Annette Frier über die Dreharbeiten zu ihrer neuen Serie „Frier und Fünfzig“, die Wechseljahre, unerfüllbare Schönheitsideale und schwindende Rollenangebote für Frauen ab 40
Annette Frier über das Altern„Ich kann nicht mit Nervengift mein Gesicht betäuben“

Annette Frier in „Frier & 50 – Am Ende meiner Tage“
Copyright: Joyn/Willi Weber
Frau Frier, Sie haben mit „Frier und 50“ eine Serie über die Wechseljahre gemacht. Wann haben Sie gemerkt, da verändert sich etwas bei mir?
Es verändert sich ja permanent irgendwas im Leben, insofern sind wir ja konstant in einem Prozess. Deswegen hatte ich das Thema ein bisschen unterschätzt. Ich habe das nicht kommen sehen und gar nicht gemerkt, dass ich schon mittendrin bin. Bei einer Leseprobe zum vorletzten „Merz gegen Merz“-Film hatte ich unseren Produzenten und Chefautor Ralf Husmann richtig schön beschimpft: Was schreibst du mir denn Wechseljahre da rein? Hast du sie noch alle? Und am Tag nach diesen Dreharbeiten bekam ich diese berühmt-berüchtigte allererste Hitzewallung.
Selbst in dieser Lebensphase zu sein, ist das eine. Eine Serie darüber zu machen, geht aber noch einen Schritt weiter. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Es gibt eine israelische Serie, die „Fifty“ heißt. Vor einigen Jahren habe ich die gefeiert. Das ist aber etwas ganz anderes, als das, was wir machen. Ganz andere Konstellationen. Aber eines ist gleich: Das Spannungsfeld zwischen sehr dramatisch und sehr lustig. Zuallererst macht man sich am besten über sich selbst lustig. Je höher die Hürden, die es zu nehmen gilt, desto wichtiger ist der Humor.
Wie habt Sie den Ton gefunden, diese Geschichte zu erzählen?
Wir haben entschieden, aus dem Leben einer Schauspielerin zu erzählen, denn die Branche ist ja nun mal eine herrliche Zumutung, ein Basar der Eitelkeiten. Vor allem wissen wir, wovon wir sprechen. Dann wollten wir unbedingt eine Familiengeschichte erzählen. Für mich war klar, Caro ist meine Schwester, wie im echten Leben. Sie ist eine tolle Komödiantin. Aber wie sollten wir heißen? Verena und Tanja? Wir haben dann entschieden, uns die Umwege zu sparen. Wir sind Annette und Caro, haben ein fiktionales Ich drübergestreut und möglichst viel echtes Leben reingeholt. Um dann wieder hart zu übertreiben.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden sich sicher fragen, wie viel von der echten Annette Frier in der fiktionalen Annette steckt?
Ja, ist doch super. Das macht mir gar nichts. Im Gegenteil. Die Leute dürfen sich die Frage gerne stellen. Ich stelle sie mir ja auch. Natürlich gehen wir hier all in. Da kann ich nicht sagen, das ist mir zu heikel. Aber wenn du dann wirklich in einem Fake-Wohnzimmer stehst, das ein bisschen so aussieht wie bei uns, und da steht die echte Caro und wir verhandeln etwas „Echtes“, fühlt sich das schon sehr besonders an.
Familie ist ein großes Thema in der Serie. Sie sind ja sowohl privat als auch beruflich ganz eng mit Ihrer verbandelt, besonders mit Ihren Schwestern. Ist das eher leichter, weil man sich gut kennt, oder eher schwerer, weil man eben so eng verbunden ist?
Sowohl als auch – und zwar immer abwechselnd. Es ist auf jeden Fall lustiger, weil wir uns ja im echten Leben gut verstehen und gerne Zeit miteinander verbringen. Bei uns ist es nun mal so, dass unsere Lebensaufgabe als Familie ist, uns zu entheddern. Wir müssen lernen, Abstand zu halten. Das wurde uns auch aus Fachkreisen bestätigt. Spoileralarm: Wir sind noch nicht ganz entknotet, arbeiten aber dran.
