein Viertel und das zeigt er auch gern. T-Shirts mit Stadtteilnamen sind auf Straßenfesten wahre Verkaufsschlager. Für Genießer und Feinschmecker gibt es mancherorts noch andere Spezialitäten. Teils haben sie schon Tradition, teils sind es mehr oder weniger spontane Liebeserklärungen an das Viertel, in dem sie verkauft werden. Beliebt sind sie nicht nur bei denen, die selbst im Veedel wohnen, sondern auch als Souvenir oder als Präsent für ausgewanderte Kölner.
Schmeckt Ehrenfeld nach Lakritz?
Um es mit Johannes Mario Simmel zu sagen: Es muss nicht immer kölscher Kaviar – sprich Blutwurst – sein, um etwas über den Geschmack der Kölner zu erfahren. Schmeckt Ehrenfeld nach Lakritz? Anklänge davon finden sich in der Ehrenfeld spezial Kaffeemischung der Rösterei Schamong. Die Mitbewerber im Stadtteil – Van Dyck – sagen dagegen über ihren Espresso „Ehrenfelder“, dass er so rau und lebendig sei wie das Viertel, aus dem er kommt. Und wer davon in der stylischen Kaffeebar an der Körner Straße probiert, muss sich – laut Werbeflyer – entscheiden: „Entweder Liebe auf den ersten Schluck oder ab nach Sülz.“ Das ist doch schon mal eine klare Ansage.
Und Sülz? Hier lockt das Feinkostgeschäft „Weinschmeckerei“ gleich mit drei Spezialitäten. Und die sind ganz gewiss nicht rau. Eine Früchteteemischung trägt den Namen „Sülzer Tea Time“, es gibt eine Sülzer Apfel-Senf-Sauce, die als Dip, Salatdressing oder Brotaufstrich nicht nur rund um die Berrenrather Straße Liebhaber hat. Eine echte Entdeckung aber ist das „Sülzer Bützchen“.
Nicole Dohr, Inhaberin der Weinschmeckerei, über diese Pralinenschöpfung: „Der Name entstand durch Zufall, als wir bei der Suche nach einem Namen für eine Gewürzpraline unter anderem auf „Sultansbützchen“ kamen. Das haben wir zwar letztlich verworfen, aber dadurch kamen wir auf die Idee des Sülzer Bützchens und damit auf eine weitere Kreation.“ Sie ist – wen wunderts – ebenfalls fruchtig-lecker. Sie besteht aus großfrüchtigen Moosbeeren (besser bekannt als Cranberries), weißer Schokolade, Likör, Himbeermark und einer hauseigenen Gewürzmischung.
Vollmundiger Muntermacher aus Nippes
Was passt zum Praliné? Kaffee bestimmt. Aber wem der „Ehrenfelder“ zu rau ist, sollte besser zur „Nippes Melange“ greifen. Die Rösterei „Kaffeebaum“ am Baudriplatz hat den vollmundigen Muntermacher aus fair gehandelten Bio-Bohnen im Sortiment. Über die Zusammensetzung ihrer Melange bewahrt Inhaberin Anna Baum strengstes Stillschweigen.
Einmal in Nippes lohnt ein Abstecher an die Schillstraße. Dorthin wo sich der Platz zur alten Kapelle St. Heinrich und Kunigund hin erstreckt, dem pittoresken Kleinod des Stadtteils. Freunde lokaler Spezialitäten können im Weinlokal Morio einen „Nippeser“ ordern. Eine herb-süße Erfrischung aus Sekt, Selters und Rhabarbernektar. Kreiert wurde die sommerliche Schorle von den Inhaberinnen Petra Gierlich und Tina Eschenauer. „Vor etwa drei Jahren wurde Rhabarbernektar plötzlich total in“, erzählt Tina Eschenauer. Weil im Morio ohnehin Schorlen sehr beliebt sind, war der Mix eine spontane Idee. „Der Name war schnell gefunden. Wir wollten damit auch zeigen, dass es nicht nur tolle Sachen aus Ehrenfeld gibt“, meint Tina Eschenauer augenzwinkernd.
Ihrefelder Brötchen und scharfe Merheimer
Ehrenfeld hat tatsächlich noch mehr zu bieten als einen Espresso. Wer in der Bäckerei Schweitzer am Ehrenfeldgürtel nach „Ehrenfelder Jungs“ fragt, bekommt kernige Mehrkornbrötchen. Inzwischen nennt Bäckermeister Heinz Schweitzer seine vor rund 15 Jahren benannte Spezialität nur noch Ehrenfelder. Die Kunden wissen inzwischen genau, was sie am Ehrenfelder haben. „Einmal habe ich das Rezept verändert, nachdem ich einen Rohstofflieferanten hatte wechseln müssen. Das haben die Leute sofort gemerkt und sich beschwert. Ich bin dann ganz schnell wieder zur alten Rezeptur zurückgekehrt“, erzählt Schweitzer.
