Dreckige ToilettenMutwillig verstopfte Toiletten und Schweinereien erregen Unmut an Kölner Schulen

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Eine Frau sitzt an einem Tischchen vor einer Toilettenanlage.

Der Garant für saubere Toiletten ist Bewirtschaftung: Seit mehr als zehn Jahren sorgt Toilettendame Carola Hack an der Gesamtschule Holweide dafür, dass es keine Klagen gibt.

Verschmutzte Toiletten und Vandalismus sind ein Dauerproblem. Viele Kölner Schulen wählen den einzigen Weg, der dauerhaft Abhilfe schafft.

Der aktuelle Blick auf die Toiletten an einem Kölner Gymnasium macht fassungslos: Die mit Unmengen nassem WC-Papier mutwillig verstopften Toiletten sind übergelaufen und haben den Boden in einen ekeligen See verwandelt. Ganze Pakete Reis stecken in den Urinalen, damit sie aufquellen und die Urinale verstopfen. Nebenan sind Klobürsten komplett in den Toilettenschüsseln versenkt. An den Wänden klebt nasses Toilettenpapier.

Der Name der Schule tut hier nichts zur Sache. Auch nicht der der Kölner Grundschule, wo zuletzt die Jungentoilette gesperrt wurde, weil zum wiederholten Male mutwillig Fäkalien an die Wände geschmiert worden waren. Die beiden aktuellen Beispiele stehen für ein Problem, das an unzähligen Kölner Schulen Dauerthema ist: Verdreckte Toiletten und Vandalismus. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage halten knapp 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland ein oder trinken nichts, um während des Schultages nicht auf die Schultoilette gehen zu müssen. Weil sie sich ekeln.

Köln beschäftigt eine Reinigungsberaterin für Schulklos

Die Stadt Köln beschäftigt sogar eigens eine offizielle Reinigungsberaterin für Schulklos. Angela Kool kann gebucht werden, um Schulklassen das angemessene Verhalten auf Toiletten zu vermitteln. Vor allem Grundschulen machen davon regen Gebrauch. Hinterher werden Verpflichtungserklärungen unterschrieben, die hinterher in den Klassen hängen: „Ich setze mich oder ziele genau“, steht da zum Beispiel drauf.

Das sei sehr hilfreich, der Effekt halte aber eben immer nur eine Zeit lang, sagt Markus Jansen, Schulleiter der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler, der Kool auch schon für seine Fünftklässler gebucht hat. „Die Probleme mit den Toiletten gibt es quer durch alle Schulformen und Stadtteile“, sagt er. Vor Corona machte etwa die Gesamtschule Rodenkirchen von sich reden, weil in den frisch sanierten Toiletten die Klobrillen mit Kot beschmiert waren.

Niemand pinkelt bei sich zu Hause auf den Boden
Mai Thi Nguyen-Kim, Wissenschaftsjournalistin und Youtuberin

Man brauche doch nur auf einem Festival die Toiletten aufzusuchen, um zu sehen, dass viele Erwachsenen da auch kein Vorbild seien, so Lehnen. Oder sich an Autobahntoiletten vor der Zeit von Sanifair erinnern. Es scheine wie ein Naturgesetz, stellt die Wissenschaftsjournalistin und Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim fest: „Niemand pinkelt bei sich zu Hause auf den Boden. Trotzdem ist es quasi ein physikalisches Gesetz, dass der Boden öffentlicher Toiletten und Schultoiletten vollgepinkelt ist.“

Dieser „Tragödie des Gemeinsinns“ geht sie in dem gleichnamigen Youtube-Video auf den Grund, das an Schulen auch gerne zu didaktischen Zwecken eingesetzt wird: Sie beantwortet darin die Frage, warum wir Dinge und Orte, die allen gehören, oft so mies behandeln. Und was man tun kann, damit das nicht passiert.

