Deutscher Fernsehpreis in KölnDa hilft auch kein Feuerwerk

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Michael Bully Herbig steht auf der Bühne des Deutschen Fernsehpreises. Er trägt einen dunkelblauen Smoking und ein weißes Hemd und hält seinen Preis in die Höhe.

Nach vier Stunden Show konnte sich Michael Bully Herbig endlich über den Preis fürs Lebenswerk freuen.

Die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in den MMC-Studios in Ossendorf zog sich endlos in die Länge. Ein paar bewegende Momente gab es aber doch.

Er werde ihm jedes Getränk besorgen, das er sich wünsche, versprach Tim Mälzer am Donnerstagabend bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises Ehrenpreisträger Michael „Bully“ Herbig. Der wollte dann allerdings ziemlich bescheiden einfach nur ein stilles Wasser. Was durchaus verständlich war, denn nach mehr als vier Stunden Show wirkte der mit seinen 55 Jahren doch noch sehr junge Geehrte genauso ermattet und ausgetrocknet wie fast alle im Saal. Den meisten anderen stand nach der Marathonveranstaltung allerdings eher der Sinn nach Alkohol.

Herbig freute sich dennoch aufrichtig über die Anerkennung der Kollegen, die in endlos langen Einspielern und Reden auf der Bühne zum Ausdruck kam. Gutes Timing ist auch beim Fernsehen alles, doch vielleicht hatte Sat.1, in diesem Jahr Ausrichter der Party, alle Uhren versteckt, anders ist nicht zu erklären, wie man eine Show so unerträglich in die Länge ziehen kann. Weil man, wie schon im vergangenen Jahr, auf eine feste Moderation verzichtete, fehlte dem Abend Zusammenhalt. Jeder und jede werkelte so vor sich hin. 

Viele Preise für Streamingdienste

Seit Jahren ringt der Deutsche Fernsehpreis darum, Branche und Publikum gerecht zu werden. Mit mäßigem Erfolg. Nach diversen Experimenten, unter anderem mit einer Verleihung in Düsseldorf, zieht die TV-Karawane seit 2022 wieder in die MMC Studios in Ossendorf.

Gestiftet wird die Auszeichnung von den vier großen Sender ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben/Sat.1. Außerdem sind seit diesem Jahr Prime Video, Netflix und Disney+ Partner. Und die neuen Player rücken der etablierten Konkurrenz ganz schön auf die Pelle. So holte sich die Netflix-Serie „Kleo“ gleich zwei Auszeichnungen, einmal als „beste Drama-Serie“ und mit Hauptdarstellerin Jella Haase auch den Preis für die „beste Schauspielerin“.

„Bester Schauspieler“ wurde Philip Froissant, der in der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ Kaiser Franz Joseph verkörpert. „King of Stonks“, ebenfalls Netflix, überzeugte die Jury in der Kategorie „Beste Comedy-Serie“. „Beste Doku-Serie“ wurde Joko Winterscheidts „The World's Most Dangerous Show“ (Amazon Prime Video). „Wird hier das lineare Fernsehen beerdigt?“, fragte Koch Nelson Müller irgendwann scherzhaft. So manchem Senderverantwortlichen wird da dennoch das Lachen vergangenen sein. 

Insgesamt gingen sieben Auszeichnungen an das ZDF, sechs an Netflix, fünf an RTL Deutschland und jeweils vier an die ARD sowie an ProSiebenSat.1“. Zwei Preise gewannen Prime-Video-Produktionen und jeweils eine Ehrung erhielten Sky und Joyn.

Tom Kaulitz (l) und Bill Kaulitz freuten sich über die Auszeichnung für ihre Sendung „That's my Jam“ (RTL+/SEO Entertainment), die zur besten Unterhaltung Show gekürt wurde.

Tom Kaulitz (l) und Bill Kaulitz freuten sich über die Auszeichnung für ihre Sendung „That's my Jam“ (RTL+/SEO Entertainment), die zur besten Unterhaltung Show gekürt wurde.

Eine Preisverleihung unterhaltsam zu gestalten, ist eine undankbare Aufgabe. Der Rahmen ist schließlich gesetzt und vieles wiederholt sich. Aber der Versuch von Sat.1, mit Pathos für Stimmung zu sorgen, scheiterte grandios. Glamour entsteht eben nicht durch den inflationären Einsatz von Feuerwerk. Das bewies die Eröffnung mit Schauspieler Tom Beck, „Let‘s Dance“-Siegerin Anna Ermakova, der „The Voice Kids“-Gewinnerin Emma (25) und Nelson Müller eindrucksvoll, die eine grauenvolle deutsche Version von „Celebration“ zum Besten gaben.

Und wenn Giovanni Zarrella zur Melodie von „The Winner Takes It All“ im Bühnennebel von wahr gewordenen Träumen fabulierte und trällerte „Der Gewinner steht im Licht. Verlierer gibt's hier nicht“, dann war das vor allem unfreiwillig komisch. 

Die iranische Aktivistin Azam Jangravi sorgte für den bewegendsten Moment

Starke Momente gab es dennoch. Schauspielerin Anna Schudt, die den Preis für den besten Fernsehfilm entgegennahm, erinnerte daran, dass Fernsehen die Macht hat, die Menschen im Wohnzimmer direkt zu erreichen und ihnen vielleicht auch neue Perspektiven aufzuzeigen. In „Die Bürgermeisterin“ (ZDF) spielt sie eine Lokalpolitikerin, die angefeindet wird, weil sie sich für Geflüchtete einsetzt. 

Beste Information gewann „Sechs Monate Krieg gegen die Ukraine – tagesthemen live aus Kiew“ (ARD) aus dem August 2022. Arndt Ginzel wurde für die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg (ZDF) für die beste persönliche Leistung in der Information geehrt. Auch er und Caren Miosga betonten die Verantwortung der Fernsehschaffenden, den Blick auf die wichtigen Themen zu richten. 

Für die größten Emotionen sorgte dann aber eine Frau, die mit Fernsehen höchstens am Rande zu tun hat. Die iranische Aktivistin Azam Jangravi, die Teil der nominierten „15 Minuten“-Sendung von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gewesen war, erinnerte mit bewegenden Worten an die Proteste in ihrer Heimat. 

Schon am Vorabend waren in der Flora in einer Gala mit dem schönen Titel „Die Nacht der Kreativen“ die Gewerke geehrt worden, ohne die es Fernsehen zwar nicht gäbe, die aber dennoch offenbar niemand auf der Bühne einer großen Preisverleihung sehen will. Vielleicht war es den Gewinnern - darunter Nina Vukovic für die beste Regie Fiktion („Der Schatten“/ZDFneo) und Christoph Schauer und Max Filges für ihre Musik für „Höllgrund“ (ARD/SWR/Studio Zentral) - aber auch ganz recht. Man kennt das ja aus dem Privatleben. Oft sind die kleineren Feste in ausgewählter Runde viel netter als die großen Partys. Auf die Verleihung des Fernsehpreises trifft das auf jeden Fall zu. 

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