Biografie über Elon MuskWas treibt den reichsten Menschen der Welt an?

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Elon Musk schaut an der Kamera vorbei

Zwischen Genie und Wahnsinn: Elon Musk (Archivbild)

Der Biograf Walter Isaacson hat den umstrittenen Milliardär Elon Musk zwei Jahre lang begleitet. In seinem Buch enthüllt er dessen größtes Ziel und die heimliche Geburt seines zehnten Kindes.

Elon Musk hat es geschafft: Er steht wieder einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sein Umgang mit der Plattform Twitter, die nun X heißt, und dessen Mitarbeitenden empört seit fast einem Jahr viele Menschen, garantierte ihm aber immer wieder Schlagzeilen. Im April schaute die Welt gespannt auf den Testflug seiner gigantischen SpaceX-Rakete „Starship“. Sie explodierte, doch dass sie überhaupt abhob, war schon ein großer Erfolg. Und nun erscheint seine neue Biografie „Elon Musk“, über die bereits vor der Veröffentlichung am 12. September viel diskutiert wird.

Das ist verständlich, denn während Musk inspiriert und polarisiert, bleibt eine Kernfrage offen: Ist das alles „Genie“, „Wahnsinn“ oder etwas anderes? Der US-amerikanische Biograf und Journalist Walter Isaacson hat versucht, den Mythos Musk aufzulösen. Isaacson wurde durch sein Buch über Steve Jobs und seinen kritischen Blick auf den Apple-Gründer bekannt, der ähnlich wie Musk zwischen „Genialität“ und „Größenwahn“ wankte. Zwei Jahre lang begleitete Isaacson Musk, reiste in dessen Privatjet von Meeting zu Meeting durch die USA und führte mit ihm viele Gespräche bis tief in die Nacht.

Musk will die Welt retten

Schon vor der Veröffentlichung der Biografie berichteten zahlreiche Medien über Auszüge aus dem Buch. Isaacson gelangte demnach in seiner Recherche zu einer zentralen Erkenntnis, die Musks gewaltige Ambitionen zumindest ansatzweise erklären könnte: Elon Musk glaubt, dass er die Welt retten kann. Vor allem will er Menschen zum Mars bringen, bevor die Menschheit zerfällt. Aus seiner Sicht gibt es viele mögliche Auslöser für ein solches Desaster: den Klimawandel, sinkende Geburtenraten, künstliche Intelligenz (KI). Viele seiner Businessentscheidungen sind Isaacson zufolge durch Musks Ziel begründet, die Menschheit zum Mars zu bringen. Musks SpaceX-Mitarbeitende würden oftmals an ihre Grenzen gebracht, um seine brutalen Deadlines einzuhalten.

In einem aufsehenerregenden Auszug aus dem Buch beschreibt Isaacson, wie sich Musk bereits jetzt als Retter der Menschheit inszeniert: Er glaube, er habe einen nuklearen Krieg verhindert, heißt es. Im vergangenen Jahr habe Musk demnach heimlich seine Ingenieure angewiesen, sein Starlink-Satelliten-Netzwerk in der Nähe der Küste der Krim abzuschalten, um einen ukrainischen Überraschungsangriff auf die russische Flotte aufzuhalten.

Musk wehrte sich auf X gegen diese Darstellung. „Die betreffenden Starlink-Regionen waren nicht aktiviert. SpaceX hat nichts deaktiviert“, schrieb er. Ukrainische Regierungsbehörden hätten versucht, Starlink bis Sewastopol zu aktivieren. Ihre Absicht sei es gewesen, so Musk, die Mehrheit der dort ankernden russischen Flotte zu versenken. „Wenn ich der Anfrage zugestimmt hätte, wäre SpaceX eindeutig Teil eines bedeutenden kriegerischen Akts und einer Eskalation des Konflikts geworden“, schrieb Musk. Isaacson nahm daraufhin auf X seine Aussagen zu dem Starlink-Fall im Buch zurück.

