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Ab 2029 in Köln im EinsatzWarum die KVB 700 Millionen Euro in neue Bahnen aus der Schweiz investiert

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Die neue Hochflur-Stadtbahn der KVB vom Schweizer Hersteller Stadler

Die neue Hochflur-Stadtbahn der KVB vom Schweizer Hersteller Stadler

Der Hersteller Stadler baut für das Kölner Verkehrsunternehmen maßgeschneiderte Fahrzeuge, die bis zu 70 Meter lang sein können.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) kaufen für 700 Millionen Euro 132 neue Stadtbahnen vom Schweizer Hersteller Stadler. Wie enorm diese Investition für das zum Stadtwerke-Konzern gehörende Unternehmen ist, verdeutlicht ein Vergleich mit der völlig aus dem Ruder gelaufenen Sanierung von Oper und Schauspielhaus mit Planungs- und Baukosten in Höhe von 798,6 Millionen Euro. „Das ist für uns ein besonderes Projekt und die größte Fahrzeugbeschaffung en bloc überhaupt“, sagte KVB-Chefin Stefanie Haaks am Dienstag.

Keine Standardisierung für Stadtbahnen in Deutschland

Dass es sich auch für den Hersteller nicht um irgendeinen Auftrag handelt, zeigt sich unter anderem daran, dass Peter Spuhler, Präsident des Verwaltungsrats der Stadler-Gruppe, eigens aus der Schweiz anreiste, um die KVB-Zentrale an der Scheidtweilerstraße in Braunsfeld zu besuchen. Und das, obwohl das Unternehmen in Berlin eine eigene Deutschland-Niederlassung hat. „Es ist für uns eine große Ehre, dass wir diese sehr anspruchsvolle Ausschreibung gewinnen konnten“, sagte er. Es sei „ein harter, langer Weg“ gewesen, auf dem beide Partner einige Hürden genommen hätten. Ein 700-Millionen-Euro-Auftrag ist offensichtlich selbst für einen Weltkonzern mit einem Werk in den USA nicht alltäglich.

Doch warum sind die neuen Stadtbahnen überhaupt so teuer? Das liegt laut KVB-Chefin Stefanie Haaks vor allem daran, dass es weltweit und eben auch in Deutschland bislang für Stadtbahnen keine Standardisierungen gibt. Das bedeutet, dass jedes Verkehrsunternehmen vollkommen unterschiedliche Systeme betreibt und deshalb auch vollkommen eigene Anforderungen an die Fahrzeuge hat. „Es handelt sich bei der Stadtbahn, die wir für die KVB bauen, um ein Unikat“, sagte Jure Mikolcic, CEO von Stadler Deutschland.

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Die Fahrzeuge seien auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten, sagte Stadler-Präsident Spuhler. „Wir sind es gewohnt, Spezialfahrzeuge herzustellen.“ So hat Stadler etwa für die Corcovado-Bergbahn in Kölns brasilianischer Partnerstadt Rio de Janeiro eine neue Zahnradbahn gebaut. 

Der hohe Grad an Individualisierung hat seinen Preis, der sich vor allem auf die Entwicklungskosten niederschlägt. Hatte die KVB zunächst mit Kosten in Höhe von 580 Millionen Euro gerechnet, werden es jetzt 120 Millionen Euro mehr sein als gedacht. Dass das Unternehmen gleich 132 Stadtbahnen auf einmal bestellt, sei deshalb umso sinnvoller, sagte KVB-Chefin Haaks. Denn je größer der Auftrag sei, umso mehr lohne sich die Entwicklung einer neuen Stadtbahn. 

Ersatz für die älteren Fahrzeugeder Serien 2200, 2300 und 5100

Eine Wahl hatte die KVB allerdings ohnehin nicht, denn die neuen Stadtbahnen sollen die bisherigen Serien 2200, 2300 und 5100 ablösen. Ersetzt werden 73 Stadtbahnwagen der 29 Jahre beziehungsweise mehr als 34 Jahre alten Serien 2200 und 2300. Nach Angaben der KVB ist es aufgrund einer schlechteren Material- und Verarbeitungsqualität wirtschaftlich nicht sinnvoll, die Fahrzeuge selbst zu modernisieren, wie das bei den aus den 1980er Jahren stammenden Stadtbahnen der Serie 2100 der Fall war, die jetzt aufgearbeitet als Serie 2400 auf den Kölner Schienen unterwegs sind. Dass auch die Bahnen der Serie 5100, die erst 2002 und 2003 in Betrieb gingen, ersetzt werden sollen, liegt daran, dass ihre Betriebsdauer von vorneherein auf lediglich 30 Jahre angelegt war – eine Modernisierung zieht die KVB daher nicht in Erwägung.

