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Vor genau 20 JahrenSo erlebte Erzbischof Heiner Koch den Weltjugendtag 2005

4 min
Papst Benedikt XVI. am 21. August 2005 auf dem Marienfeld

Papst Benedikt XVI. am 21. August 2005 auf dem Marienfeld

Im August 2005 kamen Hunderttausende junge Menschen ins Rheinland, um gemeinsam mit Papst Benedikt XVI. den Weltjugendtag zu feiern. Ein Gastbeitrag des damaligen Generalsekretärs für das Großevent Heiner Koch

Der Kölner Weltjugendtag war gedacht als ein großer Pilgerweg: die Jugend der Welt gemeinsam unterwegs zu Christus. Wie die Heiligen Drei Könige, die wir im Dom verehren. Die Ankunft von Papst Benedikt XVI. in Köln am 18. August und seine Schifffahrt auf dem Rhein waren ein großartiger Beginn. Bei herrlichem Wetter säumten die Jugendlichen in Scharen das Ufer und jubelten dem Papst zu. Viele standen auch im Fluss.

Der Heilige Vater saß vorn im Boot und sprach mit ausgewählten Jugendlichen um ihn herum. Wir mussten ihn immer wieder ermutigen, an die Reling zu gehen und zu winken. Man hatte anfangs das Gefühl, er wusste gar nicht, wie ihm geschah. Es war ja auch seine erste große Auslandsreise. Aber im Lauf der Fahrt wurde er immer freier, und er hat die Tage in Köln dann, glaube ich, sehr genossen.

Ein bewegender Moment war der Besuch des Papstes in der Synagoge am 19. August. Der Gemeindevorstand hatte sich schon sehr früh mit einer Einladung an uns und an den Heiligen Vater gewandt. Da gab es so vieles zu bedenken und zu beachten, wie diese Begegnung ausfallen sollte. Es war ja das erste Mal, dass ein Papst in Deutschland eine Synagoge betrat. Im Ergebnis fiel der Besuch so dicht und so ernst, so achtsam und ehrfurchtsvoll aus, dass er für das Gespräch mit den Juden weit über den Weltjugendtag hinaus von großer Bedeutung war.

Der Höhepunkt des Weltjugendtags war für mich zweifellos die liturgische Nacht zum Sonntag auf dem Marienfeld in Kerpen. 800.000 Jugendliche waren da. Ich war auch selbst die ganze Nacht dort, und bei allen organisatorischen Schwierigkeiten, die wir auch hatten, war es eine Zeit in großer Stille und einer beeindruckenden geistlichen Atmosphäre. Allerdings wurde es auch ziemlich frisch. Ich weiß noch, dass wir gut zu tun hatten mit unterkühlten jungen Leuten, die in T-Shirts gekommen waren und sich plötzlich wie im Winter fühlten. In den Sanitätszelten herrschte großer Andrang: Tee, Decke und wieder raus – der Nächste! So lief das. Zum Glück ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen. Übrigens in den ganzen vier Tagen des Papstbesuchs nicht. Was bei den vielen überschwänglichen Menschen auch irgendwie ein Wunder war.

Kölner Gastfreundschaft ist in Erinnerung geblieben

Von Teilnehmenden habe ich noch Jahre später gehört, dass die Gastfreundlichkeit der Kölnerinnen und Kölner ihnen bleibend in Erinnerung geblieben ist. Es war eine freundliche, heitere, herzliche Stimmung in der Stadt, wie wir es in der Vorbereitung selbst nicht für möglich gehalten hätten. Denn Widerstände und Bedenken im Vorfeld gab es schon. Übrigens auch in Rom. Da stieß unser Konzept des Weltjugendtags als Pilgerweg mit wechselnden Stationen und wenigen festen Orten auf große Skepsis, auch die Bootsfahrt des Papstes und die liturgische Nacht am Schluss.

Eines Tages im Frühjahr 2005 wurden Kardinal Meisner und ich nach Rom gerufen. Nach dem Tod Papst Johannes Pauls II. hatte da schon Benedikt XVI. sein Amt angetreten. An Entscheidungen seines Vorgängers ist der neue Papst nicht gebunden. Streng genommen, hätte er den Weltjugendtag auch kippen oder zumindest seine Teilnahme absagen können. Wir waren dementsprechend unter Spannung, gerade weil wir wussten: Nicht allen im Vatikan gefällt, was wir da in Köln vorhaben. Und wir hatten zu den strittigen Punkten immer wieder gesagt: „Wir müssen hören, was der Papst dazu sagt.“

Nun saßen wir also in Rom wieder mit den Verantwortlichen zusammen, und dann kam der Heilige Vater dazu. „Ich schlage jetzt vor, dass Generalsekretär Koch die Kölner Vorschläge erklärt“, sagte er zu seinen Leuten. „Dann können Sie Ihre Einwände vortragen, und danach treffen wir eine Entscheidung“. So geschah es. Organisationsprobleme, Sicherheitsfragen, das Ungewohnte an unseren Ideen – vieles kam da auf den Tisch. Aber dann passierte immer wieder das Gleiche: „Ich verstehe Ihre Bedenken“, sagte der Papst zu den Römern. „Aber wollen wir den Deutschen nicht einfach vertrauen? Wir machen es so, wie die Kölner es vorschlagen!“ Dieses Wort – Vertrauen – geht mir bis heute nach. Auch bei vielen anderen Fragen, die sich uns seitdem stellen.

Aufgezeichnet von Joachim Frank