Rapper Bushidos erzählt im Gespräch, wie die Therapie sein Leben verändert hat und was es heißt, wenn er bald seine Karriere beendet.
Bushido im Interview„Haben wir „Schwuchtel“ als abwertende Bezeichnungen benutzt? Ja. Ist das ok? Nein“

will mit einer letzten Tour 2026 seine Karriere beenden.
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Nach rund einem Vierteljahrhundert Karriere will sich Bushido von der Bühne verabschieden. Eine letzte Tour noch, dann ist Schluss - so jedenfalls die Ankündigung von Anis Ferchichi, wie der Rapper bürgerlich heißt. In der Öffentlichkeit stand der heute 47-Jährige nicht nur mit seinen vielen Nummer-eins-Hits, von denen einige auch auf dem Index stehen, sondern auch wegen seiner jahrelangen Geschäftsbeziehungen zu Mitgliedern der Abou-Chaker-Familie, die mit einem schlagzeilenträchtigen Prozess endeten.
Auch aus Sicherheitsgründen wanderte Bushido nach eigenen Angaben vor drei Jahren mit seiner Frau, Model und Influencerin Anna-Maria Ferchichi, und den acht Kindern (eins davon aus ihrer früheren Beziehung) nach Dubai aus.
Sie gehen Anfang nächsten Jahres ein letztes Mal auf Tour. Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Musikkarriere zu beenden?
Ich habe schon seit einigen Jahren immer wieder mit meinem Karriereende geliebäugelt. Es ist cool, mit 47 Jahren auf dem Höhepunkt zu sein oder zumindest auf einem sehr hohen Erfolgsniveau, und ein guter Augenblick aufzuhören. Ich möchte mich nicht herunterwirtschaften. Ich habe echt harte Jahre hinter mir, die meiner Musik theoretisch jegliche Daseinsberechtigung entzogen haben. Ich bin trotzdem wiedergekommen und verkaufe die Arenen in Deutschland aus. Das ist schon beachtlich, obwohl ich ein sehr zurückgezogenes Leben führe.
Stimmt, Sie haben sich vor einigen Jahren mit Ihrer Familie nach Dubai zurückgezogen.
Ja, gerade habe ich viel in Deutschland zu tun, und meine Frau und meine Kinder sind zu Hause in Dubai. Aber zum Glück ist mein Stiefsohn bei mir geblieben, denn ich bin sehr ungern allein. Ich liebe es, mit meiner Familie Zeit zu verbringen. Da mir das immer wichtiger wurde, habe ich mir gedacht: Tour läuft gut, Öffentlichkeit läuft gut, jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu gehen. Wenn es irgendwann nicht mehr gut laufen würde, hätte ich das Gefühl, dass ich der Letzte in der Disco bin und nach Hause muss. Und wenn man cool ist, macht man das nicht.
Gibt es nach dieser Tour dann Bushido nicht mehr, sondern nur noch Anis Ferchichi? Lässt sich das überhaupt voneinander trennen?
Bushido und Anis lassen sich so explizit nicht voneinander trennen. Ich habe mich auch als Ganzes verändert. Ich werde nicht so tun, als wäre Bushido die eine Sache und ich stehe in meiner Entwicklung konträr dazu. Das gehört irgendwie alles zusammen und ich werde es niemals vergessen. Aber wenn ich aufhöre mit der Musik, existiere ich nur noch als Privatmensch. Ich trage diese Bushido-Dinge nicht mit nach Hause. Meine Kinder wissen natürlich, was ich beruflich mache. Aber zu Hause bin ich Papa und Ehemann, der Rest ist egal.
Wie stellen Sie sich die Zeit vor, wenn die Tour durch und die Karriere beendet ist? Haben Sie irgendwelche Pläne?
Für mich war immer klar, dass, wenn ich mit der Musik aufhöre, ich eine finanzielle Alternative haben möchte, die genauso gut funktioniert wie meine Musik, auch wenn meine Frau eine Gutverdienerin ist. Das hat einige Jahre gedauert in Dubai, aber das haben wir hinbekommen. Wenn ich keine Musik mehr mache, möchte ich einfach nur da sein. Ich genieße das Gefühl, gebraucht zu werden - egal, ob es darum geht, die Kinder in die Schule zu bringen oder zum Fußball zu fahren. Ich will mein Leben in Dubai genießen, ohne den Druck der Öffentlichkeit und ohne Überlegungen, was man sagen kann und was nicht. Ich will diese Zwänge ablegen.
Der Fokus liegt also auf mehr Zeit mit der Familie.
Ja, ich möchte meinen Kindern und meiner Frau die Möglichkeit geben, jederzeit auf mich zurückgreifen zu können. Es geht nicht darum, dass ich 24 Stunden am Tag wie ein Chauffeur anwesend bin, aber dass ich nicht ständig weg bin wegen der Musik. Dass meine Kinder wissen: Papa ist zu Hause oder zumindest in der Nähe.
