Die Kritik an RJM-Direktorin Nanette Snoep reißt nicht ab. Über ein Kölner Museum, das in internen Kämpfen gefesselt scheint.
Anti-KolonialismusWarum das Rautenstrauch-Joest-Museum nicht zur Ruhe kommt

Nanette Snoep, seit 2019 Direktorin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums
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Als Nanette Snoep am 1. Januar 2019 die Leitung des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums übernahm, schien es zwischen ihr und dem Haus zu passen – jedenfalls aus Sicht der Stadt und der neuen Direktorin. Die damalige Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach zeigte sich „superglücklich“ über die Personalie und Snoep, die von den Sächsischen Ethnographischen Sammlungen nach Köln kam, sagte dieser Zeitung, sie fühle sich mit ihrem Ansatz, den Kolonialismus kritisch aufzuarbeiten, am RJM gut aufgehoben. „Allein das Gebäude ist großartig“, so Snoep über das Museum, „aber auch die Art der Auseinandersetzung mit der Sammlungsgeschichte, der Kolonialgeschichte, sichert ihm eine Spitzenstellung, ebenso wie die Vermittlung von Themen wie Rassismus, Identität oder Migration und Globalisierung.“ All dies seien Themen, „die komischerweise in vielen anderen ethnologischen Museen noch sehr häufig keine Rolle“ spielten.
Snoep hatte allen Grund für ihren Optimismus. Bereits unter ihren Vorgängern beschränkte sich das RJM nicht darauf, die Sehnsucht nach dem Fremden mit Ausstellungen wie „Faszination Orient“ zu bedienen, sondern thematisierte die lange verschwiegenen oder verharmlosten Verbrechen des europäischen Kolonialismus – am deutlichsten in der bahnbrechenden Themenschau „Namibia – Deutschland: Eine geteilte Geschichte“ über den Völkermord an den Herero und Nama. Aber Snoep treibt die überfällige Selbstkritik der europäischen Ethnologie deutlich weiter – so weit, dass ihr auch im eigenen Haus offenbar nicht alle Mitarbeiter folgen wollen.
In der Restitutionsfrage hatte Nanette Snoep die Mehrheit der Stadtgesellschaft hinter sich
Am deutlichsten formulierte Klaus Schneider, bis Ende 2018 Direktor des RJM, die Kritik an seiner Nachfolgerin. Er warf Snoep im August 2022 vor, die Debatte um koloniale Verbrechen und die Rückgabe geraubter Kulturgüter zu „ideologisieren“ und die wissenschaftliche Arbeit am Museum „auszubremsen“. So ähnlich äußerte sich der Kölner Unternehmer und Sammler Karl-Ludwig Kley in der gestrigen Ausgabe dieser Zeitung: Snoeps „einseitige Fokussierung auf Anti-Kolonialismus, Anti-Rassismus, Anti-Irgendwas“ sei ideologisch, so Kley, er würde ihr niemals auch nur ein einziges Kunstwerk anvertrauen.
Allerdings muss man dazu sagen, dass diese angebliche Ideologisierung der Museumsarbeit zu zwei international beachteten und überwiegend positiv besprochenen Ausstellungen führte: „Resist – Die Kunst des Widerstands“ im Jahr 2021 und „I Miss You“ im folgenden Jahr.
Für „I Miss You“ ließ Snoep eine Gastkuratorin die Benin-Bronzen aus der RJM-Sammlung aus dem Depot holen und als Kostbarkeiten inszenieren, um den Verlust, den ihr Raub für die Ursprungsländer bedeutete, erlebbar zu machen. Die Ausstellung ging der Rückgabe der Bestände an Nigeria voraus (im Rahmen einer gesamtdeutschen Restitution), die vom Kölner Stadtrat mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. In dieser Frage hatte Snoep offenbar die Mehrheit der Stadtgesellschaft hinter sich. Für die „Resist“-Ausstellung erhielt sie 2022 den renommierten „Kenneth-Hudson-Award für institutionelle Courage und berufliche Integrität“.
