Als JFK 1963 Köln besuchte„Auftritt wie ein zweiter Karneval“ – Begleiter erinnert sich an Kennedy in Köln

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Staatsbesuch von John F. Kennedy am 23.06.1963 in Köln, aufgenommen am Alter Markt. Rechts im Auto: Konrad Adenauer

Staatsbesuch von John F. Kennedy in Köln, rechts Kanzler Konrad Adenauer, aufgenommen am Alter Markt.

Am 23. Juni 1963 kam US-Präsident John F. Kennedy nach Köln. Klaus Bresser, seinerzeit Chef-Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“, heute 86, erinnert sich.

Klaus Bresser ist 26 und gerade Chef-Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ geworden, als US-Präsident John F. Kennedy am 23. Juni 1963 nach Köln kommt. Mehr als 100.000 Menschen sind allein in Köln auf den Straßen. Rund 300 Polizisten – aus heutiger Sicht erstaunlich wenig  – sichern die Präsidenten-Eskorte. „Kennedy hat vor dem Rathaus ein Bad in der Menge genommen, er war mit den Menschen auf Tuchfühlung, genauso war es am Checkpoint Charlie in Berlin“, erinnert sich Bresser, der bald 87 wird, am Telefon. „Von Anschlagsgefahr war damals wenig zu spüren.“ Fünf Monate später sollte Kennedy während einer Wahlkampftour in Dallas, Texas, erschossen werden.

Das wichtigste Ereignis einer Journalisten-Laufbahn

Für Klaus Bresser, der später beim ZDF das „Heute-Journal“ mitentwickelte und bis zum Jahr 2000 zwölf Jahre als Chefredakteur des Senders arbeitete, war Kennedys Deutschland-Besuch „das mit Abstand wichtigste Ereignis meiner frühen journalistischen Laufbahn“. Auf Kennedys Deutschland-Reise hatte er sich mit „allen Büchern und Artikeln, die ich finden konnte“ akribisch vorbereitet.

Von der Begeisterung der Massen am Straßenrand, die dem Präsidenten-Popstar zujubeln, und der „perfekten Inszenierung Kennedys“ lässt er sich in seinen Texten nicht mitreißen.

„Kennedy fasziniert nicht als Person, wenn er spricht. Er fasziniert durch kühle Nüchternheit, seine unbedingte Sachlichkeit und seine oft routinierte Rhetorik“, schreibt Bresser in einem Feature unter der Überschrift „Sein Gesicht bleibt unbewegt“ über eine Pressekonferenz des US-Präsidenten im Auswärtigen Amt in Bonn. „Vielleicht kann es nicht ausbleiben bei einem Mann, der in Washington jede Woche eine solche Pressekonferenz gibt, dass diese halbe Stunde wenig Fluidum hat und nicht die Spannung, die man erwartete. Es ist keine Stunde, von der man als Journalist später stolz sagen wird, dass man dabeigewesen sei. Die Routine des Präsidenten schlägt immer wieder durch. Manchmal antwortet er fast verwundert auf Fragen, auf die es für ihn nur ganz selbstverständliche Antworten gibt.“

Klaus Bresser vor einem Bild von John F. Kennedy

Klaus Bresser war 1963 Chef-Reporter beim Kölner Stadt-Anzeiger.

Man könnte meinen, Bresser, der beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ volontierte, als Reporter arbeitete und drei Jahre Chef-Reporter war, sei enttäuscht gewesen von Kennedys Auftritt. Zweifelnd, was hinter der strahlenden Fassade des Sunnyboys zu finden sei. Da auf der Pressekonferenz vor mehr als 100 Journalisten im großen Konferenzsaal des Auswärtigen Amtes nicht viel passiert, tut Bresser das, was ein guter Reporter tut: Er schaut genau hin und schreibt Randnotizen auf. 

