Bibiza im Kölner LuxorDieser junge Wiener wird so groß wie Falco, wetten?

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Bibiza, Nachwuchsstar aus Wien, am 19. Januar 2024 im Luxor

Bibiza, Sänger aus Wien, nimmt im Kölner Luxor ein Bad in der Menge

Franz Bibiza fing als Wiener Trap-Rapper an, inzwischen beherrscht er die ganze Palette des Austro-Pop. Unsere Konzertkritik.

Und jetzt ein Gruppenbild: Die Band posiert auf dem Absperrgitter des Bühnengrabens, im Rücken das ausverkaufte Luxor. Arme hoch, die Hände zum Herz geformt. „Auf drei schreit’s alle ‚Kokain‘“, sagt der Bibiza. „Kokain“, brüllt die Menge begeistert ins Objektiv. „Aber bitte nicht so ernst nehmen“, mahnt der Jungstar aus dem Wiener Bezirk Mariahilf. Das gehört halt zum Schmäh wie der Schlagobers zur Sachertorte. Dann eskaliert das Publikum noch einmal zum „Opernring Blues“. „Dreh drei Runden am Opernring“, rapsingt Bibiza, „zwei schöne Damen und Kokain/ Ich zieh das durch, bis ich groß verdien/ Und hör erst auf wenn ich O-O-O-Opa bin.“

Eigentlich ist das ein klassischer Trap-Song und die musikalischen Anfänge des Franz Bibiza liegen in der Tat im Hip-Hop. An diesem Abend in Köln spielt er den Song einmal allein zur Akustikgitarre als Austro-Pop-Ballade und kurz darauf gleich noch einmal in voller Bandbesetzung als New-Wave-Rocker. Die Übergänge zwischen Rap-Show, Rockkonzert und Wiener Heurigen sind fließend, denn der 24-Jährige hat die gesamte österreichische Popgeschichte in seiner Bühnenperson vereint, von Wolfgang Ambros bis Wanda, von Rainhard Fendrich bis Bilderbuch, von Georg Danzer bis Yung Hurn. Und naturgemäß bedient er sich am großzügigsten beim Größten, Falco.

Was um Herrgotts Willen kein Vorwurf sein soll. Der hatte schließlich auch keine Probleme damit, sich komplette Bowie-Songs einzuverleiben und als todessehnsüchtige Wiener Originale zu verkaufen. Bibiza ist nur der jüngste Repräsentant einer Weltsicht und eines Gefühls: Abgehoben, arrogant und egoistisch schimpft er seine Heimatstadt und schließt dann doch: „Und falls ich sterbe lieg ich unter deiner Erde.“

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Weil bekanntlich nichts so sehr Deutsche und Österreicher voneinander trennt, wie die gemeinsame Sprache, findet man das in Köln unendlich charmant. Und dass ist es ja auch, von der szenischen Einführung mit „Hautevolee“, worin der strauchelnde Erzähler auf dem Spülkasten eines Tanzcafé-Abortes sein Frühstück schnupft, während seine Mami das Handy klingeln lässt, weil sie sich große Sorgen macht – Bibiza trägt noch stilecht Sonnenbrille –, über die satirische Hymne an eine Nachtschattenschöne von der „Akademie der bildenden Künste“ („An der Wirtschaftsuni war sie nur für ein Semester“), bis zu einem neuen Song, in dem Bibiza die Männer im Publikum auffordert, Frauen auf der Tanzfläche gefälligst in Ruhe zu lassen und sich nicht wie „notgeile Schimpansen“ aufzuführen: fertig, aber achtsam.

Die vierköpfige Band kann scheinbar alles spielen, Bassläufe wie zur Primetime im Technoclub, Karaoke-Blödsinn wie eine Coverversion von „Major Tom“, und auch den gelegentlichen Rockriff von anno dunnemals. Vor dem Schlagzeug steht ein Taxi als Kunstobjekt, dahinter bilden ein Kristallleuchter und eine halbe Discokugel einen Kreis. Schauspieler Andreas Radlherr, der sonst als Taxifahrer Andi das Bühnenbild vervollständigt, fällt heute Abend leider wegen Hüftschaden aus. Dafür darf dann ein noch ganz junger Mensch die Hupe betätigen.

Zur Mitte des Konzerts verwandelt Bibiza den Saal in ein einziges Moshpit, gibt in „Blau“ den alpenländischen The Weeknd („Ich spür nix aber hab ein gutes Outfit“), lobt in „Stadtpark Insomnia“ die öffentliche Wiese als Schlafalternative für Menschen, die zu dicht sind, um noch nach Hause zu finden, und überhöht sich als Casanova, „die Haare wie geleckt/ So läuft er jeden Abend ins Gefecht“.

Es ist ein Riesenspaß, so ausgeklügelt wie ranschmeißerisch, und das Luxor scheint längst viel zu klein für die Starpower des Franz Bibiza. Man ist aber sehr froh, ihn noch hier erlebt zu haben.

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