Diese Erfolge haben Snoeps Stand im eigenen Haus allerdings nicht gestärkt. Gleich zweimal beklagte sich die Mehrzahl der RJM-Mitarbeiter schriftlich bei der Stadtspitze über Snoeps Führungsstil; eine Minderheit der Belegschaft nahm sie gegen die darin geäußerte Kritik in Schutz. Als Reaktion darauf wurde Snoep von Kulturdezernent Stefan Charles eine Co-Direktorin zur Seite gestellt, um sie von administrativen Aufgaben zu entlasten und das Verhältnis zwischen Direktion und Mitarbeitern zu befrieden. Mittlerweile sollen die Fronten zwischen Snoep und den Mitarbeitern (aber auch innerhalb der Belegschaft) etwas weniger verhärtet sein. Ob die Stadt Snoeps im Jahr 2026 auslaufenden Vertrag unter diesen Umständen verlängert, ist dennoch ungewiss. Stefan Charles wollte sich am Mittwoch auf Anfrage dieser Zeitung weder zur Vertragsverlängerung noch zur Kritik an der Direktorin äußern.
Spricht man Beteiligte auf die Lage im Museum an, hört man vieles, aber niemand möchte sich zitieren lassen
Spricht man Beteiligte auf die Lage im Museum an, hört man vieles, aber niemand möchte sich zitieren lassen. Bekannt ist, dass es einen hohen Krankenstand gab, zudem sollen einige unzufriedene Mitarbeiter gekündigt haben. Auf die Kritik ihres Amtsvorgängers hatte Snoep noch reagiert; die Vorhaltungen Karl-Ludwig Kleys wollte sie auf Anfrage dieser Zeitung nicht kommentieren. Aber sie bedauere, so Snoep, dass die Arbeit des RJM in Köln nicht ausreichend gewürdigt werde. „Ich bin sehr stolz darauf, wie wir das Haus für neue Besucher, Kinder, die freie Szene und die migrantischen Communitys geöffnet haben.“
Die Stadt hat auf die Vorgänge in ihrem Museum zwar reagiert, scheint aber nicht in der Lage zu sein, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Dabei macht sich der Streit auch bei den Besucherzahlen bemerkbar. Seit 2020 zeigte das RJM zwar viele kleine Themenschauen und „Eingriffe“ in die Sammlung, aber mit „Resist“ lediglich eine große Sonderausstellung.
Vor allem mit diesen lockt man aber ein größeres Publikum ins Haus. Im Jahr 2023 kamen nach offizieller Statistik 63.921 Besucher ins RJM, knapp die Hälfte davon waren Schüler und andere nicht-zahlende Gäste (für 2024 konnte die Stadt keine Zahlen nennen). Im letzten Jahr vor Corona, 2019, lagen die Eintritte mit 85.486 noch deutlich höher. 2012, nach der Wiedereröffnung des Museums am Neumarkt, wollten sogar 250.000 Besucher die ethnologischen Schätze des mit dem Museumspreis des Europarats geehrten RJM sehen.
Von einem Haus wie dem RJM sollte man mindestens alle zwei Jahre eine große Sonderausstellung erwarten dürfen. Wie zu hören ist, gab es auch einige Ausstellungspläne, die sich aber allesamt zerschlugen; möglicherweise auch, weil der öffentliche Streit um Snoeps Arbeit die Akquirierung von Drittmitteln nicht gerade erleichtert hat. Zudem legt Snoep großen Wert darauf, ein neues Publikum zu gewinnen, etwa die verschiedenen afrikanischen Gemeinschaften in Köln oder junge Menschen wie im „Space4Kids“-Projekt. Mitglieder des alten Publikums fühlen sich davon naturgemäß weniger angesprochen.
Ändern könnte sich dies mit der für diesen Herbst angekündigten Sebastião-Salgado-Schau, die allerdings das Gastspiel einer internationalen Ausstellungstournee ist. So bleibt der Eindruck eines Museums, das sein großes Potenzial nicht ausschöpft.