Wolfram Weimer will die Filmförderung neu aufstellen. Aus NRW kommt Widerstand gegen seinen Plan, Streamingdienste nicht zu Abgaben zu verpflichten.
Filmstandort NRW in GefahrKölner Produzenten kritisieren Reformpläne scharf

Dreharbeiten für die Serie „Parallel Me“ der Kölner Produktionsfirma Gaumont
Copyright: Krzysztof Wiktor/Paramount+
Eine neue Serie verspricht das Filmplakat, ihr Titel lautet: „Gebrochene Versprechen“, und die drei Hauptdarsteller heißen Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Wolfram Weimer. Ziemlich mafiös wirkt das Trio, mit dem Kanzler und dem Finanzminister im Zwielicht. Auch wenn er zerknittert dreinschaut, sticht allein Kulturstaatsminister Weimer im Vordergrund ein wenig hervor. Schließlich ist er es, den der Zorn der Produzentenallianz am heftigsten trifft, nicht zuletzt mit ihrem satirischen Plakat, mit dem sie als einer der wichtigsten Verbände der deutschen Filmwirtschaft ihren Unmut über Weimers Reform der Filmförderung zum Ausdruck bringt.
Auch in Nordrhein-Westfalen und dort vor allem am Medienstandort Köln darbt die Branche. Ein wegbrechender Werbemarkt führte jüngst dazu, dass RTL bekanntgab, Hunderte Stellen streichen zu müssen. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sorgt die Unsicherheit in der Beitragsfrage zur Zurückhaltung bei Investitionen; vor allem aber sind es die Streaminggiganten aus den USA wie Netflix und Amazon, die dem gewohnten Geschäft das Wasser abgraben. Und genau hier liegt der Knackpunkt, an dem die Produzenten Kulturstaatsminister Weimer „Gebrochene Versprechen“ vorwerfen.
Sobald sich politisch der Wind dreht, wird eine Selbstverpflichtung Schall und Rauch sein – Das lässt sich nicht kontrollieren
Die Streamer sollen zu einer Investitionsabgabe gebracht werden. Wer in Deutschland viel Geld verdient, muss der hiesigen Filmwirtschaft etwas zurückgeben, so will es auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD, der dies sogar per Gesetz erzwingen will. Doch davon bleibt in den Reformplänen des parteilosen Weimer nur noch eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ der Streamer übrig, von der sich der Kulturstaatsminister eine Investition der Dienste „von mindestens 1,83 Milliarden Euro“ für die kommenden fünf Jahre verspricht. Dagegen laufen die Produzenten Sturm. „Es muss unbedingt ein Gesetz her!“, sagt die Geschäftsführerin der Kölner Traditionsfirma Gaumont, Sabine de Mardt. „Erst dann gibt es eine automatisierte Regelung, die nicht aufgeweicht werden kann. Sobald sich politisch der Wind dreht, wird eine Selbstverpflichtung Schall und Rauch sein – Das lässt sich nicht kontrollieren.“ Ein Gesetz, das die Streamer zu Investitionen zwischen zehn und 15 Prozent der in Deutschland erzielten Umsätze pro Jahr verpflichte, spüle zudem mehr Geld in die Kassen.
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Der Rückgang der Unternehmensgewinne hat ein Niveau erreicht, das eine nachhaltige Entwicklung der Branche kaum noch möglich erscheinen lässt. Zu diesem Ergebnis kommt die diesjährige Herbstumfrage der Produktionsallianz. Das gilt besonders für das Fiction-Segment: Ein Drittel der Unternehmen macht demnach derzeit Verluste. Ein weiteres Drittel liegt im Bereich von prekären Gewinnmargen zwischen Null und 2,5 Prozent. Wer heute in Deutschland noch Filme produziere, so formuliert es die Geschäftsführerin der Allianz, Michelle Müntefering, müsse entweder äußerst idealistisch sein oder verrückt.

