Bastian Pastewka im Gespräch„Wie wäre es mal mit Nord-Süd-Fahrt nur für Kinderwagen?“

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Bastian Pastewka 

Der Kölner Komiker Bastian Pastewka spricht im ausführlichen Interview (das Sie hier auch als Podcast hören können) über seine Rolle als Al Capone in dem neuen Kinofilm „Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“, den Wandel in der Unterhaltungsbranche und kölsche Selbstverliebtheit. Herr Pastewka, „Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“ startet jetzt im Kino. Sie sind darin als Al Capone zu sehen. Sie haben die Wixxer-Filme gemacht, Parodien auf Edgar-Wallace-Krimis,  und den Krimi-Podcast „Kein Mucks“. Was fasziniert Sie an zwielichtigen Gestalten?

Bastian Pastewka: Al Capone ist ja mehr als eine Kriminalfilmrolle, er ist ein real existierender Gangster gewesen. Der Film setzt auf historische Figuren und mir hat das Spaß gemacht. Tatsächlich habe ich überhaupt keinen Bezug zu Al Capone. Wenn man mich vor Jahren gefragt hätte, welche Rolle ich unbedingt mal spielen will, wäre das nicht meine erste Antwort gewesen. Aber nun war dieser schöne Sketch da, und offenbar passte ich in die Rolle des Al Capone – zumindest nach zweieinhalb Stunden Maskenzeit.

Al Capone ist ja schon oft in Filmen dargestellt worden. Wie haben Sie Ihre Version angelegt?

Es gibt zwei tolle Al Capones. Der eine ist Robert De Niro 1987 in „The Untouchables“ – mit dieser Körperlichkeit und der Narbe. Und Stephen Graham, der in der Serie „Boardwalk Empire“ den jungen Al Capone gespielt hat. Beide haben eine ungeheure Wut in sich und eine wahnsinnige Aggressivität in ihrem Körper. Die sind zunächst sehr ruhig, dann explodieren sie plötzlich und greifen jemanden an. Das mag ich persönlich aber alles nicht, ich habe eher den alten Al Capone gespielt, der schon ein bisschen müde ist und kurz bevor er verhaftet wird noch seine letzten Runden dreht. Die Maske und das Kostüm haben mich eher  aussehen lassen wie Danny de Vito in einem der Batman-Filme. Ich sehe aus wie der Pinguin. Von meinem Al Capone geht keine Gefahr aus.

Die Menschheit kommt nicht gut weg in dem Film. Lernen wir nichts aus der Geschichte?

Der Film wurde schon 2019 konzipiert, und schon da war in dem Drehbuch dieser Grund-Pessimismus drin. Den braucht es auch, um eine Komödie zu machen. Comedy basiert immer auf Ernst. Ich fand toll, dass die Autorinnen und Autoren dieses Films sehr klar benannt haben, dass man aus Geschichte leider speziell heutzutage sehr wenig lernt. Es ist natürlich sehr traurig, dass es unterdessen eine weltweite Pandemie und jetzt noch eine Kriegslage in Europa gebraucht hat, um die Bestätigung zu bekommen. Momentan stehen wir ja wirklich vor der Frage, wie eine neue Ordnung aussieht und wie wir uns dazu verhalten. Haben wir überhaupt die Mittel, die Macht und auch den langfristigen Blick darauf, diese Welt besser zu machen?


Talk mit K

Der Schauspieler, Komiker, Synchronsprecher und Hörbuchinterpret Bastian Pastewka (50) wurde in Bochum geboren und wuchs in Bonn auf. Bekannt wurde er Ende der 1990er Jahre durch die Sketchsendung „Die Wochenshow“.

Hören Sie das deutlich ausführlichere Gespräch  als Podcast-Folge „Talk mit  K“. Sie finden die aktuelle Folge bei Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts, Spotify oder Deezer. Suchen Sie dort nach „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie können ihn aber auch auf unserer Internetseite hören.

Pastewkas neuer Film, „Die Geschichte der Menschheit – Leicht gekürzt“ läuft am 16. Juni in den Kinos an.


Sind Sie da hoffnungsvoll?

Wenn wir hören, dass der UN-Klimarat noch einmal sagt, dass über die Hälfte der Menschen jetzt schon in Gebieten leben muss, in denen man nicht mehr überleben kann, sich also irgendwann große Migrationswellen auf den Weg machen, stehen wir nicht vor der Frage, was wir eigentlich in Deutschland machen sollten. Wir müssen global denken. Wir müssen endlich ein Rezept dafür finden, die Welt nicht mehr irgendwelchen Diktatoren, Autokraten oder Verschwörungserzähler/innen zu überlassen. Wir müssen auf das Reale gucken, dürfen uns vor schlechten Nachrichten nicht verstecken. Glücklicherweise ist das aber auch den meisten bewusst und es gibt ja genug Expertisen darüber, wie es weitergehen kann. Jetzt geht es an die Umsetzung!

Denken Sie angesichts dieser Herausforderungen manchmal: Ich häng den Job des Komikers an den Nagel? Oder sehen Sie eine Chance, mit Humor auch Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht für diese Themen interessieren?

Ich finde gut, dass es beides gibt. Comedy darf auch mal rein eskapistisch sein. Man kann einen guten Text darüber machen, dass Menschen, die sich eine Pizza am Stand kaufen, sie immer sofort in den Mund stecken und sich erstmal verbrennen anstatt zu warten, bis sie abgekühlt ist. Das ist genauso legitim wie ein großes Stück über illegale Masken-Deals. Momentan stehen wir vor nahezu unlösbaren Aufgaben und schwierigen Fragen. Ich glaube, dass wir momentan als Entertainer, Künstler, Spaßvögel, Quatsch-Köppe die Aufgabe haben, das Publikum bei Laune zu halten. Auch das ist wichtig. Wenn ich aber langfristig gucke, würde ich dann doch die Frage stellen, was kann Kabarett, Comedy, Satire überhaupt bewirken?

