Sturm gegen neue Schreibweise25 Jahre Rechtschreibreform - und das Abendland ging doch nicht unter

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Ein Duden mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung.

Ein Duden mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung.

Vor 25 Jahren wurde die deutsche Rechtschreibung reformiert. Doch anders als erwartet, ging das Abendland gar nicht unter – auf jeden Fall nicht wegen der Rechtschreibreform.

Kartoffelbrei wurde in den 1990ern gegessen statt auf Kunstwerke geworfen und es klebte auch noch nicht ständig jemand auf der Straße. Eigentlich erstaunlich, denn schon damals warnten Wissenschaftler dringlich vor der drohenden Klimakatastrophe und steigendem Meeresspiegel.

Wir grunzen immer noch nicht

Doch es gab Wichtigeres zu tun: Zum Beispiel zu klären, ob man spazieren gehen besser zusammen oder auseinander schreibt. An diesem Dienstag wird die Rechtschreibreform 25 Jahre alt – ein Riesen-Aufreger damals, der die gesamten Geistesgrößen auf die Barrikaden trieb: Günter Grass, Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberger und Marcel Reich-Ranicki protestierten.

Und die „FAZ“ beschloss sogar mit großer Geste, zur alten Rechtschreibung zurück zu kehren. Selbst Loriot verlor bei dem Thema seinen Humor „Wir sind auf dem Wege, unser wichtigstes Kommunikationsmittel so zu vereinfachen, daß es in einigen Generationen genügen wird, sich grunzend zu verständigen“, schrieb Vicco von Bülow in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung.

Während also die Klimakrise kaum Schlagzeilen machte, gerieten beim Thema Rechtschreibung alle in Wallung. Man sah Generationen von hirnlosen Schülern heranwachsen, die ein Deutschland ohne „dass“ mit ß nach der Jahrtausendwende in den sicheren Untergang führen würden.

Vor allem die Pädagogen liefen Sturm, jeder wollte seinen Senf dazu geben – oder auch Ketschup oder Majonäse, denn auch das durfte man seit der Rechtschreibreform schreiben. Kam aber nicht so gut an, deswegen wurden diese Schreibweisen 2016 wieder aus dem Wörterverzeichnis des Rats für deutsche Rechtschreibung gestrichen. So einfach ist das.

Die Rechtschreibreform ist nicht schuld

Zu wenig Lehrer, zu große Klassen, Corona, die sozialen Medien - es gibt viele Gründe, warum viele Schüler und Schülerinnen heute nicht mehr richtig schreiben können. Die Rechtschreibreform gehört nicht dazu.

Die deutsche Sprache ist zum Glück flexibel und lässt sich nicht so leicht verhunzen, wie viele denken. Hier kommt also die gute Nachricht nach 25 Jahren Rechtschreibreform: Ihr könnt euch entspannen, liebe Gendersternchen-Hasser (die Hasserinnen sind natürlich mit gemeint. Oder mitgemeint?!). Und ihr auch, liebe Anglizismen-Hasser und Hasserinnen. Das Learning ist: Wir haben Wichtigeres zu tun. Auch wenn es manchmal weh tut. 

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