Wenn Körper und Geist versagenEine Kölnerin erzählt von ihrer Depression

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Elke Zimmerbeutel

Elke Zimmerbeutel

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • In der Serie „Zwei Kaffee” kommen Kölnerinnen und Kölner zu Wort.
  • In dieser Folge: Elke Zimmerbeutel

Köln – Heute ist wieder einmal so ein Tag, an dem ich dem Himmel danke, dass er einen ganz besonderen Menschen in meine Richtung gelotst hat. Besonders ist die Frau, mit der ich heute zusammensitze, in meinen Augen deshalb, weil sie so offen über ein Thema spricht, das zwar häufiger im Rahmen meiner Kaffee-Gespräche anklingt, dann jedoch mit dem Satz „das schreiben Sie aber bitte nicht!“ wieder vom Tisch gefegt wird. Elke Zimmerbeutel hingegen sagt: „Ich schäme mich deswegen in keiner Weise. Das sind genetische Veranlagungen und meine persönlichen Lebensumstände, die mich dazu gebracht haben.“ So wie andere Krankheiten bei anderen Menschen, gehöre die Depression seit vielen Jahren zu ihr. „Und wer damit ein Problem hat, der passt nicht zu mir.“

Ich begegne der 58-Jährigen in einer Seitenstraße der Breite Straße, Auf dem Berlich. Sie habe gerade schon einen Kaffee getrunken, sagt Elke Zimmerbeutel, und schwärmt von ihrem Besuch nebenan beim Bäcker Bastian’s, wo man so wunderbar in die Backstube schauen könne.

Ich erfahre: Was für andere ganz alltäglich ist, sich beispielsweise zwischendurch einen Cappuccino zu gönnen, ist für die in Zündorf lebende Frührentnerin schon etwas sehr besonderes. Das hängt zum einen mit ihrem begrenzten Budget zusammen, aber vor allem damit, dass sie, wie sie sagt, so lange gar nicht richtig am Leben teilgenommen habe und sich gerade schrittchenweise dahin zurücktastet.

Die Kölnerin erzählt mir von den vielen Schicksalsschlägen in ihrem Leben: Davon, dass der Vater die Mutter so schlecht behandelt und sich schließlich – 22 sei sie damals gewesen – das Leben genommen habe. Sie berichtet von ihrer Schwester im Hospiz und davon, dass sie „immer über ihre Kräfte hinaus gelebt“ habe. „Ich habe nie an mich gedacht, sondern nur an die anderen. Wenn es denen gut ging, ging es mir auch gut.“ Der eigene Zusammenbruch erfolgte, als ihre Mutter vor drei Jahren stürzte und sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzog. „Sie wurde operiert, und dann kam auch noch eine Lungenentzündung dazu.“

Als diese Nachricht kam, sei sie kollabiert. „Der Körper versagte, die Psyche versagte ebenfalls.“ Es kam zu einer Einweisung in die psychiatrische Klinik und einem anschließenden Aufenthalt in einer psychosomatischen Privatklinik. „Hat Ihnen das gut getan?“, frage ich. Mein Gegenüber nickt. Aber währenddessen sei die Mutter gestorben. „Das war ganz schrecklich für mich.“ Man habe sie in dem Heim, in dem sie zuletzt war, regelrecht vertrocknen lassen.

Ihre Mutter sei eine phantastische Frau gewesen, die selber so viel Schlimmes erlebt habe, sagt Elke Zimmerbeutel. Ihr ist anzumerken, wie schwer der Verlust und die damit verbundene Wohnungsauflösung für sie gewesen ist.

„Und nun?“, frage ich. „Nun versuche ich, mir mein Leben schön zu machen, und das fällt mir sehr schwer. Aber ich versuche es in ganz kleinen Schritten.“

An diesem Morgen zu beschließen, in die Stadt zu fahren, sei schon ein größerer Schritt. „Ich muss mich aus dem Bett bewegen und irgendein Ziel haben. Aber wenn ich nach Hause komme, ist es bei mir immer dunkel.“ – „Weshalb?“ frage ich. „Weil ich alleine bin.“

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