Documenta fifteenMisstraut die Politik den Kuratoren beim Thema Antisemitismus?

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Werbung für die Documenta in Kassel

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Köln – Seit die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Documenta in der Welt sind, kommt die Kulturpolitik in Kassel und Berlin nicht mehr zur Ruhe. Am Sonntag wies Christian Geselle, als Kasseler Oberbürgermeister zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der örtlichen Weltkunstausstellung, die Kritik zurück, am Montag befasste sich auf Anregung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth ein außerplanmäßiger Krisenstab mit den in einem Blog aufgestellten und von der „Zeit“ aufgegriffenen Anschuldigungen. Ergebnisse der Beratungen zwischen den verschiedenen Documenta-Trägern wurden nicht bekannt. Hessens Kulturministerin Angela Dorn versicherte lediglich, die Kunstfreiheit sei ein hohes Gut und alle Beteiligten zögen am selben Strang.

Die Kasseler Documenta ist eine kulturelle Weltmarke

Diese Betriebsamkeit ist einerseits mehr als verständlich, denn schließlich geht es um massive Anwürfe gegen eine der Weltmarken des deutschen Kulturbetriebs. Da will sich kein Politiker nachsagen lassen, er sei den Dingen nicht auf den Grund gegangen. Andererseits sind die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die künstlerische Documenta-Leitung, das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa, und die von ihnen eingeladene palästinensische Künstlergruppe The Question of Funding, bislang derart vage, dass die politische Hektik einer Misstrauensbekundung gegen die Ruangrupa-Documenta gleichzukommen scheint.

Im namentlich nicht gekennzeichneten Blog-Eintrag des Kasseler Bündnisses gegen Antisemitismus heißt es, The Question of Funding wäre mit einem Kulturzentrum verbandelt, das den Namen eines 1953 verstorbenen Hitler-Sympathisanten trägt. Außerdem wird einigen Documenta-Mitarbeitern eine Nähe zur umstrittenen BDS-Kampagne nachgesagt, die Israel durch Boykotte zur Änderung seiner Politik gegen die Palästinenser zwingen will. Stichhaltige Belege für eine antisemitische Gesinnung liefert der Blog in allen Fällen nicht.

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Warum also der Krisenmodus? Man kommt nicht umhin zu spekulieren, ob die Politik mehr weiß, als sie sagt, oder ob sie eher besorgt darüber ist, dass sie so wenig über die im Juni beginnende 15. Ausgabe der Documenta weiß? Bislang stehen 14 Kollektive sowie 54 Künstler als Teilnehmer fest, die allerwenigsten davon sind hierzulande näher bekannt. Genau deshalb wurde Ruangrupa als Documenta-Leitung bestellt: Sie sollten Künstler, Kulturen und Nationen nach Kassel holen, die aus westlicher Perspektive bislang übersehen wurden. Jetzt macht sich möglicherweise die klamme Befürchtung breit, dass es dabei auch böse Überraschungen geben könnte. Etwa mit Künstlern, deren Sichtweise auf Israel in Deutschland nur schwer zu akzeptieren wäre.

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