Wir haben entschieden, aus dem Leben einer Schauspielerin zu erzählen, denn die Branche ist ja nun mal eine herrliche Zumutung, ein Basar der Eitelkeiten
Hatten Sie Sorge, zu viel von sich preiszugeben?
Die Premiere in Köln war ein Riesengeschenk. Die ersten Reaktionen waren traumhaft. Aber natürlich habe ich anderthalb Jahre davor gar nicht gewusst, ob ich richtig auf die Mütze kriege und mit der nicht ganz unberechtigten Frage konfrontiert werde, wie selbstreferenziell es denn jetzt noch werden soll. Das habe ich mich selbst in schlaflosen Nächten gefragt. Ich bin aber zu einer Antwort gekommen.
Und wie lautet die?
Ich erzähle eine besondere Geschichte, in der ich mich gerade gut auskenne. Das ist meine Einladung an die Zuschauer. Die kann man annehmen oder nicht. Letztlich ist es unsere Aufgabe als Künstlerinnen, solche Angebote zu machen. Bis das Essen dann heiß auf dem Tisch steht, ist es oft ein steiniger Weg. Aber heute denke ich: Gott sei Dank haben wir uns getraut.
In der Serie will Annette eine Serie über die Wechseljahre machen. Ihre Agentin und Sendervertreterinnen sind mäßig begeistert. Wie war das in der Realität? Haben die Sender die Türen weit aufgemacht, als Sie mit der Idee für „Frier und 50“ kamen?
Sowohl das ZDF als auch die ARD hatten diesen Stoff auf dem Tisch. Ich glaube, beide Sender waren auch sehr interessiert. Aber es hätte extrem lang gedauert. Ich wäre bald zu alt gewesen für die Serie, bis wir es hätten verwirklichen können. Öffentlich-Rechtlich war in dieser Sache weniger hungrig als Joyn.
Wie ist es da gelaufen?
Das ist meine erste Zusammenarbeit mit Sat.1 seit „Danni Lowinski“. Es sollte wohl so sein. Die haben die Arme geöffnet und gesagt: „Wir haben Bock, legt los“. Das Vertrauen war notwendig, damit wir das innerhalb von einem Jahr auf die Beine stellen konnten.
In der ersten Szene liegen Sie in der Mitte des Rheinenergie-Stadions. Und Sie sehen ziemlich zerstört aus, weil die Nacht lang war. Man sieht Ihr Gesicht in Nahaufnahme mit jedem einzelnen Fältchen. Ist Ihnen das schwergefallen?
Es saß nichts am Ort, wo es sitzen soll. Das war eine sehr ehrliche, sehr verkaterte, sehr verknitterte erste Einstellung. Ich muss sagen, im Kino fand ich diesen Moment so semi, vermutlich, weil es mein eigenes Gesicht ist. Aber es ist leider sehr lustig und deshalb nicht so schlimm.
Kostete Sie das Überwindung?
Ja, wie gesagt, das war nichts für Feiglinge. Nicht gerade vorteilhaft. Aber das soll auch so sein. Die gute Nachricht ist, fünf Minuten später gehe ich aus dem Haus und denke, guck, geht doch wieder. Es ist alles in Ordnung. So ist es mit Menschen. Das Leben geht weiter. Es gibt Schlimmeres. Als Schauspielerin ist es meine Aufgabe, das zu zeigen. Diese Szene war nun mal kein Beauty-Shot. Das wäre völlig absurd gewesen.
Ich weiß von vielen Kolleginnen in meinem Alter, dass deren Beschäftigungslage ab 40 dramatisch abgenommen hat
Die Serien-Annette bekommt mit einem Rollenangebot einen Blumenstrauß und Botox-Gutscheine. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht?
