Mit seiner hausmusikalischen Version richtete das Hamburger „Ensemble Resonanz“ Bachs „Weihnachtsoratorium“ ordentlich zu.
Ensemble Resonanz mit WeihnachtsoratoriumBach ist einfach nicht totzukriegen

Das Hamburger „Ensemble Resonanz“ gastierte in der Kölner Philharmonie
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Bei „Was will der Höllen Schrecken nun“ probt Michael Petermann an den Keyboards regelrecht den Aufstand – da scheint nicht weniger als ein Unterwasservulkan zu explodieren. Der Sound ist eindrucksvoll genug, keine Frage. Aber was hat er mit dem Weihnachtsoratorium zu tun, wo besagte Stelle kurz vor dem sieghaften Schlusschor (der sechsten Kantate) intoniert wird? Nun, das illustre Hamburger „Ensemble Resonanz“ tourt seit Jahren mit einer zur „urbanen Kammermusik“ abgespeckten „hausmusikalischen“ Version des Bach'schen Meisterwerks, die eben auch Keyboards zum Einsatz bringt, durch die vorweihnachtlichen Konzertsäle. Soeben war die Kölner Philharmonie dran.
Hausmusik meint in diesem Fall auch die Platzierung in einem angedeuteten deutschen Wohnzimmer der 50er Jahre mit Vintage-Sesseln und Lampen. Auch die Keyboards sind Vintage. Meistenteils spielt Petermann auf ihnen brav Generalbass – dass der Sound verfremdet ist, hört man natürlich –, aber hin und wieder stellen sich auch, etwa mithilfe von Glissandi, Jazz-Anmutungen ein. Und zuweilen rastet er halt auch aus – beispielsweise mit falschen Harmonien ausgerechnet auf den Schlussakkorden.
Alles Fake?
Irgendwie ist das alles Fake: Man spielt diese „Hausmusik“ nicht zu Hause, sondern vor großem Haus. Und weil die Musiker unter ihrer Konzertmeisterin Juditha Haeberlin (sie steuert auch einige moderierende Einlassungen bei) allesamt ausgefuchste Profis sind, klingen sie, genauso wie die attachierten Vokalsolisten, eklatant besser als „Hausmusiker“ – oder das, was man sich gemeinhin unter ihnen vorstellt. Das Publikum stört sich nicht an all dem, das Ensemble Resonanz fuhr mit seiner Bach-Zurichtung auch in Köln jetzt wieder einen satten Erfolg ein.
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Zeugt es von verkrampfter Humorlosigkeit, wenn man trotzdem – und erst recht nach wiederholtem Besuch der Veranstaltung – deren Sinn und Zweck oder gar künstlerisch erkenntnisträchtigen Mehrwert befragt? Diesbezüglich stellen sich leider Zweifel ein. Hinsichtlich einer produktiven Jazz-Adaption bleibt die Resonanz-Version auf halber Strecke stehen, während die Veränderungen auf der anderen Seite tiefgreifend genug sind, um den Werkcharakter nachhaltig zu schädigen. Die sechs Kantaten sind zulasten der Chöre, aber auch sonst eingedampft, sodass nicht nur der Bibelbericht zerrissen wird, sondern vor allem die wunderbaren Formsymmetrien der Komposition spektakulär zusammenbrechen.
Spektakulärer Zusammenbruch
Hinzu kommt der abgespeckte Ornat – nix da mit Flöten, Oboen und Hörnern, die doch für den Gesamtklang und die instrumentale Symbolik alles andere als unwichtig sind. Überlebt hat eine erste Trompete (Nicolas Isabelle), hinzukommen acht Streicher und, abweichend vom Original, Johannes Öllingers Gitarren und eben die Keyboards. Sicher, die sonore Qualität der solistischen Geigen in einigen von Haus aus kammermusikalisch angelegten Arien konnte erfreuen, und viele Details der Partitur, etwa der Stimmführungen, waren einfach besser zu hören als in vielen herkömmlichen Aufführungen des Originals. Die Vokalsolisten (Hanna Herfurtner, Marian Dijkhuizen, Mirko Ludwig, Simon Schnorr), die mit den Spielern zusammen auch den Chor für die Choräle formierten, überzeugten meistenteils, aber nicht durchweg – zumal der Bassist missfiel durch Übersteuerung und Intonationsmängel.
Manches geriet auch anrührend – etwa der Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“ dank der völligen Zurücknahme. Und allemal vermag selbst so ein Projekt einen schönen adventlichen Trost zu vermitteln: Bach ist einfach nicht totzukriegen, die Genialität seiner Musik leuchtet beharrlich auch auf den Pfaden der rezeptiven Verirrung.
