Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Und plötzlich wird es persönlich“Wie die Feuerwehr Köln ihren Einsatzkräften in belastenden Situationen hilft

3 min
Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei sind an der Unfallstelle, nachdem zwischen der Anschlussstelle Wahn und Lind auf der A59 mehrere Fahrzeuge kollidiert sind. Ein Pkw ist laut Polizei in Flammen aufgegangen. Nach ersten Erkenntnissen ist der Pkw auf ein Wohnmobil aufgefahren, im Anschluss soll ein Lkw in die Unfallstelle gefahren sein. Foto: Thomas Banneyer/dpa

Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei beim Unfall auf der A59 in Wahn/Lind vorige Woche Donnerstag (9.10.). Ein Mensch verbrannte in seinem Auto.

Nicht nur dramatische, auch scheinbar unspektakuläre Einsätze können Feuerwehr- und Rettungskräfte nachhaltig belasten.

Herr Hölterhof, als Koordinator des PSU-Teams (Psychosoziale Unterstützung) der Berufsfeuerwehr Köln betreuen Sie mit einem 22-köpfigen Team Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehr und Rettungskräfte sowie deren direkte Angehörige nach besonders belastenden Einsätzen. Was sind das für Einsätze?

In den vergangenen sechs Wochen waren wir siebenmal nach erfolglos verlaufenen Reanimationen im Einsatz. Unter den Opfern waren auch Kinder, was die Kolleginnen und Kollegen oft noch heftiger trifft. Auch junge Einsatzkräfte mit wenig Erfahrung sind häufig besonders betroffen. Vorige Woche wurde nach einem Unfall auf der Autobahn eine Person in einem brennenden Auto eingeschlossen. Man muss sich vorstellen: Die Kollegen kommen an die Einsatzstelle, wollen helfen, können es aber nicht mehr. Das ist schwer zu verkraften.

Dann gibt es Einsätze, die massive, eindrückliche Bilder und Geräusche hinterlassen, zum Beispiel eine Person unter einer Straßenbahn oder jemand, der gesprungen ist. Aber manchmal sind es auch die kleinen Einsätze, die die Kollegen oder Kolleginnen an ihre Grenzen bringen. Ein kleiner Verkehrsunfall, keine große Sache, eigentlich alles gut. Aber dann guckt man ins Auto und sieht den gleichen Kindersitz, den man auch in seinem eigenen Auto hat. Das triggert, und plötzlich wird so ein Ereignis persönlich.

Wie reagieren Einsatzkräfte dann?

Stressreaktionen laufen bei allen Menschen erst einmal gleich ab. Die Frage ist nur, wie gut man im Vorfeld geschult ist, um das einordnen zu können. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die zittern oder an der Einsatzstelle unruhig wirken. Andere, die sich auf einmal entgegen ihrer sonstigen Art zurückziehen und sehr still werden. Kollegen, die sonst offen sind, aber auf einmal nur noch ihrem Arbeitsablauf nachgehen. Dann ist es unsere Aufgabe, sie daran zu erinnern, dass das ganz normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse sind – und ein wichtiger Schritt in der Verarbeitung.

Robert Hölterhof koordiniert das PSU-Team der Feuerwehr Köln. Es hilft EInsatzkräften nach besonders belastenden Ereignissen.

Robert Hölterhof koordiniert das PSU-Team der Feuerwehr Köln. Es hilft Einsatzkräften nach besonders belastenden Ereignissen.

Welche Reaktionen sind nicht mehr normal?

Bis zu 72 Stunden nach einem belastenden Ereignis spricht man von der Schockphase, daran schließt sich eine bis zu achtwöchige Verarbeitungsphase an. Man hat die Bilder im Kopf, schläft vielleicht mal eine Nacht schlechter oder auch zwei. Deshalb bieten wir früh eine Einsatznachsorge an und ein zweites Gespräch ein paar Tage später. Bei Bedarf bieten wir eine Begleitung an, bis eine Psychotherapie beginnen kann.

Wie oft müssen Feuerwehr- oder Rettungsdienstkräfte ihren Beruf deshalb aufgeben?

Bei mehreren Tausend Einsatzkräften in Köln haben wir ein bis zwei solcher extrem tragischen Fälle im Jahr. Dazu haben wir einige Fälle im Jahr, in denen Kollegen eine traumatherapeutische Aufarbeitung benötigen, bevor sie den Dienst wieder aufnehmen können. Die allermeisten aber gehen gut aus 30 Dienstjahren heraus, weil sie sie ein starkes Umfeld haben, Kollegen oder andere Menschen, mit denen sie sprechen und die ihre Situation nachvollziehen können. Auch wir als PSU-Team machen viel Prävention, Resilienztraining und schaffen Sensibilität für das Thema, bevor es zu einer Belastung kommt.

Wie erklären Sie sich, dass trotz dieser großen, auch emotionalen Belastung viele Menschen zur Feuerwehr und zum Rettungsdienst wollen?

Weil man da sein will, wenn Menschen Hilfe brauchen. Dafür stehen die Kolleginnen und Kollegen jeden Morgen auf, gehen zum Dienst, haben ihre Melder dabei. Viele machen das sogar freiwillig „nebenher“. Um dann, wenn andere sagen, ich gehe heute Abend einen trinken, in den Einsatz zu gehen und zu sagen: Okay, ich bin jetzt da und helfe. Das ist eine wahnsinnig erfüllende Aufgabe.