Nach dem großen Erfolg von „Cui Bono - WTF happened to Ken Jebsen?“ widmet sich die zweite Staffel des Podcasts dem Youtuber Drachenlord, der seit Jahren verfolgt und attackiert wird.
Podcast über Youtuber „Drachenlord“Woher kommt all der Hass?

Youtuber „Drachenlord“ während des Prozesses gegen ihn.
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Alles beginnt äußerst harmlos. Rainer Winkler, ein völlig unbekannter 22-Jähriger aus der fränkischen Provinz, startet am 10. August 2011 seinen Youtube-Kanal „Drachenlord“. Seine Inhalte sind unspektakulär. Er filmt sich dabei, wie er Brote schmiert, er spricht über Heavy Metal, spielt Videospiele. Follower hat er nur sehr wenige, das ändert sich in den ersten Jahren auch kaum. Die Geschichte hätte hier schon wieder vorbei sein können.
Doch was dann passiert, beschäftigt seit Jahren die Polizei und Justiz und ist ein beängstigendes Beispiel dafür, dass wir als Gesellschaft noch keinen Weg gefunden haben, mit Hass und Hetze, die im Internet aufkommen und dann ist echte Leben überschwappen, umzugehen.
Host Khesrau Behroz, der für seinen Podcast „Cui Bono - WTF happened to Ken Jebsen?“ viel Aufmerksamkeit und viele Preise erhielt, widmet sich in der zweiten Staffel Rainer Winklers Geschichte. „Wer hat Angst vorm Drachenlord?“ heißt sie und zeichnet minutiös nach, wie eine anfangs harmlose Geschichte so eskalieren konnte.
„Drachengame“ nennen seine Hater ihr böses Spiel
Denn irgendwann vergrößert sich die Gruppe der Menschen, die Rainer Winklers Kanal folgen, rapide. Aber es sind in der überwiegenden Mehrzahl keine Fans, es sind sogenannte Hater, die sich über seine Videos, seine Art zu sprechen und sein Äußeres lustig machen. Zunächst sind es nur böse Kommentare bei Youtube und in anderen Netzwerken.
Doch eines Tages stehen plötzlich zum ersten Mal Hater vor Winklers Haus in seinem kleinen Heimatdorf in Franken. Sie verabreden sich dort, beschimpfen Winkler, provozieren ihn und filmen dann, wenn er ausrastet. „Drachengame“ nennen sie dieses grausame Spiel.
Im Juli 2015 löst ein Hater einen großen Feuerwehreinsatz aus, als er behauptet, Winklers Haus stehe in Flammen. Der Mann wird später verurteilt, aber dieser Dammbruch ist einer der ersten Schritte auf dem Weg zu Tausenden Polizeieinsätzen und mehreren Gerichtsverfahren.

Teilnehmer einer Hass-Demo gegen den Youtuber Drachenlord.
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Winkler ist in den Augen derer, die ihn vernichten wollen, wie sie selbst sagen, ein dankbares Opfer. Weil er nicht einfach seinen Kanal abschaltet, weil er weitermacht und vor allem, weil er auf die Provokationen reagiert. Irgendwann schlägt er zu. Und wird dann selbst angezeigt. Winkler wird wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt.
Mittlerweile hat er sein Haus verkauft und reist durch Deutschland. Ohne festen Wohnsitz und immer auf der Flucht vor denen, die ihm noch immer nachstellen, die festhalten und verbreiten, wo er sich wann aufhält.
Khesrau Behroz erzählt in dem fünfteiligen Podcast, der eine Produktion von Studio Bummens, Undone und dem neuen StreamingService RTL+ Musik ist, Winklers Geschichte von den Anfängen bis heute.
Aber vor allem beleuchtet er, warum dieser Fall von Cybermobbing weit über das „Drachengame“ hinausweist. Er zeigt auf, wie das Reality-TV, das in Deutschland mit „Big Brother“ Anfang der 2000er einen ersten Höhepunkt erreichte, zu einem völlig neuen Phänomen führte.
Plötzlich wurden nicht mehr nur die gefeiert, die etwas besonders gut konnten oder machten. Das Versprechen war, dass jeder berühmt werden konnte, wenn nur genug andere zuschauten. Ein Versprechen, das später das Erfolgsrezept von Youtube wurde - und das für viele Stars des Internet-Zeitalters auch aufging.
Rainer Winkler wollte auch ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Youtube wurde seine Haupteinnahmequelle. Sein Ruhm, und war er auch noch so vergiftet, war wichtig für sein Selbstbild. Deshalb konnte er auch nicht einfach aufhören.

Host Khesrau Behroz im Studio
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Behroz arbeitet die Mechanismen und zugrunde liegenden Probleme anschaulich heraus. Er hat auch mit Winkler gesprochen, doch für den Podcast wollte dieser sich nicht äußern. Man hört ihn daher nur in seinen eigenen Videos und Live-Chats.
Zu Wort kommen aber neben Experten und der völlig überforderten Polizei vor allem auch die Hater. Und das ist so erschreckend wie ernüchternd, weil sie keine Spur von Einsicht, Mitgefühl oder Selbstzweifeln offenbaren.
Einen Menschen systematisch fertigzumachen, ihn zu entmenschlichen und in den Abgrund zu treiben, sehen sie als Spiel, als nettes Freizeitvergnügen. Welche Rolle sie in dem Ganzen spielen, scheinen sie nicht zu verstehen.
Behroz schildert all das meistens sehr nüchtern, nur selten blitzt durch, was er von diesem Treiben hält. Aber sein Vorgehen ist gut und wichtig, weil ihm so eine gründliche Analyse gelingt, die nicht nur ratlos, sondern vor allem auch sehr, sehr betroffen macht.
„Cui Bono - Wer hat Angst vorm Drachenlord?“ ist auf allen Podcast-Plattformen zu hören.