Und zu welcher Antwort kommen Sie?

Die Stand-Upper-Generation, die jetzt halb so alt ist wie ich, fängt Gott sei Dank damit an, mehr zu hinterfragen und auch besser zu hinterfragen als meine das gemacht hat. Wenn ich mir die Kabarett-Generation über mir anschaue, sagen die sinngemäß fast alle, dass sie ihre alten Gags von 1982 noch mal aufwärmen können, denn noch immer hat es keine vernünftige Steuerreform gegeben, noch immer keine Verbesserung des Gesundheitswesens, noch immer haben wir keine wirklichen Antworten auf den Klimawandel.

Warum Pastewka keine eigene Show will

Sie wurden sehr für Ihren Auftritt in Joko Winterscheidts Sendung „Wer stiehlt mir die Show?“ gefeiert. Im Netz forderten viele eine eigene Show für Sie. Wäre das nicht was?

Nein, das schließe ich aus. Es ist tatsächlich eine der lustigsten Shows, die wir momentan haben. Die Idee ist ja nicht, eine Samstagabend-Show zu machen, sondern Joko Winterscheidt als Gastgeber die Show kurzfristig zu stehlen. Es ist mir einmal gelungen.  Und mich hat besonders gefreut, mit einem alten Peter-Alexander-Song an einem Dienstagabend im August fünf Minuten lang die Twitter-Trends anzuführen. Ich finde, so muss Retro funktionieren: keine Kopie des alten, sondern bekannte Effekte in zeitgemäßem Rahmen. 

Warum ausschließen, Sie hatten doch sichtlich Spaß?

Zunächst bin ich kein Moderator. Ich habe das nie gemacht und das bleibt auch so. Und selbst wenn: der Moderator ist ja nicht das Konzept. Man kann nicht einfach sagen, reicht doch, den Pastewka  in ein Studio zu stellen und ihn irgendeine Show machen zu lassen. Nein. Es muss eine brillante Spielidee voranstehen. Es braucht eine ideale Ausgangslage, das Gerüst der Show muss stimmen. Und sobald ich eine solche Top-Show angeboten bekommen würde, wo ich merke, hier macht sich wirklich jemand Gedanken, hat wirklich eine neue Idee – bin ich sofort nicht dabei, weil ich kein Moderator bin. „Wer stiehlt mir die Show?“ war eine einmalige Ausnahme von der Regel.

Im Amazon-Format „Last One Laughing“ haben Sie perfekt einen Kölschen Büttenredner persifliert. Wäre das eine Karriere-Option?

Bitte haben doch Sie Erbarmen mit mir. Ich kann weder Kai Pflaume noch Hans Hachenberg!

Köln als unspektakuläre Stadt

Ist es wirklich so weit her mit dem rheinischen Humor oder ist das nur Teil der kölschen Selbstverliebtheit?

Das ist eindeutig Selbstverliebtheit. Köln ist als Stadt ja so unspektakulär und auch nicht schön, dass man sich ihr nur über das Liedgut nähern kann. Karnevalisten lieben diese Stadt, weil das Zusammengehörigkeitsgefühl groß ist. Und die rheinische Lebensart ist auch in mir drin. Ich bin in Bonn aufgewachsen, ich lebe nach wie vor in Köln, die Menschen sind freundlich, gehen aufeinander zu und haben das Herz am rechten Fleck. Das ist alles sehr schön, das ist in Berlin schon mal anders.

Die Kölner Mentalität ist eine Folge der Kölner Hässlichkeit nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs?

Nein, aber die Art und Weise, wie Köln sich in seinem Liedgut selber begreift, ist für meine Begriffe ein bisschen unfrei. Köln ist ja nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstört worden. Danach haben noch Architekten gewütet. Wer erbaut schon 1950 eine Nord-Süd-Fahrt, die absichtlich einen gewachsenen Stadtkern zersägt? Und 50 Jahre später eine U-Bahn, die das Severinsviertel auseinandernimmt? Die Innenstadt kriegt die Autos nicht weg, aber niemand käme auf die Idee, etwas Entsprechendes wie die Nord-Süd-Fahrt mal nur für Kinderwagen, E-Scooter und Fahrradfahrende durchzusetzen.

Ist der Kölner zu sehr in einer Mischung aus „Et kütt wie et kütt“ und „Et hätt noch immer jot jejange“ gefangen?

Das ist kein Kölner Phänomen. Man schaffte es ja auch bundesweit nicht, Hygienemaßnahmen so zu regeln, dass Kinder sicher in die Schule gehen können und Pflegekräfte geschützt werden. Es ist schon erstaunlich, wie lange das hier in Deutschland alles braucht. Vielleicht sind wir gar nicht so ein tolles Land? Der Satz, der mir dann oft entgegenkommt, ist: Früher war alles besser. Ich vermute fast, es kann nicht besser gewesen sein in diesem Land, das zwei Kriege verursacht hat und sich danach in zwei  Länder aufspaltete. Ich erlebe in meinem entfernten Umfeld dieser Tage obendrauf noch, dass sich viele einfach den Umständen entziehen und irgendwelche Phantasien glauben.

Was kann man dagegen tun?

Hier bitte ich um Nachsicht, weil ich kein Experte bin; aber ich bleibe bei Bildung, Bildung, Bildung. Das wird eine Kraftanstrengung, aber sie ist die Basis für Selbstbestimmtheit und Weitblick.

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