Gerhart Baum kritisiert Öffentlich-Rechtliche„Erhebliche Einsparungen“ möglich

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Gerhart Baum 

  • Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) ist Vorsitzender des NRW-Kulturrats.
  • Er ist seit 2016 stellvertretendes Mitglied des WDR-Rundfunkrates.
  • Im Interview erläutert er, warum eine Strukturreform der Aufsichtsgremien entscheidend ist.

Köln – Herr Baum, Sie haben schon im Juli in einem gemeinsamen Appell mit Jürgen Bremer eine umfassende Reform der Aufsichtsgremien des WDR gefordert. Wie fielen denn die Reaktionen auf diesen Appell aus?

Gerhart Baum: Die Reaktionen waren zunächst verhalten bis ablehnend. Teile des Rundfunkrates fühlten sich kritisiert, als seien sie ein Abnickverein, was wir nie behauptet haben. Aber der Rat hat seine Kompetenzen bisher nicht ausgeschöpft und in alten Strukturen gearbeitet, die sich jetzt fundamental ändern. Aber nach und nach setzen sich in den Beratungen Fragestellungen durch, die wir angesprochen haben. Der Rundfunkrat muss jetzt die Kraft zu einer wirklichen Strukturreform aufbringen. Ich würde mich freuen, wenn er jetzt in den nächsten Sitzungen die Reformziele benennen und ihre Umsetzung in die Wege leiten würde, z.B. in Arbeitsgruppen. Am Ende jeder Sitzung eine Pressekonferenz dazu – das wäre notwendig.

Diskutiert wird über Änderungen schon lange, haben Sie das Gefühl, jetzt ist der Moment, wo tatsächlich etwas passiert?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich der Reformdynamik nicht mehr entziehen. Er muss in einem intensiven Prozess Struktur, Aufgaben und Programm hinterfragen, Kooperationen zwischen den Sendern verstärken, das Senderangebot überprüfen. Es wird nicht bei Reparaturaufgaben bleiben, die man schnell erledigen kann. So wichtig die Revision der Bezahlung der Spitzenpositionen ist: mit der Kürzung der Bezüge ist noch nichts gewonnen. Mich interessiert auch, wie freie Mitarbeiter bezahlt werden. Wir müssen das System, das für unsere Demokratie unverzichtbar ist, durch umfassende Reformen so stärken, dass seine Gegner keine Chance haben. Was die Intendanten jetzt vorschlagen, kann nur ein erster Schritt sein. Das System muss auch auf mehr Qualität setzen. Information, Bildung, Kultur – das sind Kernaufgaben. Der Rundfunkrat muss mehr erfahren, an Entscheidungsprozessen teilnehmen, nicht nur an Ergebnissen, eine bessere Kommunikation zwischen Intendanten und den Gremien ist erforderlich.

Rundfunkrat muss seine Arbeitsweise ändern

Der neue Medienstaatsvertrag könnte helfen?

Der ist schon insofern revolutionär, weil er den Gremien mehr Kompetenzen zuweist. Jetzt bekommen sie neue Kompetenzen, sie müssen also schon deshalb ihre Struktur und Aufgabenstellung überarbeiten. Sie sind, neben den Intendanten, eine der Säulen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und sie müssen effektiver und sichtbarer werden, sie müssen Öffentlichkeitsarbeit machen, ihre Entscheidungen öffentlich zur Diskussion stellen. Sie müssen in eine neue Phase ihrer Wirksamkeit eintreten mit mehr Selbstbewusstsein. Auch das Verhältnis des WDR-Verwaltungsrates zum Rundfunkrat bedarf einer Klärung. Ob er will oder nicht: der Verwaltungsrat engt die Spielräume des Rundfunkrates ein. Beide Gremien sollten darüber diskutieren.

Ist das mit den Rundfunkräten, so wie sie zusammengesetzt sind, möglich?

Über die Zusammensetzung zu reden, ist sehr schwierig. Die Diskussion ist im Gange. Aber jetzt muss man das Gremium nehmen, wie es ist und den Rundfunkräten so viel Hilfe wie nur möglich an die Hand geben. Die eigene Geschäftsstelle des Rundfunkrates ist dazu in der Lage. Mit den vorhandenen Kräften muss der erste Schritt gemacht werden.

Kollision mit parteipolitischen Interessen

Sie waren selbst lange in der Politik aktiv, kritisieren aber den Einfluss der Parteien.

Ja. Ich nenne Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel. Jetzt muss der WDR-Rundfunkrat erneut entscheiden, wer den wichtigen Programmausschuss leitet. Bisher haben zwei Parteien Vorsitz und Stellvertretung unter sich ausgehandelt. Versuche, die Positionen staatsfern zu besetzen, wie in allen anderen Sendern, sind bisher gescheitert. Nun wird erneut gewählt. Das wird ein Lackmustest für die Parteiferne des Rundfunkrats werden. Ich bin gespannt.

Sind nicht auch die parteinahen Freundeskreise ein Problem?

Ja, die Freundeskreise werden nicht nur von mir kritisch gesehen, sondern auch vom Bundesverfassungsgericht. Eine so offenkundige Staatsnähe, wie die Freundeskreise sie haben, ist ja verräterisch. Sie strukturieren die Entscheidungen in nicht-öffentlichen Beratungen vor. Als ich in den Rundfunkrat kam, hatte ich manchmal das Gefühl, dass alles schon entschieden ist. Die Gremien müssen ein neues Selbstbewusstsein entwickeln. Sie müssen genauso sichtbar werden wie die Intendanten.

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Sie könnten sich auch mehr Kooperation zwischen den Sendern vorstellen?

Vieles kann man gemeinsam machen. Nehmen Sie die Trauerfeierlichkeiten in London. Die wurden von verschiedenen Sendern des öffentlichen Systems parallel übertragen mit eigenen Kommentaren. Warum? Es würde doch ein öffentlich-rechtlicher Sender genügen. Oder die von SWR-Intendant Kai Gniffke ins Gespräch gebrachte Idee, eine gemeinsames Mantelprogramm für die dritten Programme der ARD zu machen. Das würde erhebliche Einsparungen bringen. Auf diese Wege muss sich das System jetzt begeben.

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