Anna Maria Mühe als Beate ZschäpeARD zeigt NSU-Morde in drei Filmen

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Szene aus dem vom SWR verantworteten Film „Die Täter · Heute ist nicht alle Tage“: Uwe Mundlos (Albrecht Schuch, l-r), Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe) und Uwe Böhnhardt (Sebastian Urzendowsky).

  • In drei Spielfilmen beleuchten die ARD die Taten der rechtsextremen Terrorzelle NSU.
  • Täter, Opfer, Ermittler: Die Regisseure Züli Aladag, Christian Schwochow und Florian Cossen zeigen jeweils eine andere Perspektive.
  • Weil der NSU-Prozess noch andauert, wurden zwei der drei Filme aus Angst vor juristischen Schritten weitgehend unter Verschluss gehalten.

Köln – Ein paar Jugendliche machen gut gelaunt einen Ausflug. Sie haben sich verkleidet, albern herum, schießen Erinnerungsfotos. Klingt eigentlich ganz harmlos. Ist es aber nicht. Denn diese Jugendlichen tragen Bomberjacken und Springer-Stiefel oder SA-ähnliche, braune Uniformen. Sie sind in die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald gefahren, um die Opfer des NS-Regimes zu verhöhnen. Sie spielen Hinrichtungen nach, erheben den Arm zum Hitlergruß, im Hintergrund ist „Jedem das Seine“ auf dem Eingangstor zu lesen.

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Szene aus dem vom SWR verantworteten Film „Die Täter · Heute ist nicht alle Tage“: Uwe Mundlos (Albrecht Schuch, l-r), Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe) und Uwe Böhnhardt (Sebastian Urzendowsky).

Es sind schwer zu ertragende Bilder, die Regisseur Christian Schwochow den Zuschauern im ersten Teil der Trilogie „NSU – Mitten in Deutschland“ zumutet. Eine Woche lang beschäftigt sich die ARD in drei Filmen und einer Doku mit dem „Nationalsozialisten Untergrund“ (NSU). Die Fernsehfilme nähern sich dem Thema aus drei Perspektiven – den Auftakt machen die Täter, dann folgen die Opfer, zum Abschluss die Ermittler. Und über allem schwebt die Frage: Wie konnte es geschehen, dass mitten in Deutschland Rechtsextreme ein Jahrzehnt lang ungesühnt rauben und morden konnten? Es war diese Frage, die die Produzentin Gabriela Sperl antrieb, dieses gewaltige Projekt zu initiieren – laut ARD-Fernsehfilmkoordinator Jörg Schönenborn eines der aufwendigsten und schwierigsten der vergangenen Jahre.

Profiler sprach schon früh von zwei Männern aus der rechten Szene

Schon bevor im November 2011 zwei tote Bankräuber in einem brennenden Wohnmobil gefunden wurden und die deutsche Öffentlichkeit erstmals die Namen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hörte, hatte Sperl sich mit Stefan Aust über die sogenannten „Dönermorde“ unterhalten, erzählte Sperl vor kurzem bei der Präsentation des zweiten Films im Depot 1 des Schauspiels in Köln-Mülheim – und damit in unmittelbarer Nähe der durch den Nagelbombenanschlag ebenfalls betroffenen Keupstraße. Aust hatte sich damals mit einem Profiler unterhalten, der sagte, die Taten deuteten auf zwei Männer aus der rechten Szene hin, miteinander verbunden wie Brüder. Er sollte recht behalten. Sperl wollte ergründen, wie es sein kann, dass in einem Land, das „so fabelhaft durchstrukturiert ist und in dem die Aufklärungsrate bei Kapitalverbrechen 95 Prozent beträgt“, so viele Menschen mit Migrationshintergrund sterben mussten, ohne dass die Ermittler einen Zusammenhang herstellten.

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Die drei Regisseure der ARD-Spielfilmtrilogie zu den NSU-Morden: Züli Aladag (l.), Christian Schwochow (m.) und Florian Cossen (r.).