Auf die Speisekarte eines kölschen Brauhauses gehört auch eine Curry-Wurst, dachte sich Gastronom Wolfgang Niechziol, als er von zwölf Jahren das Brauhaus „Goldener Pflug“ an der Olpener Straße in Merheim übernahm. Mitarbeiter fanden schnell den passenden Namen: Scharfer Merheimer. Für 6,55 Euro kommt eine Metzgerbratwurst mit einer pikanten Sauce und frischem Curry-Pulver auf den Teller. Dicke holländische Fritten mit Mayo und Zwiebeln runden den Scharfen Merheimer geschmacklich ab.
Auch in der Bio-Metzgerei Krentzel an der Dellbrücker Hauptstraße geht es um eine besondere Wurst: die „Dellbrücker“. Erhältlich ist sie auch in der Filiale in Braunsfeld an der Aachener Straße. Was auf den ersten Blick wie eine einfache Mettwurst aussieht, erweist sich als feine Spezialität mit raffinierter Würze. „Kardamom, Nelke und Ingwer gehören dazu“, erklärt Inhaberin Bernadette Krentzel. Zudem ist die Wurst heißgeräuchert. Gegen etablierte kölsche Wurstspezialitäten wie Flönz und Leberwurst habe sie sich noch nicht ganz durchsetzen können, berichtet Bernadette Krentzel, die eine weitere Überraschung parat hat: „Am besten verkauft sich die Dellbrücker Wurst in unserer Düsseldorfer Filiale“, verrät sie.
Exotisches aus dem Worringer Bruch
Deftige Kost steuert auch Worringen bei. Im „Haus Matheisen“ kommen mit schöner Regelmäßigkeit „Wurringer Jedämde“ und „Wurringer Pottschloot“ auf die Speisekarte. „Danach fragen vor allem die Alteingesessenen aus dem Ort. Für andere sind die beiden Gerichte oft erst einmal gewöhnungsbedürftig“, sagt Lutz Meurer Wirt und Chefkoch des Hauses.
Es sind zwei typisch rheinische Gerichte. Als Jedämde werden gedämpfte Kartoffelscheiben bezeichnet, die mit Zwiebel- und Speckwürfeln roh in die Pfanne kommen und dort langsam garen. Lorbeerblatt, etwas Brühe sowie Pfeffer und Salz bringen die Würze. Der Pottschloot, also Topfsalat, besteht aus Kartoffelpüree, in das frisch angemachter Pflücksalat untergehoben wird. Beide Spezialitäten sind ideale Begleiter zu Bratwurst oder Kotelett.
Zwei Schnäpse sind die Veedelsspezialitäten mit der längsten Geschichte. Der „Ehrenfelder Tropfen“ wird in der Gaststätte Haus Scholzen seit Anfang der 1950er Jahre hergestellt. Der 32-prozentige Kräuterschnaps ist exklusiv in der Gastwirtschaft an der Venloer Straße erhältlich. Immer mehr Szenewirte aus der Nachbarschaft decken sich hier mit der Spezialität ein. „Manchmal komme ich mir vor wie die Mutter der Kompanie, wenn die meist jungen Kneipiers bei mir einkaufen“, lacht Marie-Luise Scholzen.
Edler Tropfen aus Sürth in limitierter Auflage
Der aromatisch-mild schmeckende Schnaps braucht den Vergleich mit ähnlichen Spirituosen nicht zu scheuen – ob sie nun klangvolle italienische Namen oder einen Hirsch als Markenzeichen tragen. Älteste Spezialität ist zweifellos der „Widdersdorfer Korn“, den es seit 1920 gibt. Als süffiger Schnaps, der sich mit 32 Prozent Alkohol jedoch eher mild ausnimmt, gehörte er viele Jahre zum typischen Tresen-Gedeck in kölschen Kneipen. Viele Jahrzehnte war er der Exportschlager aus dem Dorf, das erst seit 1975 zu Köln gehört. Im Gebäude der einstigen Brennerei an der Hauptstraße wird aber schon lange nicht mehr gebrannt. Hergestellt wird der Widdersdorfer Korn mittlerweile im Bergischen Land – nach Originalrezept.
Restlos ausgetrunken ist dagegen wohl bald der „Sürther Johannisgrund“. Die Weinspezialität aus dem Kölner Süden wurde von dem Hobbywinzer Josef Espey in den zurückliegenden 20 Jahren produziert. Etwa 100 Flaschen Wein brachten seine Spätburgunder- und Rieslingtrauben pro Jahr hervor. Aus Altersgründen gab der 84-Jährige sein Steckenpferd leider auf.