Sie gehen sehr offen mit Ihren Depressionen und Panikattacken und Ihrer Therapie um. Haben Sie Sorge, nach dem Abschied aus der Öffentlichkeit in ein Loch zu fallen?
Aktiv denke ich da nicht dran. Sollte ich das Gefühl haben, dass das Karriereende mich psychisch beeinflussen sollte, habe ich eine wunderbare Therapeutin, mit der ich darüber sprechen kann. Die Gespräche, die wir momentan führen, haben aber nichts mit dem Karriereende zu tun.
Wie sehr hat die Therapie Sie und Ihr Leben schon verändert?
Das ist schwierig zu sagen. Oft fühlt man Sachen oder denkt, man sei ganz normal und es sei alles okay, aber die Mitmenschen schütteln alle mit dem Kopf. Ich glaube trotzdem, dass ich mich sehr verändert habe. Ich fühle mich verbundener mit mir selbst und verstehe mich besser. Ich glaube, ich bin auch für meine Mitmenschen, für meine Kinder, für meine Frau, für meine Freunde, für meine Geschäftspartner angenehmer geworden.
Man merkt auch in der Öffentlichkeit einen Imagewandel vom „bösen Gangsterrapper“ zum Familienvater und Ehemann, der Therapie macht und ein besserer Mensch für sein Umfeld sein will ...
Ob man das als Imagewechsel betiteln möchte, stelle ich jedem frei. Für mich waren diese verschiedenen Lebensphasen Momentaufnahmen. Wenn ich damals als Rüpelrapper und als homophob, frauenfeindlich und antisemitisch betitelt wurde, war das eine Phase in meinem Leben, die diese Vorwürfe meistens nicht gerechtfertigt, aber auf den Tisch gebracht hat. Ich habe keine aktive Entscheidung getroffen, mein Image wechseln zu wollen. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich mich als Mensch verändern möchte, dass ich begreifen möchte, was meine Kindheit mit mir gemacht hat, wie es mit meinen Ängsten aussieht, mit meinen Abwehrmechanismen und Mauern.
Sie haben Vorwürfe angesprochen, die Ihnen gemacht wurden – Homophobie, Sexismus, Antisemitismus. Wie gehen Sie Ihren Kindern gegenüber mit dieser Vergangenheit um?
Einem Bushido-Fan muss ich nicht erklären, dass ich nicht homophob bin. Der weiß, dass die Musik in diesem Genre einfach so ist. Menschen, die diese harte, spezielle Art von Rap gut leiden können, fragen sich das nicht. Homophobe oder frauenfeindliche Tendenzen sind absolut verabscheuungswürdig. Natürlich werden im Rap durch Sprache und teilweise durch Attitüde auch Frauen sexualisiert. Aber seit ich mit meiner Frau zusammen bin, gibt es keine Frauen mehr in meinen Musikvideos.
Vorher gab es aber Frauen in Ihren Musikvideos ...
Ja, ich habe Rap gelebt, wie man Rap auch leben kann. Das hat aber nie was mit meiner persönlichen Meinung Homosexuellen, Frauen oder Juden gegenüber zu tun gehabt. Gab es in der Vergangenheit provokante Texte von mir? Ja. Haben wir „schwul“ und „Schwuchtel“ als abwertende Bezeichnungen benutzt? Ja. Ist das ok? Nein. Heißt es dadurch, dass ich homophob bin? Nein.
Und wie gehen Sie nun Ihren Kindern gegenüber damit um? Dürfen die Ihre alten Songs hören?
Ich kann es ihnen nicht verbieten. Im Zeitalter von Internet und Social Media bekommen meine Kinder natürlich alles mit, auch Vorwürfe. Ich bin mir natürlich darüber bewusst, dass sie jeden Song hören könnten. Und natürlich kennen meine Kinder Songs, in denen ich sage „Ich ficke deine Mutter“. Aber die wollen das auch nicht hören. Wenn meine Kinder solche Songs von mir hören, sind sie peinlich berührt. Sie hören eher Songs von mir, die ihnen gefallen, wie „Papa“ oder „Für immer jung“. Um meine Kinder mache ich mir keine Sorgen. Sie wachsen in einer weltoffenen Bubble auf. Es gibt kein Problem mit alten Bushido-Texten. Ich bin ihr Vater und das ist alles, was sie mir gegenüber empfinden.

Bushido (r), Rapper, und seine Frau Anna-Maria Ferchichi ommen zur Bertelsmann Party 2025. Das Unternehmen mit Sitz in Gütersloh lädt Vertreter aus Unterhaltung, Kultur und Politik in seine Hauptstadtvertretung ein.
