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Das Tor zur Hölle ist weit geöffnet

Lesezeit 3 Minuten

Als könnte er kein Wässerchen trüben, lässt Stephen King seinen jüngsten Thriller „Das Institut“ zunächst in einen ruhigen Erzählfluss gleiten. Auf der Suche nach einem neuen Job gelangt Ex-Polizist Tim in ein verschlafenes Kaff. Wo er sich dazu überreden lässt, einen Job als „Nachtklopfer“ anzutreten: „Der ging einfach durch die Gegend und klopfte“, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist. Schon in diesen ersten Kapiteln schließt der Leser Bekanntschaft mit einer Vielzahl von Hinterwäldlern und ihren moralischen Grundsätzen.

Dann öffnet King das erste Tor zur Hölle: Der zwölfjährige Luke verfügt über ein fotografisches Gedächtnis und einen außerordentlich hohen IQ. Deshalb soll er als jüngster Student am legendären MIT (Massachusetts Institut of Technology) aufgenommen werden. Eines Nachts werden seine Eltern in einer Vorortsiedlung von Minneapolis von einem Sturmtrupp ermordet. Der betäubte Luke landet in einem Geheimreservat mitten in den Wäldern von Maine. Dort trifft er auf weitere Kinder mit paranormalen Fähigkeiten.

Paranormale Fähigkeiten

Das Cover des Buches

Seit mehr als 60 Jahren quälen die Mitarbeiter des ominösen Instituts – ehemalige Beamte einer Strafverfolgungsbehörde oder Soldaten – die Kinder mit widerlichen Torturen und töten sie schließlich. „Praktisch alle Neugeborenen wurden vom Institut registriert, beobachtet und irgendwann gekidnappt“. Um ihre paranormalen Fähigkeiten zu verstärken. Dahinter steht ein pervertiertes Denken: Mit ihren mentalen Fähigkeiten sollen sie Personen liquidieren, die der Welt in Zukunft angeblich gefährlich werden könnten. Luke ist das erste Kind, das einen Ausbruch wagt. Auf der Flucht begegnet er zufällig Tim. Womit King das nächste Tor zur Hölle öffnet und den Leser nicht mehr aus seinem Bann entlässt.

Mit diesem außergewöhnlichen Thriller erinnert der 72-jährige Autor an seinen ersten Bestseller „Carrie“ (1974) und die übersinnliche Fähigkeiten der Protagonistin. Einmal mehr erweist er sich dabei als begnadeter Geschichtenerzähler. Überdies übt King, der Donald Trump auf Twitter blockiert hat, scharfe Kritik am US-Präsidenten und dessen Klientel, das zumeist aus „bitterarmen ländlichen Gebieten“ stammt, „wo das nächste Krankenhaus vierzig bis fünfzig Meilen weit entfernt war und Obamacare für eine linksradikale Blasphemie gehalten wurde“. Misstrauen, Bespitzelungen und bis an die Zähne bewaffnete Bürger sind weitere brisante Themen.

Während der Roman unaufhaltsam auf ein grandioses Finale zusteuert, streut King poetische Momente in das von ihm entflammte Höllenfeuer: „Bücher enthielten magische Anrufungen, mit denen man ans Licht heben konnte, was dort verborgen war – alle großen Geheimnisse. Für Luke hatten diese Geheimnisse Bedeutung. Irgendwann in der Zukunft würde er vielleicht selbst Bücher schreiben“. Stattdessen schwingt er sich auf, die missbrauchten Kinder zu retten.

Stephen King legt mit „Das Institut“ ein Meisterwerk der Spannungsliteratur vor. Weshalb man dem deutschen Rockmusiker Thees Uhlmann applaudieren möchte, der dem König des Horror-Romans den Literaturnobelpreis wünscht. Warum denn nicht? Stephen King: „Das Institut“, deutsch von Bernhard Kleinschmidt, Heyne, 768 Seiten, 26 Euro. E-Book: 19,99 Euro.