Jede macht, was sie will. Es ist überhaupt nicht an mir, andere Leute zu beurteilen. Wir werden alle zugemüllt mit Werbung dafür, wie wir schöner sein könnten und was wir alles machen könnten. Und viele Menschen nehmen dieses Angebot auch wahr. Meine Nägel sind auch lackiert, ich habe meine Haare frisch gefärbt. Im Falle Botox habe ich mich immer dagegen entschieden, auch aus beruflichen Gründen. Bei mir muss sich alles bewegen dürfen im Gesicht. Ich kann nicht mit Nervengift mein Gesicht betäuben. Ob ich trotzdem irgendwann darauf mal Bock habe oder nicht, ist übrigens völlig irrelevant.
Aber für die Serie war es besser so?
Ich kann nur sagen, für unsere Geschichte bin ich heilfroh, dass ich nicht durchoperiert bin. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass eine gebotoxte Kollegin nicht auch eine tolle Serie machen kann. Die Qualität zeigt sich doch nicht an solchen äußeren Betrachtungen, sondern in der Wahrheit der Figuren, die uns berühren.
Sie haben gesagt, es gebe weniger Rollen für Frauen ab 40. Haben Sie die Erfahrung auch selbst gemacht?
Ich hatte viel Zeit, diese Serie vorzubereiten. Das spricht ja für sich. Aber natürlich rede ich aus einer sehr privilegierten Situation, weil ich sehr regelmäßig arbeiten darf. Gleichzeitig ist es nicht so, dass ich irgendwas absagen musste, was ich gerne gemacht hätte. Ich weiß von vielen Kolleginnen in meinem Alter, dass deren Beschäftigungslage ab 40 dramatisch abgenommen hat. Sie sind einfach von der Bildfläche verschwunden. Das wird dann rasch existenziell.
Haben Sie das Gefühl, es verändert sich etwas?
In den letzten 20 Jahren hat sich was getan. Es ist einiges in Bewegung, und viele Dinge sind besser. Gleichzeitig werden Uhren zurückgedreht weltweit, und zwar bei sämtlichen Themen, bei denen es um Diversität und Sichtbarkeit geht. Deswegen bin ich auch so froh, dass wir die Serie gerade jetzt machen können. Wir müssen irre wachsam sein. Das Gespräch, das wir zum Thema Demokratie und Zivilgesellschaft führen, spiegelt sich im Thema Frauen und Gleichberechtigung. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Jetzt heißt es warm anziehen und laut sein.
Dieser Backlash beunruhigt Sie?
Offensichtlich gibt es eine Sehnsucht danach, dass alles wieder sehr konservativ wird oder dass wir irgendwas erhalten, was nie so schön war, wie die Leute behaupten. Das ist eine regelrechte Illusion. Es war mitnichten alles gut. Wir können doch nur nach vorne gehen.
Sehen Sie eine größere Notwendigkeit als früher, sich in der Öffentlichkeit zu positionieren?
Ich möchte niemandem sagen, was er wählen soll. Nichtsdestotrotz kann ich nicht permanent Augen, die Ohren, die Nase und Mund zu halten und so tun, als ob ich das nicht wahrnehme. Und wenn es einen Rechtsruck gibt, der auch noch als Linksruck kommuniziert wird, bin ich sprachlos. Das ist meine Haltung. Und die äußere ich an gewissen Stellen. Damit ist meine Wahrheit auf dem Tisch. Jeder kann eine andere haben. Aber meine möchte ich auch äußern. So einfach ist das.
Annette Frier (51) wuchs in Köln auf und studierte an der Schauspielschule der Keller. Sie arbeitet erfolgreich als Schauspielerin, Komikerin, Moderatorin und Sprecherin von Hörspielen und Hörbüchern. Bekannt wurde sie durch die Sat.1-„Wochenshow“ und die Titelrolle in der Sat.1-Comedy-Serie „Danni Lowinski“, die sie von 2010 bis 2014 spielte. Sie lebt mit ihrer Familie in Köln.
Die ersten beiden Folgen ihrer neuen Serie „Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage“ strahlt Sat.1 am 24.11. um 22.15 Uhr aus, zudem ist die Serie kostenlos auf Joyn zu sehen. (amb)