Kurz zusammengefasst: Man muss für Kontrolle sorgen – gegenseitige oder externe. Immer mehr Kölner Schulen gehen daher diesen Weg und schaffen ein Modell, das das Problem genau auf diese Weise angeht: Durch einen geringen Eltern-Obolus wird eine Servicekraft eingestellt, die dann vor der Toilettenanlage sitzt und auch gezielt für jeden einzeln eine Toilettenpapier-Ration ausgibt. „Der Erfolg ist frappierend“, erzählt etwa Schulleiter Lehnen.

Realschule in Köln-Chorweiler beschäftigt Servicekraft

An der Chorweiler Realschule wurde nach Problemen mit Vandalismus und Verwahrlosung der Toiletten zunächst für vier Monate probeweise mit Mitteln des Fördervereins eine Servicekraft beschäftigt. Außerdem wurden die Toilettengänge dokumentiert.

Weil sich dadurch die Probleme quasi erledigt hatten, werden nun nach einem einstimmigen Beschluss der Schulkonferenz – also dem gemeinsamen Gremium von Schulleitung, Lehrkräften und Eltern – bis zum Schuljahresende fünf Euro eingesammelt, um das Modell bis Schuljahresende fortzusetzen. Dabei ist es – wie Lehnen betont – an allen Schulen ein freiwilliger Obolus. Auch wenn die Eltern nicht zahlen, wird dem Kind der Toilettenbesuch nicht verweigert.

Zollstocker Europaschule in Köln: Toilet-Sound-System mit gedämpfter Wunschmusik

Auch das Dreikönigsgymnasium, prüft ein solches Konzept in seinem derzeitigen Interim einzuführen. An anderen Schulen gibt es das längst: An der Zollstocker Europaschule etwa, wo Schulpflegschaft und Förderverein bei der Stadt die Sanierung einer Toilettenanlage erkämpft haben.

In der optisch ansprechend gestalteten Anlage läuft sogar aus einem Toilet-Sound-System gedämpfte Wunschmusik der Schülerinnen und Schüler. Weil auch eine angenehme, saubere Umgebung das Verhalten beeinflusst. Zehn Euro zahlen die Eltern hier im Jahr. Meist sind es bei diesen Modellen ein Euro im Monat, der den Eltern ein sauberes Schulklo für ihre Kinder wert ist.

Pionier war allerdings die Gesamtschule Holweide. Dort gab es eine der ersten bewirtschafteten Toiletten Nordrhein-Westfalens. Hier sitzt schon seit weit mehr als zehn Jahren „Caro“ vor dem „Sit In“, wie sie hier das Schulklo liebevoll getauft haben. „Bei mir benehmen sie sich alle“, sagt Toilettendame Carola Hack, die an der Schule eine Institution ist. Sie muss das wissen, weil sie nach jedem „Kunden“, wie sie ihre Schützlinge nennt, über die Brille wischt. Zehn Cent werfen die Schülerinnen und Schüler pro Toilettengang in Caros Schälchen.

Eine Frau reinigt die Brille einer Toilette

Nach jeder Toilettenbenutzung reinigt Carola Hack die Klobrille.

„So viel soll es ihnen wert sein“, erklärte der didaktische Leiter der Schule, Matthias Braunisch, der es wichtig findet, dass das Angebot nicht umsonst ist, weil das auch Wertschätzung ausdrückt. Für das Geld gibt es eine saubere Toilette, in der es auch Hygieneartikel und einen Fön gibt. Und Musik aus den Charts. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler dort die Wahl: Es gibt nämlich auch Toiletten, die man umsonst nutzen kann. Aber die sind den meisten zu ekelig. Es sei eben das Gefühl, unbeobachtet und anonym zu sein und für den Ort keine Verantwortung zu tragen, das den Unterschied mache, vermutet Braunisch.

Dabei gehen andere Länder längst viel rigidere Wege. Als etwa in der Moorebank Highschool in Sydney der Boden zuletzt immer wieder voller Urin und man auch Kot an den Wänden fand, richtete die Schule ein biometrisches System ein. Kinder, die auf die Toilette möchten, scannen vor dem Betreten der Toilette ihren Fingerabdruck. So kann die Schule nachvollziehen, wer zu welcher Zeit auf der Toilette war und gegebenenfalls die Missetäter zur Verantwortung ziehen.

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