25 Jahre Forum Alte MusikWenn sich Ovid und Händel die Hand geben

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Brühl. Schlosskonzert im Brühler Schloss Augustusburg mit Capella Augustina und Dirigent Andreas Spering.
BU: Zu einem musikalischen Spaß hatte Dirigent Andreas Spering mit seiner Capella Augustina im 20. Jahr eingeladen. (Foto: Tripp)

Schlosskonzert im Brühler Schloss Augustusburg mit Capella Augustina und Dirigent Andreas Spering.

Seit 25 Jahren gibt es die Konzertreihe im Rahmen des Forums Alte Musik. Anlässlich des Jubiläums führte Andreas Spering mit der Capella Augustina im WDR-Funkhaus ein mythologisches Programm auf. 

Ist das ein happy end, das den Namen verdient? Da erschlägt der böse Polyphem aus Eifersucht den Schäfer Acis und zerstört damit auch das Liebesglück von dessen Gefährtin, der Nymphe Galatea. Der gelingt es immerhin, die Blutströme des Getöteten in einen Fluss zu verwandeln, dessen Murmeln sie fortan getröstet lauschen kann.

So richtig glücklich kann man das Ende dieser Geschichte wohl nicht finden, der Ovid in seinen „Metamorphosen“ eine gültige literarische Gestalt gab. Händel machte sie zur Grundlage seiner schönen einaktigen „Masque“ „Acis und Galatea“, die er 1718 in England komponierte; Andreas Spering führte sie jetzt mit seiner Capella Augustina im WDR-Funkhaus auf.

Forum Alte Musik mit Konzert zu Ovid

Das geschah im Rahmen des Forums Alte Musik, dem, wie seine Leiterin Maria Spering in der Pause bei Sekt und O-Saft für alle Anwesenden ausführte, ein wesentlich günstigeres Schicksal beschieden war als dem mythologischen Liebespaar: Seit nunmehr 25 Jahren ist die sonntägliche Konzertreihe nicht nur erfolgreich, sondern gehört auch zu den Säulen der ohnehin reichhaltig entwickelten Kölner Alte-Musik-Szene.

Klar, dass man aus Anlass des Jubiläums gerade zu Beginn der Saison einigermaßen üppig auftreten wollte: Spering hatte ein illustres Sängerquartett rekrutiert, das auch, durchaus Händels Besetzungsintentionen folgend, um einen weiteren Tenor ergänzt den kompositorisch gut bedachten Chor stellte. Und im Orchester glänzten unter anderem der Blockflötist Daniel Rothert und die Oboistin Clara Blessing.

Andreas Spering dreht im zweiten Teil richtig auf

Der erste Teil der Masque beschwört das arkadische Leben. Schön und gut, aber andauernde Idylle kann auch langweilig werden. Nicht nur der genuine Musikdramatiker Händel tut es, sondern auch Spering drehte erst im zweiten Teil so richtig auf, wo es mit den Polyphem-Attacken hart zur Sache geht. Unwiderstehlich half dabei der schier raumsprengende Bass von Andreas Wolf, mit dem das Böse eindrucksvoll Einzug ins Paradies hielt.

Ihm gebührt der Lorbeer unter den, wie gesagt, insgesamt sehr guten Solosängern (weiterhin Hugo Hymas, Berit Norbakken und Joshua Ellicott). Zum klanggestalterischen Höhepunkt des Ganzen geriet womöglich der Klagechor „Mourn, all ye muses!“ob seiner bohrenden Chromatik und seiner dicht geführten vokalen Linien. Das ist wirklich Händel at his best, wo schon der spätere Oratorienkomponist leibt und lebt – und genauso kam es herüber.

Neues Buch von Richard Lorber: „Alte Musik heute“

Zum Forum-Jubiläum gibt es auch eine opulente Buchveröffentlichung, die Mitveranstalter Richard Lorber von WDR 3 ebenfalls in der Pause vorstellte: das von ihm herausgegebene und soeben im Bärenreiter-Verlag erschienene Kompendium „Alte Musik heute. Geschichte und Perspektiven der Historischen Aufführungspraxis“. In 21 Aufsätzen renommierter Musikwissenschaftler und in 14 Interviews mit Protagonisten der Alten Musik von Philippe Herreweghe bis Dorothee Oberlinger geht es darin um Themen wie die historische Genese der Historischen Aufführungspraxis, die Renaissance der Barockoper und das Phänomen Countertenor, aber auch um Alte Musik nach 1750, um Instrumentenkunde und die Lage der freien Ensembles auf dem Musikmarkt.

Gegenstand ist die Alte Musik allgemein, nicht die Situation in Köln. Trotzdem drängt die Lektüre den Eindruck auf, dass die Kölner Alte-Musik-Szene als ein Zentrum des international bedeutsamen Phänomens figuriert – dem Forum Alte Musik ist ein eigener Beitrag gewidmet, und viele der Autoren und Interviewpartner leben oder lebten in Köln. So dies die Situation zutreffend abbildet, hat Kultur-Köln einigen Grund, stolz zu sein.

Zum Buch

Richard Lorber (Hrsg.): „Alte Musik heute. Geschichte und Perspektiven der Historischen Aufführungspraxis. Ein Handbuch“, Bärenreiter/Metzler, 414 Seiten, 39.99 Euro.

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