Gespräch mit dem TodNeue Ausstellung im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum

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Zeichnung aus der Schau „Liebe und Lassenmüssen”

  • Im 75. Todesjahr seiner Namenpatin legt das Käthe-Kollwitz-Museum Köln den Fokus seiner neuen Sonderausstellung auf die private Seite der Künstlerin.
  • Wir haben die Schau „Liebe und Lassenmüssen” vorab besucht.

Köln – Sie gestaltete politische Plakate, schuf großformatige Skulpturen und zeichnete statt idyllischer Landschaften die Folgen von Krieg und Armut. Dazu passt, dass die Künstlerin Käthe Kollwitz kaum zur Selbststilisierung neigte. Über ihren späteren Selbstporträts schwebt nicht selten ein trauriger Schleier, als hätte sie während der zwei Weltkriege, die sie erleben musste, einfach zu viel Leid gesehen, um ihren Kummer hinter Posen verstecken zu können.

Was nicht heißt, dass die Ikone des Pazifismus und Feminismus auf manch einer Fotografie nicht lachend zu sehen ist. Da verwandelte sie sich wieder in die lebenslustige junge Frau von früher, die Reisen nach Venedig und Paris unternahm, um ihren Horizont zu weiten.

Gab es bei der Kollwitz überhaupt so etwas wie eine Grenze zwischen Privatem und künstlerischem Output? Danach fragt nun 75 Jahre nach ihrem Tod das Käthe Kollwitz Museum Köln in seiner neuen Ausstellung „Liebe und Lassenmüssen“. Und siehe da, an überaus persönlichen Momenten herrscht in ihrem Werk tatsächlich kein Mangel. Rund 220 Zeichnungen, Grafiken und Skulpturen, die bisher im Depot versteckt waren, thematisieren Ereignisse aus dem Leben der Kollwitz und ihrer Familie. Nicht wenige von ihnen stammen aus ihrem privaten Nachlass. Darunter Abschied nehmende Mütter, aber auch viele sich umarmende Paare, eine Feier der Lust, die man nicht auf Anhieb mit Kollwitz verbindet. Zu stark hat sich das Kapitel „Lassenmüssen“ in ihrem motivischen Spektrum verfestigt.

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Im Sommer 1914 etwa streitet sich Sohn Peter mit seinen Eltern. Den noch nicht volljährigen Filius zieht es an die Front. Während der Vater ihm die Erlaubnis verweigert. ergreift die Mutter seine Seite. Mit fatalen Folgen. Wenige Wochen später erreicht sie die Nachricht, dass Peter bei Dixmuiden in Belgien gefallen ist. Unter dem Eindruck des Verlusts wandelt sich Kollwitz nicht nur zur Pazifistin. Sie will die vielen toten Freiwilligen ehren. Erst zwei Jahrzehnte später entsteht das Denkmal „Trauernden Eltern“.

Dazwischen wird Kollwitz Mitglied der Akademie der Künste, erhält einen Professorentitel und übernimmt ein Meisteratelier. Sie schreibt „Nieder mit den Abtreibungsparagraphen“ auf das Bild einer hochschwangeren Mutter mit kleinen Kindern für die KPD. Es ist aber nicht diese gesellschaftlich engagierte Kämpferin, der man in der Ausstellung begegnet, sondern der liebende Familienmensch, die Ehefrau, Mutter und Großmutter, die ihre eigenen intimen Erfahrungen in allgemeingültigen Werken zu verdichten vermochte, wie etwa in der Zeichnung ihrer Zwillings-Enkelinnen Jutta und Jördis, die wie ein Echo auf ihre Bronze-Skulptur „Mutter mit zwei Kindern“ wirkt. Die Umrisse der beiden Kinder lassen keinen Zweifel daran, dass Kollwitz die Skulptur während des Zeichnens im Hinterkopf gehabt haben muss.

Kaum ein Familienmitglied, dem man in der Schau nicht begegnet, von Kollwitzs Bruder Konrad und Schwester Lise, über die Kinder Peter und Hans bis zu den Dackeln Pitti und Anatol. Der Gatte macht sich eher rar, was wohl an seiner Arbeit als Berliner Kassenarzt lag. Das hinderte ihn offenbar nicht daran, trotz einer erkalteten Liebe immer wieder Besitzansprüche anzumelden: „Ich kenne keinen, der so lieb haben kann, so mit ganzester Seele. Oft hat mich diese Liebe gequält, ich wollte freier sein. Oft aber hat sie mich auch so beglückt“ vertraut Kollwitz im September 1910 ihrem Tagebuch an. Dem Sohn Hans schreibt sie einmal: „Liebe und Lassenmüssen des Geliebtesten, und es halten (wollen) – immer dasselbe“.

Kriegstode und Selbsttötungen

Nur eines von vielen Zitaten, die das Mosaik aus Lebensimpressionen auf der Sprachebene weiterspinnen. Kriegstode und Selbsttötungen häufen sich über Jahrzehnte in ihrem nächsten Umfeld. Kollwitz verarbeitet sie in einer nuancierten Linienführung der Körper, ihrer an Pietà-Motiven orientierten Mimik und Gebärden, die in der Erschütterung erstarren. Das „ständige Gespräch mit dem Tod“, so teilte ihre Schwester Lise einst mit, war das Leitmotiv ihres Schaffens. Der Tod, die Liebe und die Politik – ewige menschliche Konstanten, die jeden von uns früher oder später einholen.

„Liebe und Lassenmüssen…“ im Käthe-Kollwitz-Museum, Neumarkt 18-24 (Neumarktpassage), bis 20. September. Di. – So. 11-16 Uhr.

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