Ausstellung im Kunstmuseum BonnEinmal durch die rheinische Kunstwelt und zurück

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Andreas Gursky, Chicago Board of Trade II, 1999

Bonn – „Deutscher Kaviar“, das klingt nicht gerade nach dem einzig Wahren, sondern eher nach billigem Imitat. Und genau so haben Astrid Klein und Rudolf Bonvie die schwarze Pampe auch in einer Küchenzeile drapiert: die Dose gestürzt, als ginge es um Katzenfutter, dann mit der Kamera drauf- und das Ganze in Schwarz-Weiß festgehalten. Edel wirkt hier allenfalls die Piet-Mondrian-Anmutung des geometrischen Bildaufbaus.

„Deutscher Kaviar“ heißt auch die Ausstellung, in der das Kunstmuseum Bonn jetzt die Perlen seiner fotografischen Sammlung präsentiert. Den Titel kann man eigentlich nur ironisch lesen, aber vielleicht wollen die Kuratoren auch dem Spott der Kollegen die Spitze nehmen. So richtig berühmt ist das Haus nämlich nicht für seine rund 4000 Abzüge umfassende Fotografie-Abteilung. Zum Vergleich: Im Kölner Museum Ludwig lagern über 70.000 Aufnahmen.

Das Kunstmuseum Bonn hat seine fotografische Sammlung erstmals umfassend erforscht

Keine Masse, aber wenigstens ordentlich Klasse? Im Kunstmuseum Bonn wollten sie es genau wissen und eisten beim Land NRW die Mittel für ein Forschungsstipendium los. Zwei Jahre lang konnte sich Jan Philipp Nühlen im Rahmen eines Volontariats der fotografischen Sammlung widmen (die in Bonn übrigens als Unterabteilung der Druckgrafik firmiert), den Bestand erstmals zur Gänze sichten und thematische Linien durchs Sammelsurium ziehen. Wie seine Auswahl zeigt, muss sich das Bonner „Malermuseum“ nicht für seinen Beifang schämen.

Im ersten Raum hängt gleich ein riesiges Wimmelbild von Andreas Gursky an der Wand. Es zeigt die Chicagoer Handelsbörse als menschengemachtes Chaos, in dem der Mensch, so Nühlen, im Grunde schon austauschbar geworden ist. Dieselbe Botschaft sendet Timm Rautert gleich gegenüber auf einer Reihe von „Portraits“. Sie zeigen grobkörnige Börsenhändler, die uns bei der Arbeit meist den Rücken zudrehen – Rautert hat sie aus einem Panoramabild vergrößert, ohne ihnen dadurch individuelle Züge zu verleihen. Den Schlusspunkt dieses Exkurses zum Finanz- und Datenkapitalismus setzt das sterile Bild eines menschenleeren Serverraums, das Lewis Baltz bereits im Jahr 1991 aufnahm. Hier hat sich die Technik scheinbar vollends vom menschlichen Handeln gelöst.

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In den Jahren als Hauptstadtmuseum wurde in Bonn vor allem deutsche Fotografie und oft genug vor der eigenen Haustür gesammelt. Insbesondere die rheinische Kunstszene der 1970er Jahre ist dank einiger Schenkungen prominent vertreten, etwa mit Werkgruppe von Ulrike Rosenbach, Katharina Sieverding und Jürgen Klauke. Ihre damaligen Themen Geschlecht und Identität beschäftigen uns heute mehr denn je – in der Identitätssuche sieht Nühlen nicht zuletzt einen Reflex auf die entfremdete Arbeitswelt.

Im nächsten Saal begegnen uns dann Gruppenidentitäten: halbdokumentarische Aufnahmen, in denen die Düsseldorfer Künstlerszene das eigenen Leben als Fotoroman festhält. Die Fortsetzung ins Konzeptuelle gibt es bei Sieverding. Sie reiht Bilder ihrer Freunde so lange aneinander, bis man daran zweifeln muss, dieselben Personen vor sich zu sehen.

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Lewis Baltz, Surveillance Camera, Matra Transport, 1989-1991

Mitunter gerieten die Selbst- und Gruppenbeschwörungen etwas unscharf und krisselig, was vielleicht in der Natur der Sache lag. Penibles Handwerk war hingegen gefragt, um unwiederbringliche Performances oder Versuchsanordnungen zu dokumentieren. Zu den Klassikern dieser künstlerischen Hilfsarbeit gehören die Aufnahmen, die Timm Rautert von Franz Erhard Walthers Werksätzen anfertigte.

Zur Ware wurden diese Form der Dokumentarfotografie bei Christo und Jeanne-Claude, die ihre sündhaft teuren Freiluftaktivitäten teilweise mit Autogrammkarten ihrer Pläne und Projekte finanzierten. Vielleicht hatten es Klein und Bonvie mit ihrem „Deutschen Kaviar“ auf derlei Ausverkauf-Tendenzen abgesehen. Nach dem Motto: Kunst und Kommerz vertragen sich nicht. Was allerdings eher trotzig als überzeugend klingt.

In der näheren Gegenwart dünnt sich das Angebot naturgemäß aus. Aber auch hier finden sich Must-Haves wie eine Bibliothek von Candida Höfer und die scheinbar unberührten Landschaften von Michael Reisch. In Wahrheit hat er sämtliche menschliche Spuren aus den digitalen Aufnahmen entfernt. So schließt sich im Bonner Kunstmuseum der Kreis einer Welt, die auf den Menschen offenbar verzichten kann.

„Deutscher Kaviar“, Kunstmuseum Bonn, Museumsmeile, Di.-So. 11-18 Uhr, Mi. 11-21 Uhr, 21. Juli bis 16. Oktober. Der Bestandkatalog der fotografischen Sammlung erscheint im August.

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