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Acht Brücken FestivalDas hat es mit dem diesjährigen Motto auf sich

Lesezeit 3 Minuten
Zu sehen ist ein altes Notenheft mit handschriftlichen Noten.

Ein altes Notenheft.

Das diesjährige Motto des Kölner Acht Brücken Festivals lautet: „Musik oder Nichts“. Es denkt die Stille in der Musik mit.

„Stille kann etwas sehr Gesättigtes haben. Die Abwesenheit von Klang ist überwältigend, sie ist voll mit Potenzial.“ Diese Antwort gibt Rebecca Saunders, die Porträtkünstlerin der diesjährigen Acht Brücken, auf die Frage nach der „Philosophie“ des aktuellen Festival-Mottos „Musik oder Nichts“. Das Statement begibt sich in eine vertrackte Dialektik: Die Abwesenheit von Musik, die Stille, das musikalische Nichts, verweist auf ihr Gegenteil, das sie als Potenzial in sich birgt: Fülle, Klang, Existenz.

Tatsächlich hat es besagtes Motto „in sich“, denn es ist ja so eine Sache mit dem Nichts. Das Nichts meint Nicht-Existenz, die Abwesenheit von Irgendetwas, dessen Verneinung. Aber als Inbegriff aller Nicht-Existenz existiert es doch offensichtlich. Zumindest existiert es als gedankliche Figur – warum sollte die Sprache einen Begriff für etwas bereitstellen, das es nicht gibt?

So erklärt sich das Motto des Kölner Acht Brücken Festivals

Das musikalische Äquivalent des Nichts im Binnenraum der Musik – also nicht vor und nach ihrem generellen Erklingen – ist die Pause, der ja ebenfalls ein Paradox innewohnt: Pause meint Stille, Schweigen, Verstummtsein. Indes ist sie ein essenzielles Strukturmoment der Musik: Es gibt keine Musik ohne Pausen – die allein dadurch erzwungen werden, dass Sänger und Bläser Atem holen müssen. Der Musiker hält in einer Weise inne, wie der Redner es tun muss, der eben eine Atempause einlegt.

Andersherum definiert sich die Pause als solche ausschließlich durch die vorangehende und die folgende Musik – ohne sie wäre sie keine Pause. Für eine gelungene Pausendramaturgie dieses Sinnes hält die Musikgeschichte zahlreiche glanzvolle Beispiele bereit, von Bach bis zur zweiten Wiener Schule und darüber hinaus. Oftmals wird große Musik groß durch die Pausen, die der Komponist an Schlüsselstellen des Verlaufs platziert. Ein Exempel dafür ist die „Freischütz“-Ouvertüre, genauer: die Generalpause vor der triumphalen Coda.

Allerdings gibt es auch Fälle, da sich mittels der Pause ein der Musik selbst letztlich feindliches Prinzip etabliert. Die Pause wird dann, hegelianisch gesprochen, zum Anderen der Musik. Es kennzeichnet den Rang der abendländischen Tonkunst, dass sie dem verschärften Pausenproblem nicht ausgewichen ist, sondern es in permanenter Selbstreflexion bearbeitet, sich anverwandelt hat.

Beethoven setzte das „Nichts“ in der Musik effektiv ein

Einer der ersten, die die Bedrohung der Musik durch das Nichts explizit zum Gegenstand ihrer Musik machten, ist Beethoven. Die Rede ist vom Schluss des zweiten Satzes der Eroica, des berühmten Trauermarsches. Dort führt die Musik ihren eigenen Zerfall vor: Das Trauermarsch-Thema erklingt beim letzten Mal nicht mehr vollständig, es stockt, wird von Pausen zerfressen, fragmentiert sich in einzelne stammelnde Fragmente. Und davon erholt es sich auch nicht mehr.

Dabei wird in der Marcia funebre der Eroica kein Nichts dargestellt, das ein Exterritoriales wäre – vielmehr befindet der Feind sich gleichsam im eigenen Haus, ist da in Gestalt der Pausen, die das Klangkontinuum zersetzen. Ohne welche die Musik nicht auskommen kann – die Pause –, sie wird hier zum Ferment ihrer Zerstörung.

Solche Überlegungen lassen das diesjährige Acht-Brücken-Motto am Ende einigermaßen unterkomplex erscheinen. Die „Musik“ und das „Nichts“ unterhalten eine Beziehung, die sich nicht auf die Flasche einer simplen Alternative ziehen lässt. Als Provokation, die das Denken in Gang setzt, taugt es indes allemal.