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Anna Ternheim im Stadtgarten90 Minuten Auszeit vom täglichen Taumel

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Köln – Ach, seufzt Anna Ternheim, das Leben als tourende Musikerin ist der Liebe nicht besonders zuträglich. Dann singt sie ein Seemannslied, denn dem Matrosen geht es ja genauso. Auch er kann sich nie sicher sein, wie lange der Andere zu Hause auf ihn warten wird.

Über ihre verflossenen Lieben schreibt die Schwedin dann waidwunde Lieder. Am glücklichsten sei sie, verrät sie ihrem Publikum im ausverkauften Stadtgarten, wenn sie dann mit diesen Liedern auf Tour gehen könnte. Die paradoxe Kurzversion:  Was Ternheim unglücklich macht, macht sie glücklich. Ein Teufelskreis, um dessen Achse sich letztlich  fast jeder dreht. 

Anterthalbstündige Auszeit

Ein Anna-Ternheim-Konzert gewährt immerhin anderthalb Stunden Auszeit vom täglichen Taumel. Nicht im Sinne eines entspannenden Schaumbades. Man dreht sich weiterhin im Ego-Karussell, aber jetzt lauscht man den mit klarer, warmer Stimme vorgetragenen Geschichten der Mitreisenden mit dem ausrasierten Blondschopf.

Die beginnt recht mainstreamig mit elegischen Gitarrenrock vom aktuellen Album „For the Young“. Der klingt, ehrlich  gesagt, eher gut abgehangen, denn jung und frisch. Selbst wenn Ternheim dieses herrliche Gefühl beschreibt, mit 14 Jahren sorgenfrei auf dem Fahrrad die Landstraße runter zu sausen, die Haare vom Wind zerzaust, sie tut es aus der Rückschau der 37-jährigen Romantikerin, mit einem gehörigen Schuss Melancholie und  – manchmal allzu – geschmackvoller Band-Begleitung.

Und dann folgen doch noch einige Momente, die einen wieder auf den Fahrradsitz heben: In „A French Love“ spielt Ternheim  äußerst charmant mit Franko-Pop-Klischees à la Mylène Farmer. Gleich darauf versammelt sich die vierköpfige Band um ihre Frontfrau, um im wunderschönen Satzgesang an den „Summer Rain“ zu erinnern, und an  den Liebhaber, der sie als ein  „Loch aus extremen Bedürfnissen“ beschimpft hat. Das ist nun wirklich nicht nett. Aber wahrscheinlich war. Welches Verlangen ist denn nicht bodenlos?

„Zeig mir, was es heißt, einsam zu sein“, fordert Anna Ternheim nach enthusiastischen Zugabenapplaus. Das Lied stammt von den Backstreet Boys. Erstaunlich, wie viel Wehmut sie in so einem alten Boyband-Schlager findet. Ach, die Backstreet Boys! Da waren wir alle noch jung und frisch.