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Ihren Kindern müssen Sie also nicht erklären, dass Sie wegen bestimmter alter Songzeilen kein Sexist oder homophob sind?
Nein, und meine Kinder wissen, dass man so nicht redet. Ich hoffe nicht, dass Sie der Meinung waren, dass meine Kinder am Esstisch „Fick deine Mutter“ oder „Du Hurensohn“ sagen. Das ist absolut tabu bei uns. Selbst wenn meine Kinder auf Tour letztes Jahr meine Songs mitgerappt haben, dann lassen sie solche Zeilen aus, weil sie wissen, dass sie das nicht sagen dürfen. Ob sie hinter meinem Rücken oder dem meiner Frau so reden, wenn sie unter Freunden sind: selbstverständlich. Wenn ich nicht dabei bin, kann ich nichts machen und möchte auch keine Vermutungen anstellen, weil mir gegenüber sind das absolut höfliche, kleine, super witzige Menschen.
Gibt es alte Songs, mit denen Sie heute nicht mehr auftreten wollen, weil Sie nicht mehr dahinterstehen oder sie schlecht gealtert sind?
Ja, den einen oder anderen Song gibt es, auf den diese Kriterien zutreffen. Aber live muss man sowieso die coolsten Songs heraussuchen. Da geht es gar nicht nur darum, ob Ausdrücke auftauchen oder es unangemessen ist, sondern es geht um die generelle Wirkung des Songs. Aber klar, es gibt Songs von mir, die ich heute gar nicht mehr hören möchte. Die feiere ich auch nicht mehr. Die Songs lösche ich deswegen aber nicht.
Und damit treten Sie auch nicht mehr auf?
Nein, um Gottes willen. Es gibt sowieso viele Songs, mit denen ich gar nicht auftreten darf, weil sie immer noch indiziert sind.
Rap ist offensichtlich eine Branche mit hartem Image. Wie wichtig ist es, dass jemand wie Sie offen damit umgeht, dass er Probleme hat und eine Therapie macht?
Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob es wichtig ist, dass ich offen damit umgehe, dass ich Depressionen, Panikattacken und Angstzustände habe und deswegen in die Therapie gehe. Wenn ich sagen würde „Ich bin Bushido und habe jeden Tag ein Interview“, würde es keinen scheren. Wenn ich aber sage „Ich bin Bushido und habe jeden Tag Therapie“, malen sich die Leute die wildesten Dinge aus. Letztlich bedeutet meine Therapie, dass ich zurzeit jeden Tag mit meiner Therapeutin eine Stunde über Dinge spreche, die aktuell sind, die vor 30 Jahren passiert sind, oder auch über die Zukunft. Es geht nicht darum, dass auf mich eingeredet wird nach dem Motto „Bitte hab‘ die Kraft, morgens aufzustehen.“ Aber meine Therapeutin führt mich immer wieder auf Wege der Erkenntnis. Warum soll ich das nicht sagen?
Wie sind die Reaktionen darauf?
Es gibt Leute, die lachen einen aus, es gibt Leute, die sagen „Das ist Rap, da hat Therapie nichts zu suchen“. Aber das ist Bullshit. Es geht nicht darum, dass du nicht mehr hart bist oder nicht mehr rappen kannst. Es geht darum, dass du mit dir selbst klarkommst. Ich habe zwei Drittel meines Lebens mit Rap verbracht, wenn man sich niemals Gedanken macht über sein echtes Leben oder die Zeit danach macht, fällt man irgendwann in ein Riesenloch. Deswegen habe ich mich frühzeitig darum gekümmert, mich selbst lieben zu lernen. Das ist die größte Herausforderung im Leben.
Sehen Sie sich da in einer Vorbildfunktion?
Nein, ich habe keine Vorbildfunktion. Wenn ich nicht zur Therapie gehen und nicht an Depressionen und Panikattacken leiden würde, würde ich auch nicht den Leuten raten, zur Therapie zu gehen. Das ist für mich kein Role-Model-Auftrag. Es ist genauso, wie wenn ich sage: Ich gehe alle sechs Monate zum Urologen, Vorsorge ist wichtig. Das sage ich auch nur, weil es Tatsache ist, nicht weil ich die Leute überreden will. Es ist wichtig, dass jeder zur Krebsvorsorge geht. Es ist auch wichtig, dass jeder sich vorstellen könnte, eine Therapie zu machen, wenn man es braucht. Aber ich habe keinen moralischen Auftrag.
Seine Abschiedstour mit dem Titel „Alles wird gut“ startet Bushido am 12. Januar 2026 in Berlin. Wegen des Zulaufs hat er bereits Zusatzshows in Düsseldorf (6. März), Berlin (7. März), Hamburg (9. März), Leipzig (10. März), München (11. März) und Stuttgart (12. März) bekannt gegeben. Alle Termine finden sich unter www.eventim.de/artist/bushido.