Porträt zum 75. GeburtstagWas Elke Heidenreich empfiehlt, wird gelesen

Elke Heidenreich 2017 im lit.Cologne-Shuttle. Auch dieses Jahr unterstützt sie das Literaturfestival.
Copyright: Thilo Schmuelgen
Köln – Es gibt viele Beschäftigungen, die passen ganz wunderbar ins Fernsehen. Kochen zum Beispiel, was ja eigentlich erstaunlich ist, weil Riechen und Schmecken vor dem Bildschirm nicht möglich sind. Aber Schneiden und Rühren und Brutzeln sorgen einfach für schöne Bilder und gute Einschaltquoten.
Lesen und Fernsehen sind hingegen keine natürlichen Freunde. Wer liest, hält ein Buch - oder seit ein paar Jahren einen E-Book-Reader in der Hand - und blättert alle paar Minuten um. Mehr passiert nicht. Für Fernsehmacher ist das ein Albtraum. Sendungen übers Lesen tun sich deshalb schwer im Fernsehen.
Heidenreich als „machtvolle Literaturkritikerin“
Ein paar Formate gibt es dennoch. "Druckfrisch" mit Denis Scheck oder die Neuauflage des literarischen Quartetts. Doch keine Literatursendung hatte in Deutschland jemals einen solchen Einfluss wie "Lesen!", Elke Heidenreichs ZDF-Sendung, in der sie von 2003 bis 2008 Neuerscheinungen vorstellte. Und den Imperativ im Titel der Sendung nahmen die Zuschauer durchaus wörtlich. Was Heidenreich empfahl, verkaufte sich hinterher meist prächtig.
Auch deshalb sagte der frühere "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher einmal über sie: "Vor Elke Heidenreich hat es niemals eine so machtvolle Literaturkritikerin gegeben, auch nicht im 20. Jahrhundert."
Heidenreich transportiert Begeisterung
An diesem Donnerstag wird Heidenreich, die seit vielen Jahren in Köln lebt, 75 Jahre alt. Und auch wenn ihre Literatursendung nach einem öffentlich ausgetragenen Streit mit dem ZDF nach nur fünf Jahren abgesetzt wurde, die Liebe zum Lesen und zur Vermittlung von Literatur hat sie sich bewahrt.
Es war immer ihre Fähigkeit, Begeisterung zu transportieren, nah bei den Lesern zu sein, die sie populär machten. Obwohl sie unter anderem auch Germanistik studiert hat, sieht sie sich nicht als Literaturkritikerin, denn viele Kritiker zerstörten mit ihren Analysen die Leselust. Sie habe immer vier Bücherstapel in ihrer Wohnung; "Ja, Nein, Vielleicht und Nötigungen", erzählte sie 2005 bei der lit.Cologne. Nötigungen seien die Bücher, bei denen es heiße: "Das müssen sie lesen." Ihre Antwort sei da eindeutig: Sie müsse überhaupt nichts.
Wenig Auftritte im deutschen Fernsehen
In der Sendung "Literaturclub" beim Schweizer Sender SRF spricht sie weiterhin als feste Kritikerin über Neuerscheinungen. Im deutschen Fernsehen hat sie sich hingegen rar gemacht. Sie veröffentlicht aber weiterhin Bücher, die viel darüber erzählen, warum dieser Lebensweg für das Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet vielleicht vorgezeichnet war.
Heidenreich hatte keine leichte Kindheit

Elke Heidenreich 2017 im lit.Cologne-Shuttle. Auch dieses Jahr unterstützt sie das Literaturfestival.
Copyright: Thilo Schmuelgen
Die Kindheit war schwierig. Ihre Eltern lebten getrennt. Die Mutter hatte nicht viel Zeit für die Tochter, weil sie Geld verdienen musste. Sie nähte rote Samtvorhänge für die Kinos und Theater, die nach dem Krieg wieder öffneten. Ihr Vater war Automechaniker und reparierte die ersten Luxuswagen des Wirtschaftswunders. Die Mutter warf immer alles weg, auch das Spielzeug und die Bücher der halbwüchsigen Tochter. Die wurde zur Sammlerin, wie sie in der Kurzgeschichtensammlung "Alles kein Zufall", die 2016 erschien, erzählte. Die Verletzung der frühen Jahre spricht deutlich aus manchen Stücken.
Ihre Rettung waren Bücher. Die Lehrerin sagte: "Alles häkelt, Elke liest!" Mit gerade einmal 15 Jahren kam sie als Pflegekind zu einer evangelischen Pfarrerfamilie nach Bonn und konnte Abitur machen. Danach studierte sie Germanistik, Theatergeschichte und Religionswissenschaft und arbeitete als Journalistin.
Rolle der Else Stratmann machte sie bekannt
Der Durchbruch kam Anfang der 80er Jahre mit der Moderation der Talkshow "Kölner Treff", vor allem aber mit der Rolle als Metzgergattin Else Stratmann aus Wanne-Eickel. 1992 erschien ihr literarisches Debüt, die Erzählsammlung "Kolonien der Liebe". Vergangenes Jahr veröffentlichte sie eine Sammlung der besten Kolumnen, die sie für die Frauenzeitschrift "Brigitte" geschrieben hat.
Die Liebe zur Literatur - und zur Oper, sie schrieb einige Libretti für Opernstücke - bestimmt also immer noch ihr Leben. Dabei war ihre Maxime stets so einfach wie zupackend, wie sie einmal im "Tagesspiegel" schrieb: "Ein Buch muss fesseln, alles andere zählt nicht."
lit.Cologne-Auftritt
Auch bei der lit.Cologne ist Elke Heidenreich regelmäßig zu Gast, so auch in diesem Jahr. "Alles fließt" heißt ihre Lesung am 9. März auf dem Literaturschiff. Dafür hat sie sich auf den Weg gemacht und den Rhein zu Fuß, per Schiff und mit dem Auto erkundet, von den Quellen bis zu den Mündungen.