Twitter-Übernahme: Die Folge eines Kindheitstraumas?

Welche Version der Geschichte auch immer wahr ist: Musk ist laut Isaacson davon überzeugt, dass er mit seinen Taten eine Eskalation des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verhindert hat. Musk beschreibt in seiner Biografie viele seiner Taten mit einer Superheldenmetapher: Superhelden sehen aus wie Verrückte, die ihre Unterhosen über der Kleidung tragen. Doch gerade die Verrückten sind es, die versuchen, die Welt zu retten.

Auch als Musk die Plattform Twitter übernahm, inszenierte er sich als Retter: „Der Vogel ist frei“, schrieb er in seinem ersten Tweet als Eigentümer. Zuvor murrte er monatelang über die Moderationsrichtlinien der Plattform: Er war der Ansicht, Twitter habe die Meinungsfreiheit nicht respektiert und sei von Regierungen und den Medien gesteuert gewesen. Folglich ließ Musk nach der Übernahme zuvor gesperrte umstrittene Prominente wie Donald Trump, Andrew Tate und Kanye West zurück auf die Plattform.

Doch Musk kaufte den Kurznachrichtendienst nicht, um ihn zu befreien, meint Isaacson. Der Biograf führt diese Entscheidung auf ein Kindheitstrauma zurück: Musk wurde in Südafrika auf dem Pausenhof gemobbt und eines Tages so stark verprügelt, dass er im Krankenhaus landete. Mit Twitter konnte Musk, wie Isaacson glaubt, einen Spielplatz, auf dem weltweit enorm viele Menschen spielen, zu seinem Eigentum machen.

Musks heimliche Kinder

Doch Musk verkalkulierte sich mit dem Kauf: Er hielt Twitter für ein Tech-Unternehmen; in Wahrheit sei es aber ein Werbemedium, das auf menschlichen Emotionen und Beziehungen basiert, wie Isaacson schreibt. Genau damit könne der Milliardär aber nicht umgehen: Musks extremer Fokus auf seine Arbeit schneide ihn von jeglicher Emotion ab, wie Isaacson dem „Spiegel“ sagte. „Was ihn oft zu einem ziemlichen Mistkerl macht.“ Musk selbst sagt, dass er sich aufgrund seines Asperger-Syndroms mit Empathie schwertue, wie es im Buch heißt.

Musk verletzt manchmal auch die Menschen, die ihm nahestehen. Seine Ex-Frau Grimes war „empört“, als sie von der Geburt seiner Zwillinge Strider und Azure hörte. So steht es im Buch. Shivon Zilis, eine Führungskraft in einem seiner Unternehmen, brachte sie 2021 zur Welt. Davon habe Grimes erst zur gleichen Zeit wie die Öffentlichkeit erfahren, also Wochen vor der Geburt des zweiten Kindes von Musk und Grimes. Das Buch enthüllte auch, dass Grimes und Musk heimlich ein drittes Kind bekamen. Musk, der inzwischen zehn Kinder mit drei Frauen hat, wolle, dass intelligente Menschen zusammen Kinder bekommen, wird Zilis im Buch zitiert.

Seine Beziehung zu seiner Tochter Jenna hatte einen erheblichen Anteil daran, dass sich Musk seit einigen Jahren so stark in die Politik einmischt, wie Isaacson im „Spiegel“-Interview sagt. Ihre Geschlechtsangleichung und die Tatsache, dass sie zur Marxistin wurde, ließ Musk glauben, dass sie sich mit einem „woken Virus“ infiziert habe. Musk sei der Meinung, dass besagtes „Virus“ gestoppt werden muss, ansonsten werde die Menschheit nie andere Planeten kolonisieren können. Auch das zeigt: Selbst in seinem Privatleben beschäftigt Musk nichts so sehr wie sein Ziel, Menschen zum Mars zu bringen.

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