Deborah Feldman wirft der Bundesrepublik Verrat vor„Das Wort Frieden ist in Deutschland ein Tabu“

Lesezeit 4 Minuten
Die Schriftstellerin Deborah Feldman sitzt bei einer Veranstaltung der Lit.Cologne auf der Bühne.

Die Schriftstellerin Deborah Feldman sitzt bei einer Veranstaltung der Lit.Cologne auf der Bühne.

Die Schriftstellerin Deborah Feldman („Unorthodox“) ist umstritten, auch bei der lit.Cologne in Köln äußerte sie scharfe Kritik an der deutschen Regierung und der jüdischen Community.

„Was bedeutet ‚Jüdischsein‘ heute?“, hatte die lit.Cologne die Veranstaltung mit Deborah Feldman am frühen Sonntagabend (10. März) überschrieben. Doch gerade zu Beginn ihres rund anderthalbstündigen Gesprächs mit Shelly Kupferberg im ausverkauften Klaus-von-Bismarck-Saal im WDR-Funkhaus wäre der bessere Titel gewesen: „Wer darf sich überhaupt jüdisch nennen?“

Feldman wuchs in der ultraorthodoxen chassidischen Satmar-Gemeinde im zu Brooklyn gehörenden Stadtteil Williamsburg, New York, auf. Diesem Umfeld entfloh sie und lebt seit zehn Jahren in Berlin. Über ihre Geschichte hat sie den Bestseller „Unorthodox“ geschrieben, der von Maria Schrader für Netflix verfilmt wurde. Feldman ist häufig zu Gast in deutschen Talkshows und kommt seit Erscheinen ihres neuen Buches „Judenfetisch“ auch in vielen anderen Medien ausführlich zu Wort. 

In Deutschland seien vielen Schlüsselpositionen der jüdischen Gemeinden mit Konvertiten besetzt - von denen einige noch nicht einmal wirklich konvertiert seien. Das sei ein großes Problem, da diese Stellen über viel Einfluss und Zugang zu staatlichen Mitteln verfügten. Es gebe so wenige echte Juden in Deutschland, dass man hier jeden nehme, der sich auf die Stelle bewerbe, heißt es in einer Passage ihres Buches, die sie las. In Berlin gebe es gar keine echten Juden.

Viel Gegenwind aus der jüdischen Community

Über sich selbst sagte sie hingegen: „Wenn irgendjemand hier deutsche Jüdin ist, bin ich es.“ Schließlich lasse sich die Geschichte ihrer Vorfahren in Deutschland über Jahrhunderte zurückverfolgen. Für Jüdinnen und Juden wie sie interessiere sich aber niemand. Eine gewagte These, wenn man bedenkt, wie präsent Feldman in der medialen Öffentlichkeit ist.

Es sind Aussagen wie diese, für die sie in der jüdischen Community von vielen scharf kritisiert wird. „Die Schriftstellerin Deborah Feldman und andere gießen Hohn und Spott über jüdische Menschen in Deutschland aus. Das zeugt von wenig Ahnung in Geschichte - und wenig Herz“, warf ihr Ronen Steinke vor wenigen Tagen in der „Süddeutschen“ vor. Die „Jüdische Allgemeine“ nannte sie kürzlich niederträchtig und bösartig.

Feldman sagte, ihr Buch sei der Versuch, kurzzeitig Performance-Künstlerin zu werden, um aufzuzeigen, wie absurd, lächerlich und unmenschlich diese Debatte, wer wem das Judentum abspreche, sei. Doch läuft eine solche Aussage nicht ins Leere, wenn man diese Debatte weiter anheizt und etwa jüdische Menschen aus Osteuropa, die in den 1990ern nach Deutschland kamen, pauschal angreift?

In Köln traf Feldman auf ein ihr sehr gewogenes Publikum, auch die ansonsten sehr souveräne Moderatorin Shelly Kupferberg hielt sich mit kritischen Nachfragen leider vollständig zurück. 

Feldman sieht in Deutschland eine „Massenhysterie“

In Deutschland werde der Antisemitismus-Vorwurf gezielt eingesetzt, um Kritik an der israelischen Regierung zu ersticken, sagte Feldman. Das sei eine perfide Verdrehung und Instrumentalisierung. „Ich habe schon früher darüber geredet, dass der Antisemitismus-Vorwurf immer leichter fällt, immer weniger begründet ist, immer schwieriger ist zu definieren.“ Sie habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, es herrsche eine „Massenhysterie“. Sogar Juden bezichtige man des Antisemitismus, wie sich etwa auf der Berlinale gezeigt habe.

Schon länger, aber vor allem nach dem Terror der Hamas am 7. Oktober und dem Krieg in Gaza, verstehe sie die Debattenkultur in Deutschland nicht mehr, sagte Feldman: „Das Wort Frieden ist in Deutschland ein Tabu.“ Es habe einen schlechten Ruf bekommen. Deutschland stelle sich mit seiner uneingeschränkten Unterstützung der israelischen Politik in den Weg eines Diskurses über Frieden.

„Ich habe das Gefühl, dass wir von dieser Regierung eigentlich verraten werden, von unserer deutschen Regierung“, sagte die 37-Jährige. Sie lebe in einem Land, in dem viele Menschen die richtigen Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen hätten, und trotzdem könne die Regierung sich hauptsächlich der rechtsnationalen israelischen Regierung und all ihren Interessenvertretern anschließen. „Wenn Deutschland eine besondere Verantwortung hat, dann ist es, alles dafür zu tun, dass Israel wirklich ein sicherer Staat für Juden ist. Und so wird er kein sicherer Staat.“ Auch dem Zentralrat der Juden in Deutschland warf sie vor, sich als Vertretung der Regierung Israels zu betrachten. 

Den Terror der Hamas verurteilte sie mit scharfen Worten, diese sei bereit, die gesamte Bevölkerung Gazas für ihre Ideologie zu opfern. Sie behauptete aber, nicht die Hamas stehe einem Friedensplan im Weg: „Man könnte um die Hamas leicht drum herumgehen.“ Durch attraktivere Optionen könne man ihr die Unterstützung entziehen. Es gebe auch konkrete Angebote von der jüngeren palästinensischen Generation. Wie genau dieses Umgehen der Hamas aussehen könnte, sagte sie allerdings leider nicht. 

KStA abonnieren