„Die Zeit"Katholisches Medienhaus Bonn verliert Auftrag für Beilage „Christ&Welt"

Ihm ist die Beilage „Christ und Welt“ ein Herzensanliegen: „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.
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Fast genau sechs Jahre ist es her, dass die deutschen Bischöfe beim „Rheinischen Merkur“ ausstiegen und das einstige Flaggschiff der katholischen Publizistik unter fremdes Kommando geriet.
Seither erscheint das sechsseitige Rumpf-Blatt „Christ&Welt“ in der Wochenzeitung „Die Zeit“ und kann von deren Abonnenten für kleines Geld als Supplement hinzugebucht werden. Noch wird diese Beilage im „Katholischen Medienhaus“ (KMH) in Bonn von einer Tochterfirma der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) erstellt.
Doch jetzt kappt der Hamburger „Zeit“-Verlag das letzte Verbindungs-Tau zur Kirche. Er kündigte Ende Mai den bestehenden Liefervertrag und will, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus sicherer Quelle erfuhr, „Christ&Welt“ bereits von Oktober an in Eigenregie von Berlin aus produzieren.
Uneinigkeit mit Vertragspartner
Als Grund, eine Klausel zur Sonderkündigung zu ziehen, gibt Zeit-Verlagsgeschäftsführer Rainer Esser Uneinigkeit mit der kirchlichen Vertragspartnerin, der „dreipunktdrei Mediengesellschaft“, über die Dotierung des bis 2017 geschlossenen Liefervertrags an.
Dessen Volumen („eines der am besten gehüteten Geheimnisse“) schätzen Insider auf etwa 800 000 Euro pro Jahr.Eine Absetzbewegung des „Zeit“-Verlags vom Bonner Medienhaus hatte sich schon vor Monaten angedeutet.
Patrik Schwarz, Geschäftsführender Redakteur bei der „Zeit“ und für „Christ&Welt“ als Herausgeber tätig, sprach im Dezember 2015 zur Verabschiedung der damaligen Redaktionsleiterin Christiane Florin, die zum Deutschlandfunk wechselte, von einer Offenheit der Hamburger „für andere Vorschläge“.
Dem Vernehmen nach gab es mindestens einen Anbieter aus der katholischen Medienlandschaft, der mit dem KMH um den „Christ&Welt“-Lieferauftrag konkurrierte. Schwarz sprach seinerzeit eine Quasi-Garantie für den Erhalt der „Zeit“-Beilage für die nächsten drei bis fünf Jahre aus, forderte aber zugleich ein deutliches Wachstum bei der Auflage, der Reichweite und dem Anzeigenaufkommen.
Ein Herzanliegen des Chefredakteurs
Die besten Erfolgschancen dafür sehen die Hamburger in dem Schritt, die Beilage unter ihr eigenes Dach zu holen und einer Verlagstochter anzuvertrauen. Ein Sparprogramm sei dies ausdrücklich nicht. Weder der Umfang der Beilage noch der Etat würden gekürzt, heißt es.
Für das Medienhaus und die publizistische Strategie der Deutschen Bischofskonferenz ist die Entscheidung ein harter Schlag. Die Kooperation mit der „Zeit“ im Fall von „Christ & Welt“ wurde bislang stets als Beleg dafür angeführt, dass kirchliche und säkulare Medienunternehmen auf Augenhöhe miteinander umgehen könnten.
In einer internen Information an die Mitarbeiter des Medienhauses zeigt sich Geschäftsführer Theo Mönch-Tegeder trotz seines Bedauerns über die Schließung der Redaktion nun erfreut darüber, dass „Christ & Welt“ ein „weiterer Schritt in die Zukunft“ gelinge.
Bei einem Abo-Aufpreis zur „Zeit“ von 0,40 Euro pro Ausgabe, einer (geschätzten) Auflage von 13000 bis 15000 Exemplaren und einer geringen Anzeigen-Belegung liegt es auf der Hand, dass „Christ&Welt“ – für sich genommen – ein Minusgeschäft ist.
Aus Verlagssicht aber erschließt die Beilage der „Zeit“ Abonnenten, die sie sonst nicht hätte. Und so wird „Christ&Welt“ dann doch zu einer Erfolgsgeschichte, die die Hamburger künftig allein schreiben wollen. Die Beilage gilt zudem als Herzensanliegen von „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der sich sehr für den abgespeckten Erhalt des „Rheinischen Merkur“ eingesetzt hatte.
Als das Traditionsblatt 2010 eingestellt wurde, kam Di Lorenzo persönlich nach Bonn und sprach von einem eigenen „Merkur-Spirit“, der nicht untergehen dürfe. Dazu stehe er bis heute. Tatsächlich ist es der Redaktion gelungen, „Christ & Welt“ mit Reportagen, Interviews und Meinungsbeiträgen als Tribüne kirchlicher Geschehnisse und Debatten-Plattform im Stil des Mutterblattes zu profilieren.
Der „Zeit“-Verlag, so ist aus Hamburg zu hören, wolle das fünfköpfige Team um Redaktionsleiter Raoul Löbbert weiterbeschäftigen, soweit sich die Mitarbeiter um Anschlussverträge bemüht hätten. Für die anderen ist Mönch-Tegeder nach eigenen Worten um „gute Lösungen“ bemüht. Die Stimmung im Medienhaus vor dem nahenden Ende wird mit Verweis auf das „Rosa-Elefanten-Phänomen“ aus der Psychologie beschrieben: „Wenn man nicht daran denken soll, denkt man an nichts anderes.“