Protestplakat der Produktionsallianz
Copyright: Produktionsallianz
Letzteres ist Stefan Oelze ganz sicher nicht. Oelze ist Vorstand der Rosebank-Gruppe in Köln mit der Produktionsfirma Bantry Bay, die fiktionale Formate wie „Soko Potsdam“ (ZDF) erstellt. Nüchtern zählt Oelze die Ursachen für die Krise auf: „Die Hauptgründe dafür sind steigende Produktionskosten, verursacht auch durch höhere Energiepreise und durch Tarifabschlüsse. Damit geht einher, dass der Werbemarkt sehr unter Druck steht und sich umverteilt – vieles geht ins Internet, und auch die Streamer verkaufen mittlerweile Werbezeit.“
Oelze fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit. Während andere europäische Länder offensive Modelle für die Steuerersparnis der Produzenten aufgelegt haben, scheitert auch dies in Deutschland an Kulturstaatsminister Weimer. Sein Argument: Eine derartige Regelung lasse der Finanzminister nicht zu. Dabei erkennt Produzent Oelze klare gesamtgesellschaftliche Effekte an den Produktionsstätten – „zum Teil holt man bis zu 35 bis 40 Prozent dessen, was man lokal ausgibt, wieder zurück, weil Länder wie Tschechien oder auch Ungarn einen hohen Hebelsatz bei den entstehenden regionalen Effekten sehen: Beschäftigung, Tourismus, Hotelgewerbe, Gastronomie und so weiter.“
Auch Rafaela Wilde, Justiziarin des Film- und Medienverbands NRW, betont die wirtschaftliche Bedeutung der Film- und Fernsehwirtschaft mit der Medienhauptstadt Köln für NRW. „Mit rund einer Milliarde Euro Umsatz ist die Filmwirtschaft ein bedeutender ökonomischer Faktor der Stadt. Daran hängen tausende Arbeitsplätze. Wenn ein Film produziert wird, profitieren neben den vielen Filmgewerken wie Maskenbildner, Kostüm, Maske, Kamera, Licht, Ton ja viele andere Wirtschaftszweige wie Hotellerie, Catering, Security, Versicherungen und auch Banken.“
„Investitionen sind eine Luftnummer“
Es gelte nun, die entscheidenden Weichen zu stellen. „Die Filmreform wie sie im Koalitionsvertrag steht, ist das richtige Mittel“, kritisiert Wilde den Reformansatz Weimers, der zwar die staatliche Filmförderung auf 250 Millionen Euro pro Jahr erhöht, aber eben auf Steueranreize und ein auf die Streamingdienste zugeschnittenes Gesetz verzichtet.
„Dass sich Kulturstaatsminister Weimer nur wenige Monate nach Amtsantritt von diesen Zielen verabschiedet, ist fatal“, sagt der Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann (Grüne) und Vorsitzende des Medienausschusses. „Die jüngst angekündigten Investitionen in den Filmstandort Deutschland sind eine Luftnummer.“ Ein Großteil der genannten Summen seien längst geplant und würden kaum zusätzliche Produktionen auslösen. Die vorgeschlagenen freiwilligen Selbstverpflichtungen der Streamingdienste schafften keinerlei Verbindlichkeit, schimpft Lehmann.
In diesem Punkt zieht der nächste Koalitionsstreit herauf, denn die SPD beharrt auf dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Gesetz und weiß sich damit in Übereinstimmung nicht allein mit der Produktionsallianz, sondern auch mit der Gewerkschaft Verdi. Der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminiski (CDU) hingegen kann Weimers Strategie einiges abgewinnen: „Meine Position war immer, dass eine gesetzliche Regelung nur das letzte Mittel der Wahl sein sollte. Insofern begrüße ich das Engagement von Staatsminister Weimer, schnell umsetzbare Vereinbarungen mit der Branche zu treffen.“ Zugleich schließt Liminski für NRW steuerliche Anreizmodelle nicht aus, sofern ausgeschlossen sei, dass diese zu mehr Bürokratie führten.
Film ist ein teures Geschäft, das Hollywood auf einem riesigen heimischen sowie dem internationalen Markt betreiben kann. In Europa, in Deutschland ist dieser Markt ungleich kleinteiliger, allein schon durch die Sprachbarriere. Hier schafft es kaum ein einheimischer Film ohne staatliche Förderung ins Kino, wobei das Geld sowohl vom Bund als auch von Länderförderungen wie der Film- und Medienstiftung NRW in Köln kommt.
Deren Geschäftsführer Walid Nakschbandi kommentiert die Signale aus Berlin so: „Eine freiwillige Selbstverpflichtung ist ein wichtiges Signal, aber sie wird nicht ausreichen, um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Produktionsstandorts zu sichern. Andere europäische Länder haben verbindliche Investitionsmodelle eingeführt – und genau deshalb fließen dorthin heute deutlich mehr internationale Budgets und stärken die jeweilige Filmindustrie.“ Internationale Produktionen entschieden sich fast ausschließlich für Standorte mit klar kalkulierbaren steuerlichen Anreizen, so Nakschbandi. Infrastruktur und Talent habe man in NRW zur Genüge, und noch immer sei das Land ein potenter Medienstandort – „aber ohne ein modernes, automatisches Fördermodell ist Deutschland im Wettbewerb im Nachteil“.