Sein Gesicht verändert sich kaum merklich in dieser halben Stunde. Keine Falte durchzieht es, keine Falte des Lachens und keine der Verärgerung
Reporter Bresser über den US-Präsidenten Kennedy

Zum Beispiel zum Einstieg: „Sein Gesicht verändert sich kaum merklich in dieser halben Stunde. Keine Falte durchzieht es, keine Falte des Lachens und keine der Verärgerung. Seine Augen blicken geradeaus. Wenn Fragen gestellt werden, richten sie sich auf den Fragensteller, verraten interessierte, manchmal gespannte Aufmerksamkeit. John F. Kennedy schwankt leicht hin und her, wenn er spricht. Sparsame Gesten unterstreichen das Gesagte. Wenn ihm ein Punkt besonders wichtig erscheint, wird die Aussprache konzentrierter und energischer, als sie ohnehin schon ist. Die erste Pressekonferenz Kennedys auf deutschem Boden hat amerikanischen Zuschnitt. Knappen Fragen folgen knappe Antworten.“

Kennedys „Strahlkraft und Lebensenergie“ seien „unvergleichlich“ gewesen, sagt Bresser. „Aber es war alles so perfekt inszeniert bei ihm, dass kein Platz für Improvisation blieb. Als Journalist habe ich versucht, diesem vielschichtigen Menschen näherzukommen.“ Einem Menschen, der für die Öffentlichkeit vor allem ein weltgewandter Popstar sein sollte.

Klaus Bresser wechselte 1977 zum ZDF und wurde dort Chefredakteur

Bresser, der vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum WDR ging, dort Leiter der „Monitor“-Sendung wurde, bevor er 1977 zum ZDF wechselte, schrieb schon als junger Journalist auf, was nicht jeder sah. 1964 erhielt er für eine ironische Reportage über die Bayreuther Festspiele im „Kölner Stadt-Anzeiger“ den renommierten Theodor-Wolff-Preis.

Über die Begrüßung Kennedys durch Kanzler Konrad Adenauer in Köln schreibt er: „Konrad Adenauer hat John F. Kennedy begrüßt, es war eine merkwürdig steife, seltsam kühle Szene. Der alte Mann wirkte gehemmt, als er dem so viel Jüngeren die Hand gab, ihn entlangführte an der Ehrenformation der Bundeswehr und ihm dann das Kabinett vorstellte, als ersten Ludwig Erhard, den Nachfolger.“

Willy Brandt und John F. Kennedy mit einem hohen Militär bei Kennedys Empfang in Berlin.

Klaus Bresser, im Bild ganz rechts neben zwei Polizisten, erlebte Kennedy und Willy Brandt, Bürgermeister von Berlin, aus nächster Nähe.

Auffällig erscheint Bresser, dass Kennedy alle Eigenschaften eines großen Charismatikers zeigt: „Kühl-sachlich und emotional einnehmend gleichermaßen“ sei der US-Präsident. „Seine Gesten schaffen Distanz, aber sein Lächeln hebt solche Distanz im selben Moment wieder auf. Kennt dieser junge Mann seine Wirkung? Setzt er sie bewußt ein? Eiserne Selbstkontrolle und viel Arbeit stecken hinter der Haltung, die Kennedy zeigt. Mit großem Raffinement ist das Bild entworfen, das die Öffentlichkeit von John F. Kennedy haben soll.“ Da passt es, dass er am Ende seiner Rede auf dem Rathausplatz in die Menge ruft: „Köln Alaaf!“ und 12.000 Kölner Kehlen den Karnevalsruf begeistert echoen.

„Kennedys Auftritt auf dem Rathausplatz war für die Kölner ein zweiter Karneval“, erinnert sich Bresser, der in der Menge stand. Die Redenschreiber des US-Präsidenten hätten immer drei Skripte formuliert: eines mit gelbem Umschlag für einen kühlen Empfang, eins mit blauem für einen normalen und eins mit rotem für einen besonders herzlichen. „In Köln hat Kennedy den roten Umschlag genommen. In Berlin hat der rote nicht gereicht, da hat er noch schnell die handschriftlich gekritzelten Worte ‚Ich bin ein Berliner! ‘ gereicht bekommen.“ Die dann in die deutsche Geschichte eingingen wie „Köln Alaaf!“ in die Kölner.

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