Kevin Spacey erhält in Cannes einen Preis fürs Lebenswerk. Doch der erweist sich als ebenso fragwürdig, wie die Selbststilisierung des gefallenen Stars.
Auszeichnung in CannesWarum sich Kevin Spacey am Ende nur selbst cancelt

Kevin Spacey hält seinen Preis fest
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Kevin Spacey ist auf den Filmfestspielen von Cannes mit einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede verglich Spacey seine Erfahrungen als öffentlich geächteter – sprich: gecancelter – Hollywoodstar mit den des Drehbuchautors Dalton Trumbo. Der war 1947 während der McCarthy-Ära zu einer elfmonatigen Haftstrafe verurteilt und mit einem Quasi-Berufsverbot belegt worden, weil er vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe die Aussage verweigert hatte.
Spacey waren im Zuge der MeToo-Debatte gleich von mehreren dutzend Männern sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Er verlor seine Netflix-Serien „House of Cards“ und etliche potenzielle Filmrollen, gewann allerdings sämtliche Prozesse, die seine mutmaßlichen Opfer gegen ihn angestrengt hatten. Was Kommentatoren in rechtskonservativen Zeitungen als „Warnschuss für die Cancel Culture“ interpretierten.
Kevin Spaceys geschmackloser Vergleich
Dass sich auch Spacey selbst als Cancel-Opfer fühlt, bestätigte er mit seinem geschmacklosen Vergleich. Als wäre Trumbos Standhaftigkeit angesichts einer Hetzjagd von Staats wegen in irgendeiner Weise mit seinen Freisprüchen vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs vergleichbar. Man konnte Spacey seine angeblichen Taten nicht nachweisen. Prinzipientreue hat er deswegen aber keine bewiesen.
Die hohle Pose entwertet sich völlig, wenn man genauer hinschaut: Die Gala, auf der Spacey ausgezeichnet wurde, war von einer privaten Stiftung ausgerichtet worden, ohne Verbindung zu den Filmfestspielen, lediglich im selben Hotel, in dem die meisten Cannes-Stars absteigen. Andere Prominente ließen sich auf der Preisverleihung nicht blicken. Und ein gewisser Matt Hookings, Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller des Billig-Thrillers „The Awakening“, in dem Spacey eine Nebenrolle spielt, erklärte den Gala-Besuch als Teil einer Guerilla-Werbekampagne für seinen Film.
Die hohe Auszeichnung ist also weder das Ende der Cancel Culture, noch mutiges Aufbegehren gegen eine solche. Sie wird Spaceys Karriere nicht retten. Das wiederum liegt weniger an der vorgeblichen medialen Übermacht eines „woken Mobs“ (so die „Neue Zürcher Zeitung“), wie man etwa am fortgesetzten Erfolg vieler anderer, angeblich gecancelter Stars erkennen kann.
Sondern eher an Spaceys unwürdigen Umgang mit den Vorwürfen, von faden Entschuldigungen („war betrunken“), seltsamen Videos in der Rolle des verschlagenen Präsidenten aus „House of Cards“, bis zur Verklärung als Freiheitskämpfer von eigenen Gnaden. Am Ende hat sich der Gecancelte selbst abgeschafft.