DiskriminierungsrichtliniePresserat hält an Regelung fest

Nach den Vorfällen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof wurden die Richtlinien des Pressekodex in Frage gestellt.
Copyright: dpa
Köln – Die Ereignisse der Silvesternacht haben den Fokus auf eine Frage gerichtet, über die seither in Deutschland diskutiert wird: Sollen Medien in ihrer Berichterstattung Angaben zur Herkunft oder Religion von Straftätern machen? Damit beschäftigte sich am Mittwoch der Presserat in Berlin in einer nicht-öffentlichen Plenumsitzung.
Die Richtlinie 12.1 des Pressekodex gibt an, dass „ein begründeter Sachbezug“ zur Straftat bestehen muss, wenn Journalisten erwähnen, dass der Täter oder Verdächtige einer religiösen, ethischen oder anderen Minderheit angehört. Und an dieser Regelung will der Presserat auch künftig festhalten. Das Plenum sprach sich mit überwiegender Mehrheit für eine Beibehaltung der Richtlinie aus, wie der Geschäftsführer des Presserats, Lutz Tillmanns, sagte.
Wortlaut des Pressekodex
Im Pressekodex heißt es in der Richtlinie 12.1: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Kodex dient als Handlungsorientierung
Die Mitglieder des Plenums betonten, dass sich Journalisten bei der Berichterstattung über die Herkunft von Straftätern stets in einer anspruchsvollen Entscheidungssituation befänden. „Sie müssen im Einzelfall verantwortlich entscheiden, ob Informationen über die Herkunft von Straftätern von Gewicht sind, um den berichteten Vorgang verstehen oder einordnen zu können“, sagte Manfred Protze, Sprecher des Presserats. „Immer, wenn die Veröffentlichung einer Information die Gefahr diskriminierender Effekte enthält, ist besonders hohe Sensibilität gefordert.“ Den Vorwurf des Verschweigens und der Zensur weise der Presserat ausdrücklich zurück. „Wenn Redaktionen Informationen nicht veröffentlichen, weil ihre Bedeutung für das Verständnis gering, die Diskriminierungsgefahr aber hoch ist, handeln sie nicht unlauter, sondern verantwortungsbewusst“, so Protze.
Der Presserat sei nicht der Vormund von Journalisten und Medien, er gebe mit seinem Kodex lediglich Handlungsorientierungen. Die Eigenständigkeit der Entscheidung von Redaktionen werde damit nicht tangiert. „Es gibt kein Verbot, die Herkunft von Straftätern oder Tatverdächtigen zu nennen. Es gibt lediglich das Gebot, diese Herkunftsinformation zu unterlassen, wenn die Diskriminierungsgefahr höher zu veranschlagen ist als die Information zum Verständnis des berichteten Vorgangs beiträgt“, sagte Protze.
Eigenes Urteil in Redaktionen möglich
Zu der Sitzung des Presserats waren auch Wissenschaftler und Vertreter verschiedener Medien – darunter Uwe Vetterick, Chefredakteur der „Sächsischen Zeitung“ und Peter Pauls, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ – eingeladen worden. Pauls sagte, es sei eine sehr sachliche und offene Diskussion gewesen. „Die Richtlinie gibt den Redaktionen ja durchaus die Möglichkeit, zu einem eigenen Urteil zu kommen. So machen wir das in der Flüchtlingskrise dann auch immer wieder.“
Der Deutsche Presserat ist das Selbstkontrollorgan der Presse. Dem Verein gehören der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in Verdi sowie der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger an. Im Rahmen der Sitzung wurde Hermann Neusser, Herausgeber des Bonner „General-Anzeiger“, unter dem Beifall der Versammlung verabschiedet. Dem scheidenden Mitglied des Beschwerdeausschusses II wurde für seine Verdienste gedankt.