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Ausstellung im MAKKDesigngruppe Pentagon lädt zur Zeitreise ins 80er-Lebensgefühl

Lesezeit 5 Minuten

Die 80er Jahre als Multimedia-Installation

  1. Die Kölner Designgruppe Pentagon erlebte ihre kurze Blütezeit von 1985 bis 1991 und ihre Sternstunde auf der Documenta von 1987.
  2. Pünktlich zur Eröffnung der Möbelmesse lädt das Museum für Angewandte Kunst zur Zeitreise ein.
  3. Mit Titeln alter „Spex“-Hefte, Tagesschau-Bildern von Friedensdemos oder wilden Punkvisagen wollen die Pentagon-Mitglieder verständlich machen, was sie damals umtrieb und warum Scheitern als Konzept durchging.

Köln – Das 80er-Jahre-Revival dauert jetzt auch schon länger als die 80er Jahre selbst, seufzt der Kollege vom Schreibtisch gegenüber. Was ja stimmt, aber eben gute Gründe hat: In den Achtzigern wurden die Kinder der Wohlstandsgesellschaft erwachsen und merkten, dass sie sich über nichts sorgen mussten – außer darüber, dass jeden Moment alles zu Ende gehen kann.

Genau diese Mischung aus Konsumrausch und drohender Apokalypse beherrscht heute wieder die Gedanken, was Grund genug ist, sich für die verblichene Dekade zu interessieren. Außerdem dauert kein Revival so lang, dass es nicht doch noch etwas zu entdecken gäbe.

Pentagon lädt zur Zeitreise ins Herz des 80er-Jahre-Lebensgefühls

Wer erinnert sich beispielsweise noch an die Kölner Designgruppe Pentagon? Sie erlebte ihre kurze Blüte von 1985 bis 1991 und ihre Sternstunde auf der Documenta von 1987, wo sie das offizielle Café Casino der Weltkunstausstellung gestalten und am Ende zerdeppern durfte. In Köln hinterließ das Fünfeck noch unter dem Namen Unikat immerhin die Ladeneinrichtung der legendären Jeanspaläste: eine neue Sorte Klamottenladen mit viel Neon, Stahl, Aluminium und Starschnitten an der Wand.

Die Mitglieder der Gruppe Pentagon heute und im Jahr 1989. Auf dem linken Bild sind zu sehen: Gerd Arens, Wolfgang Laubersheimer, Ralph Sommer, Reinhard Müller und Meyer Voggenreiter (von links).

Fürs erste findet das Pentagon-Revival allerdings nicht in Schaufenstern und Hochglanzmagazinen statt, sondern „nur“ im Kölner Museum für Angewandte Kunst. Pünktlich zur Eröffnung der Möbelmesse lädt das Haus zur Zeitreise ein, nicht unbedingt zurück in die Zukunft, aber dafür mitten ins Herz des 80er-Jahre-Lebensgefühls. Die alten Glücksversprechen der Moderne hatten damals gründlich an Reiz verloren, sei es, weil sie sich im Konsum erfüllt hatten, sei es, dass man nicht mehr von einer anderen Welt träumte, sondern von einer Welt, die davon absieht, sich im atomaren Holocaust selbst auszulöschen.

Vorbilder aus Italien

In Architektur, Kunst und Design nannte man das Postmoderne – auch bei den Pentagon-Mitgliedern Gerd Arens, Wolfgang Laubersheimer, Reinhard Müller, Ralph Sommer und Meyer Voggenreiter hörte niemand mehr auf das moderne Diktat der Guten Form. Sie bauten Regale um ausgediente Holzkisten oder schlappe LKW-Reifenschläuche herum, setzten Miniatureisenbahnen auf felsenartige Schreibtischplatten und versenkten Neonröhren ins Innere von Stehtischen.

Die Mitglieder der Gruppe Pentagon heute und im Jahr 1989. Auf dem linken Bild sind zu sehen: Gerd Arens, Wolfgang Laubersheimer, Ralph Sommer, Reinhard Müller und Meyer Voggenreiter (von links).

Die wichtigsten Vorbilder für dieses Neue Deutsche Pentagondesign kamen aus Italien, allerdings nicht aus der Produktgestaltung, wo das Studio Alchimia alte Bauhaus-Klassiker veräppelte oder Memphis die Zunft mit billig wirkenden Materialien schockierte. „Am prägendsten war die Arte povera für uns“, so Meyer Voggenreiter, jene Kunstform, die Bühnen und Installationen aus alltäglichen Stoffen wie Erde, Holz und Glassplittern baute. Den Pentagon-Streitern kam das wie eine Erlösung von den polierten Oberflächen vor. „Sie müssen sich vorstellen“, so Voggenreiter, „dass es vor allem weißen Schleiflack gab.“ Noch heute schaudert es ihn sichtlich bei dem Gedanken.