19.08.2025, Köln: Die U-Bahn-Haltestelle Kartäuserhof der Kölner Verkehrsbetriebe.

Foto: Michael Bause

Die neuen Bahnen ersetzen die bisherigen Fahrzeuge der Serie 2300.

Für die KVB und somit indirekt auch für den Stadtwerke-Konzern und die Stadt Köln als deren Eigentümer bedeutet die 700-Millionen-Euro-Investition eine extrem hohe Belastung. Die KVB hatte im vergangenen Jahr ein Minus von 185,1 Millionen Euro eingefahren. Der Verlust wird innerhalb des Stadtwerke-Konzerns zwar ausgeglichen – das heißt allerdings, dass dieser auch weniger Gewinn an die Stadtkasse abführen kann. Die ohnehin angespannte Haushaltslage verschärft sich durch den Kauf neuer Stadtbahnen also weiter. „Es war ein Kraftakt für den Stadtrat, die Gelder zu bewilligen“, sagte Aufsichtsratschef Manfred Richter (Grüne) am Dienstag.

Bei den neuen Stadtbahnen handelt es sich um jeweils zwei 30 Meter lange Fahrzeuge, die sich zu einem durchgängigen 60-Meter-Zug verbinden lassen. Die KVB hat außerdem 34 Zwischenmodule bestellt, sodass sich 34 der Züge noch einmal um weitere zehn Meter auf insgesamt 70 Meter verlängern lassen. Dann finden darin 470 Fahrgäste Platz. Es handelt sich um sogenannte Hochflurbahnen, die Eisenbahnen ähneln und die aufgrund ihrer Konstruktion Bahnsteige mit einer Höhe von 90 Zentimetern benötigen. Bei Niederflurbahnen sind es nur 35 Zentimeter. In Köln gibt es ein Mischsystem, weil einige Trassen früher von Eisenbahnen genutzt wurden. 

KVB setzt auf Rückspiegel-Videosystem gegen den toten Winkel

Das Modulsystem der neuen Hochflurbahnen hat gegenüber den bisherigen Stadtbahnen den Vorteil, dass zwischen den einzelnen Fahrzeugteilen keine Kupplungslücken mehr entstehen, wie das bislang der Fall war. In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach zu tödlichen Unfällen, weil Menschen unerlaubt über die Kupplungen gestiegen und beim Anfahren dazwischengeraten waren. Die KVB lässt zusätzlich ein Rückspiegel-Videosystem einbauen, um den toten Winkel zu eliminieren.

Im Innenraum werden große 29-Zoll-Monitore verbaut, um die Fahrgäste mit aktuellen Informationen zu versorgen. Eine LED-Beleuchtung und eine energiesparende Klimaanlage sind ebenfalls vorgesehen. Die Gänge sollen deutlich breiter als in den bisherigen Bahnen sein, damit die Fahrgäste schneller ein- und aussteigen können. Auch die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren und Eltern mit Kinderwagen soll laut der KVB sichergestellt sein.

Die Bahnen sind laut KVB und Stadler auf eine Lebensdauer von mehr als 30 Jahren ausgelegt. Zwischen den beiden Partnern gibt es zudem eine Vereinbarung, die dafür sorgen soll, dass es eine langfristige Versorgung mit Ersatzteilen gibt. Stadler übernimmt zudem präventive Wartungen und eine technische Beratung.

Die ersten zehn Stadtbahnen und fünf Verbindungsmodule will Stadler 2029 ausliefern. Von Mitte 2030 bis Ende 2032 folgen dann nach und nach die weiteren 122 Bahnen und 24 Verbindungsmodule. „Unser Ziel ist es, die Stadt mit modernen Bahnen mobil zu halten“, sagte KVB-Chefin Haaks.