Dieses Projekt ist heikel, denn die Taten des NSU sind noch immer nicht endgültig aufgearbeitet, der Prozess gegen Beate Zschäpe läuft noch. So wurden der erste und der dritte Teil aus Angst vor juristischen Schritten nur bei einigen wenigen Terminen Journalisten gezeigt. Deshalb betonten alle Beteiligten immer wieder – und steht es auch in Vor- und Abspann der Filme –, dass der Inhalt auch auf Fiktionalisierungen beruht. Und die Dreharbeiten in Jena fanden offiziell für einen „Tatort“ statt. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es wichtig und richtig, jetzt – und nicht erst nach Ende des Prozesses – diesen Dreiteiler zu zeigen.

Christian Schwochow zwingt zur Auseinandersetzung mit den Tätern

Entstanden sind drei eigenständige Filme, die sich in ihrer Handschrift sehr unterscheiden. Den ersten Teil hat Christian Schwochow inszeniert. Der Regisseur (Jahrgang 1978) stammt aus Ost-Berlin, wuchs nach der Wende in Hannover auf. Schwochow sagt, durch die ähnliche Kindheit seien die drei ihm auf unheimliche Art und Weise vertraut gewesen. „Ich wollte mich ihnen mit diesem Film wie Klassenkameraden nähern, mit denen man jahrelang gespielt, gefeiert, gelebt hat – und das ganz unideologisch. Ich wollte ihr Handeln verstehen.“

Manche werden seinem Film diese Emotionalisierung vorwerfen, doch der Regisseur zwingt die Zuschauer auf diese Weise zur Auseinandersetzungen mit den Biografien der Täter. „Wir wollen natürlich auch provozieren. Wir wollen zeigen: Menschen werden nicht böse geboren“, sagt Anna Maria Mühe, die Beate Zschäpe spielt.

Züli Aladag zeigt Geschichte von Semiya Simsek

Der erste Teil endet mit dem Abtauchen der drei mutmaßlichen Haupttäter in den Untergrund und dem Mord an Enver Simsek. Genau dort setzt der vom WDR verantwortete zweite Teil an. Regisseur war Züli Aladag, der den eigenen Migrationshintergrund für eine einfühlsame Annäherung an die Geschichte der Opfer nutzte. „Vergesst mich nicht“ begleitet Semiya Simsek und ihre Familie. Ihr Vater, der Blumenhändler Enver Simsek wurde 2000 in Nürnberg ermordet. Fast zehn Jahre lang musste die Familie ertragen, von Opfern zu Tätern gemacht zu werden.

Simsek + Schauspielerin Almila Bagriacik in Berlin

Semiya Simsek (l) und die Schauspielerin Almila Bagriacik bei der Premiere der Filmtrilogie in Berlin.

Es macht wütend zu sehen, wie die Familie von den Ermittlern mit immer neuen absurden Vorwürfen an die Verstorbenen – Drogenhandel, Affären – konfrontiert wurde. Den Opfern eine Stimme zu geben, war daher auch das Ziel von Drehbuchautorin Laila Stieler, die sich auf Simseks Buch „Schmerzliche Heimat: Deutschland und der Mord an meinem Vater“ stützte. Der dritte Teil „Nur für den Dienstgebrauch“ (Regie: Florian Cossen) arbeitet die zum Teil unglaublichen Ermittlungsdefizite rund um die Taten auf.

„Ich glaube an den Rechtsstaat in Deutschland und an die Demokratie, deshalb ist es wichtig, solche Filme zu drehen, um Menschen, die in den Institutionen etwas ändern wollen, Mut zu geben“, sagt Produzentin Sperl. „Bis heute sind die Verbrechen nicht aufgeklärt. Wir wissen, dass es nicht diese drei allein gewesen sein können. Ich wünsche mir, dass die Dinge nun wirklich alle auf den Tisch kommen.“

Der erste Teil der Trilogie „Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“ zeigt das Erste am Mittwoch um 20.15 Uhr. „Die Opfer – Vergesst mich nicht“ (4. April, 20.15 Uhr) basiert auf dem Buch von Semiya Simsek. Der dritte Spielfilm „Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“ läuft am 6. April um 20.15 Uhr. „Im Anschluss daran (21.45 Uhr) zeigt das Erste die Doku „Der NSU-Komplex – Die Rekonstruktion einer beispiellosen Jagd“ von Stefan Aust und Dirk Laabs.

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