Scheitern ging bei Pentagon als Konzept durch

Als Zeitreise in die Gegenwelt zu weißem Schleiflack ist nun auch die Kölner Pentagon-Ausstellung inszeniert. Im Erdgeschoss erwartet den Besucher eine Multimedia-Installation, in der Impressionen aus den 80er Jahren im Breitwandformat über ein Bühnenbild aus Pentagon-Möbeln laufen. Mit Titeln alter „Spex“-Hefte, Tagesschau-Bildern von Friedensdemos oder wilden Punkvisagen wollen die Pentagon-Mitglieder verständlich machen, was sie damals umtrieb und warum Scheitern als Konzept durchging. Bei Pentagon wurde viel experimentiert. Vieles, sagen sie, ging dabei kaputt, aber einiges war auch gelungen. Was man halt so macht, wenn für einen Künstler gehalten zu werden mit das Schlimmste ist, was einem passieren kann.

Als Sitzbank ist Ironie vielleicht etwas ungemütlich, als Haltung aber durchaus erfrischend: Objekt aus der Kölner Ausstellung.

Ihre geistige Nähe zur Kunstwelt trug der Gruppe Pentagon dann auch die Einladung zur Documenta von 1987 ein. Kurz zuvor hatte der Kölner Designkurator Michael Erlhoff ihren kleinen Stand auf der örtlichen Möbelmesse entdeckt und sie spontan nach Kassel geholt; dort reservierte Documenta-Leiter Manfred Schneckenburger 17 Räume für den Grenzbereich zwischen Design und Kunst. Im Zwischengeschoss der Kölner Ausstellung sind die Früchte der Erlhoff’schen Eingebung zu sehen: Entwürfe gezackter Stühle, Dokumente, handelsübliches Restaurantgeschirr, das sich Pentagon mittels eines Goldstempels einverleibte, und Nachbauten der „futuristischen“ Stehtische aus Stahl, Neon und Acrylglas, die Pentagon zur Documenta-Finissage mit dem Vorschlaghammer bearbeitete.

Als Möbel ist Ironie ungemütlich

So richtig Punk war Pentagon aber nicht, eher pragmatisch. „Wir haben nicht gedacht, die Welt braucht einen neuen Stuhl“, so Voggenreiter, „wir haben gedacht, wir brauchen einen Stuhl für unser Documenta-Café.“ Dessen Mobiliar gehört zu den Pentagon-Entwürfen, die trotz eingebauter Ironiesignale uneingeschränkt alltagstauglich sind. Überhaupt war Pentagon als Gruppe lösungsorientiert, wie man heute sagen würde.

Zickzack-Stühle und Regale aus Müllmaterial

In der Werkstatt machte jeder seins, die Revival-Ausstellung ist erst das dritte kollektive Produkt der Gruppe. Als solche trat Pentagon vor allem auf dem Markt auf, nach ersten Schritten sogar mit einer eigenen Produzentengalerie am Kölner Hansaring. Unter dem Motto „Verkauf ist die beste Verteidigung“ stellte Pentagon auch die Objekte andere Designer ins Schaufenster, etwa Volker Albus mit „Molto decadente“.

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Als Möbel ist Ironie vielleicht etwas ungemütlich, als Haltung aber durchaus erfrischend, zumal wenn sie wie bei Pentagon von politischen Hintergedanken getragen wird. Die Gruppe war friedensbewegt, was sich am Namen und an usurpierten Ausstellungstiteln wie „Herbstmanöver“, „Gipfeltreffen“ oder „Pentagon-Papiere“ zeigt. Es wirkt daher geradezu symbolisch, dass ihr letzter großer Auftritt eine Geste politisch motivierter Totalverweigerung war. Während des ersten Irakkriegs baute Pentagon auf der Kölner Möbelmesse eine Art improvisierten Gefechtsstand ohne eigene Möbel auf und verkündete, dass es keine Zeit für Geschäfte sei. Da waren die 80er Jahre schon Geschichte. Aber wie wir heute wissen, nicht wirklich vorbei.

„Design Gruppe Pentagon“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 13. Januar bis 26. April. Der Katalog zur Ausstellung (29 Euro) erscheint im Februar.