Neue „Fallout“-Serie von AmazonDie postnukleare Welt wird ein Spektakel

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Lucy trägt einen blauen Overall mit gelben Akzenten. Sie lehnt sich im zerstörten inneren eines verwitterten Hauses mit der Hand an eine Wand.

Ella Purnell (Lucy) in Amazons „Fallout“-Serie

Am 11. April startet Amazons Serie zur Spielreihe „Fallout“. Der Sci-Fi Western dürfte Fans begeistern.

In jeder Pfütze schlägt der Geigerzähler an, die Großstädte gleichen Ruinen und Kronkorken sind die neue Währung. Die Welt nach dem Atomkrieg ist ein großes Westernspektakel – so zumindest in der Videospielreihe „Fallout“ des Entwicklerstudios Bethesda.

Nun hat Amazon aus dem Computer-Rollenspiel eine Serie gemacht, die ab dem 11. April zu sehen ist. Regie und Drehbuch stammen von Jonathan Nolan, der als Autor schon für ein paar filmische Meilensteine seines Bruders mitverantwortlich war („Prestige“, „The Dark Knight“, „Interstellar“). Ebenfalls als Drehbuchautorin an Bord ist seine Partnerin Lisa Joy, die Regisseurin, Autorin und Produzentin des Science-Fiction-Western „Westworld“. Ein passenderes Team für die Adaption ist schwer vorstellbar, und auch die Wahl der Schauspieler erscheint schlüssig. Ella Purnell hat mit „Arcane“ bereits Erfahrung mit Videospieladaptionen gesammelt, mit dabei sind außerdem Walton Goggins („Django Unchained“) und Kyle MacLachlan, der sich schon lange vor Timothy Chalamet als Paul Atreides versuchen durfte („Dune“, 1984).

Darum geht es in Amazons „Fallout“-Serie

Doch worum geht es in „Fallout“? In sogenannten Vaults hat eine Parallelgesellschaft unberührt von der Apokalypse ein Leben unter Tage konserviert, das trotz einiger futuristischer Technologien an die USA der 1950er erinnert. Eine Vault-Bewohnerin, Lucy (Ella Purnell), geht jedoch an die Oberfläche und entdeckt dort die überlebende Gesellschaft in den Ruinen von Los Angeles. In einer Welt, in der als einziges Ordnungsprinzip das Recht des Stärkeren gilt, versucht sie sich ihre Menschlichkeit zu bewahren. 

Der Zug ist für eine andere Figur längst abgefahren: Der Ghul (Walton Goggins) könnte direkt aus einem Western stammen, wenn die Strahlenschäden ihn nicht zum Beinahe-Zombie gemacht hätten. Und dann ist da noch Maximus (Aaron Moten), der in der „Brotherhood of Steel“ dient. Mit modernen Waffen und Power-Rüstungen sind die Mitglieder der Bruderschaft bestens angepasst für die Postapokalypse, wo neben rudimentär aufgebauten Dörfer auch Plünderer und mutierte Kakerlaken warten.

Postnukleare Welt zwischen Cowboyhut und mutierten Kakerlaken

Also Cowboyhut und Revolver auf der einen Seite, Roboter und Mutanten auf der anderen. Der Engtanz von Western und Dystopie ist skurril, aber ästhetisch schlüssig. Röhrenfernseher und Vintage-Werbeplakate für „Nuka Cola“ erzählen stets die Geschichten des alten Amerika mit, während Lieder wie „I Don't Want to Set the World on Fire“ (The Ink Spots) die nostalgische Stimmung der Games reproduzieren. Selbst Geigerzähler klingen hier wie das Kratzen einer Nadel auf Vinyl. Zu diesem Sound zeigen Gewaltexzesse und zerstörte Landschaften die innere Verödung des Menschen mit einem sarkastischen Augenzwinkern.

Doch wie gelungen ist die Umsetzung? „The Last of Us“ und der Super Mario Film haben bereits bewiesen, dass Videospieladaptionen erfolgreich sein können. Fallout hat aber als satirischer Kalter-Krieg-Fiebertraum ganz andere Hürden zu überwinden, um als Live-Action Format nicht albern zu wirken. Noch dazu gehört Fallout zu einem Videospiel-Genre, in dem Spieler ihre Rolle mitgestalten, moralische Entscheidungen miteinander abwägen und sich in einem bestimmten Rahmen ihr eigenes Schicksal schaffen können, samt alternativer Enden. Je nach Fähigkeiten und Intelligenzwert eröffnen sich dem Spielenden ganz unterschiedliche Möglichkeiten. 

Das Spiel von Bethesda zehrt von einem bestimmten Lebensgefühl

Auch wenn die Serie dieses Erlebnis nicht reproduzieren kann, besinnt sie sich auf den Kern dieser Erfahrung: Die Figuren müssen sich verschiedenen Fraktionen gegenüber positionieren, sich für oder gegen Vertrauen entscheiden, müssen zwischen Prinzipien und Pragmatismus abwägen. Die Welten, die hier aufeinandertreffen, dürften Spielerlebnisse zwischen Westernheld, Gutmensch und Massenmörder gut einfangen. Visuell ist die Serie auch überraschend stimmig. Die eine oder andere Kreatur passt definitiv besser in ein Game, aber insgesamt übersetzt das überragende Setdesign die Spielästhetik wunderbar ins Serienformat. 

Was den Plot angeht, braucht die Serie einen gewissen Anlauf, dann punktet sie aber mit starken Mystery-Elementen. Hier wird Moises Arias („Hannah Montana“) zum heimlichen Star der Serie, der als Lucys Bruder Norm den Geheimnissen der Vaults auf den Grund geht. Trotzdem dürfte die Amazon-Serie dem einen oder anderen zu überzeichnet sein. Etwas mehr Subtilität hätte durchaus gutgetan - aber dann wäre es wiederum nicht Fallout. Fans der Spiele und diejenigen, die mit deren Humor und brachialer Action etwas anfangen können, dürften Gefallen an der treuen Umsetzung finden. Denn letzten Endes atmet die Serie das postkatastrophische Lebensgefühl, das die Spielreihe seit 1997 erfolgreich macht. 

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