Am Montag wird er 85Wie Dustin Hoffman zum Held einer ganzen Generation wurde

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Dustin Hoffman (mit Anne Bancroft) in Die Reifeprüfung

Köln – Seinen letzten großen Auftritt hatte Dustin Hoffman vor fünf Jahren als Harold Meyerowitz, einem in Erfolglosigkeit ergrauten Künstler, dessen Starallüren bereits genügen würden, jeden, der von ihm nicht loskommt, um den Verstand zu bringen. Aber Meyerowitz hat sich die Hassliebe seiner drei erwachsenen Kinder auch sonst redlich verdient: indem er sie ein Leben lang wahlweise gegeneinander ausspielte oder ignorierte.

Hoffman verlieh diesem hoffnungslosen Fall geradezu sympathische Züge, er machte einen Schlafwandler aus ihm, der eben nicht anders kann. Manchmal glaubt man diesen Meyerowitz dabei zu ertappen, wie er die absolute Macht in seinem kleinen Reich heimlich genießt; dann huscht ein verlegenes Lächeln über sein Gesicht. Aber letztlich lebt er wohl nur in seiner eigenen Welt.

Dustin Hoffman hat die Gabe, sich in der Welt seiner Figuren zu verlieren

Vermutlich ist es einigen Hollywood-Regisseuren nicht viel anders mit Dustin Hoffman ergangen als seinen Filmkindern in den „Meyerowitz Stories“. Auch Hoffman hatte die Gabe, sich in seiner eigenen Welt, der Welt seiner Figuren, zu verlieren (es war seine „Methode“) und die Sorgen und Wünsche seiner Umwelt geflissentlich zu ignorieren. Er triezte Meryl Streep im echten Leben, weil seine Rolle im Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“ es verlangte, und mit John Schlesinger soll er beim „Marathon Mann“ eine geschlagene Stunde darüber gestritten haben, ob seine Figur eine Taschenlampe im Nachttisch liegen haben würde oder nicht. Wahrhaftigkeit und die Suche danach waren Hoffman heilig. Ihnen opferte er sein Talent – und die Nerven seiner Mitmenschen.

Hoffman fühlte sich wohl auch deswegen seinen Figuren verpflichtet, weil er den vielen Verlorenen, Gefallenen und Gescheiterten unter ihnen die Würde eines Hollywood-Stars verleihen konnte. Er spielte einen tragischen Kleinganoven in „Asphalt Cowboy“, einen schwindsüchtigen Gefangenen in „Papillon“ und den todgeweihten Willy Loman in Volker Schlöndorffs Verfilmung von Arthur Millers großem amerikanischen Verliererdrama „Tod eines Handlungsreisenden“. Seine Filmografie kennt so wenige klassische Heldenrollen, dass er im Watergate-Film „Die Unbestechlichen“ neben Robert Redford beinahe fehlbesetzt erscheint.

Als Graduate wurde Hoffman zum Held einer ganzen Generation

Sein Kinodebüt erlebte Hoffman erst als 30-Jähriger, aber es machte ihn sofort zum Helden einer ganzen Generation. In „Die Reifeprüfung“ kehrt er aus dem College in die Cartoon-Welt seiner Eltern heim, ein großes Kind ohne Ziel und Antrieb, gelähmt von der Aussicht auf ein Leben, wie es die Erwachsenen führen. Hoffman lässt seinen „Graduate“ treiben, erst ins Bett von Anne Bancroft, dann in die Arme ihrer Tochter. Selbst seine Flucht mit der geraubten Braut führt nirgendwo hin. Aber alles war besser, als das, was er hinter sich ließ.

Dustin Hoffman gestand seinen Figuren zu, schwach, zuweilen sogar hilflos zu sein, er lieferte sie den Stürmen des Schicksals aus, um sie, verwundet, aber am Leben, daraus zu retten – das jüdische Erbe darin lässt sich in „Marathon Mann“ erahnen, einem Film, in dem der naive Antiheld aus dem Folterkeller eines gealterten NS-Kriegsverbrechers entkommt.

Seinen eigenen Halt fand Hoffman in endlosen Improvisationen und einem Hang zum Perfektionismus; seine Rolle in der Travestiekomödie „Tootsie“ ist im Grunde eine Selbstparodie. Für die Darstellung eines Autisten in „Rain Man“ erhielt er 1989 seinen zweiten Oscar (nach seinem alleinerziehenden Vater in „Kramer gegen Kramer“), danach wurden die künstlerischen und kommerziellen Erfolge seltener.

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Aus dem Leading Man, der Hoffman eigentlich nie war, wurde ein Charakterdarsteller, ein Star für anspruchsvolle Nebenrollen. In „Wag the Dog“ brillierte er als Hollywood-Produzent, der für die US-Regierung einen erfundenen Krieg fürs Fernsehen inszeniert und es nicht ertragen kann, dass andere den Ruhm dafür einstreichen; in „Barney’s Version“ gab er eine „typische“, mit grimmigem Humor ausgespielte jüdische Vaterfigur.

Zuletzt kam Hoffman im Zuge der MeToo-Debatte zurück in die Schlagzeilen, als mehrere Frauen aussagten, er habe sie vor Jahren sexuell belästigt. Hoffman gestand lediglich einen Fall minderen Fehlverhaltens ein und sagte, was er damals getan habe, zeige nicht sein wahres Selbst. An diesem Punkt stößt die Methode des Schauspielstars, sich in einen anderen zu verwandeln, allerdings an die Grenze realen Machtmissbrauchs.

Am Montag wird Dustin Hoffman 85 Jahre alt.

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