Deutsches Tanzarchiv KölnNeue Ausstellung widmet sich Tänzern in der Werbung

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Ballettkostüme aus Werbeanzeigen

Ballettkostüme aus Werbeanzeigen

Köln – In der Werbung, heißt es, offenbaren sich die Träume einer Gesellschaft, die ewige Sehnsucht nach Luxus, Schönheit, Jugend. Womit man genauso gut über den Tanz sprechen könnte, wenigstens seinem Klischeebild nach. Tanz – das ist der Traum vom idealen Körper, der idealen Frau, der idealen Liebe.

Das begreifen schon die Werbeagenturen, die in den vermeintlich „Goldenen 20ern“ die zunehmende Zahl von Konsumgütern unters Volk bringen müssen. Mit Tanz lassen sich Gegenbilder zum Elend kreieren, zu den Kriegskrüppeln auf den Straßen, zu syphilisverseuchten Prostituierten, Massenarbeitslosigkeit, Kinderelend. „Wir Damen vom Ballett trinken nur noch Sekt“ prostet da etwa ein Werbeplakat den Passanten zu. Darauf ein Gemälde von drei farbenfrohen Rüschenkleid-Damen mit üppigem Dekolleté und Champagnerflöten.

Alles so schön bunt hier, heißt es nun im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln. Die Ausstellung ist schon seit Wochen aufgebaut. Doch kurz vor der Eröffnung hieß es: Shutdown. So durfte bislang niemand von den schönen, skurrilen Werbe-Exponaten aus dem Bestand des Archivs verführt werden. Mit der Eröffnung an diesem Mittwoch sind Besucher (mit Mund-Nasen-Schutz) in begrenzter Zahl zugelassen. Man muss sich vorher online anmelden und bekommt einen „Timeslot“ von einer Stunde, währenddessen man sich im Museum aufhalten und zwischen farbigen Trennwänden bummeln darf. Mit ein wenig Fantasie kann man sich zurückversetzen in eine Zeit, in der sich graue Städte durch bunte Plakatwände, Leuchtreklamen und Litfaßsäulen in ein Konsumwunderland verwandelten. Werbung für Haartinktur und Hühneraugenpflaster. Für Bodenwichse und ja, auch das: die Bundeswehr. „Gleichschritt ist kein Ausdruckstanz“ lautet der Slogan einer Kampagne von 2019 – wie beruhigend für die potenziellen Rekruten. Werbung für Nylonstrümpfe, Transistoren, Büstenhalter, Zigaretten.

Mysteriös wie Mata Hari

Immer wieder Zigaretten: Ein Konsumprodukt, das sich offenbar besonders gut mit Ballerinen verkaufen lässt – der Schlankheit wegen? Schließlich greifen bis heute viele Tänzer und Tänzerinnen zum Tabak im harten Kampf gegen die Kilos. Heute allerdings undenkbar: Zigaretten, die sich sogar nach Tänzerinnen benannten. So wirbt ein Plakat für die „Elsa Krüger Zigarette“ mit einer exotisch kostümierten, ernsten Schönheit darauf. Die Zigarette elegant in der Rechten, mysteriös wie eine zweite Mata Hari – oder heutiger: Pina Bausch.

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Auch auf die scheue Tanztheater-Frau trifft man überraschend in der Ausstellung. Die Wuppertaler Königin als Kapitalismus-Komplizin? Ein Foto zeigt sie in einem ihrer weiten Hosenanzüge. Sie sitzt auf einem Stuhl oder eher: Scheint im nächsten Moment sanft von ihm herabzugleiten, das Haupt anmutig gebeugt wie eine Madonna. Auf dem Foto darunter dagegen hockt sexy Michail Baryshnikov spannungsgeladen auf dem gleichen Stuhl. Es handelt sich um das Möbelstück einer Schweizer Firma, die anno 1993 mit einer Schwarz-Weiß-Fotoserie auf das exquisite Charisma der Tanzstars setzte und mit diesen „Modellen“ offenbar an die Distinktionsbedürfnisse einer Bildungselite appellierte.

Wie immer bei den Ausstellungen im Tanzmuseum: Es gilt auf die Feinheiten zu achten. Selbst bei einem marktschreierischen Thema wie der Werbung inszeniert Kurator Thomas Thorausch subtile Kunstsinnigkeit, statt Sex, Schock und Skandal. Das kleine Foto mit der Armee junger Japanerinnen während einer Schießübung etwa – man wäre fast daran vorbeigegangen. Erst auf den zweiten Blick offenbart es, dass es sich hierbei um Eigenwerbung nicht fürs Militär, sondern, man staune, für eine Revuetanzgruppe handelt.

Oder, noch verwirrender: Das Foto eines Kaufhaus-Schaufensters auf der 5th Avenue in New York. Die Auslage zeigt ein großformatiges Bild aus dem Ballett „Der Grüne Tisch“ von Kurt Jooss. Wer denkt, das sei Werbung für das Tanztheater-Gastspiel, liegt falsch. Es geht um zwei daneben stehende Modepuppen in elegantem Outfit. Botschaft: Wer zu diesem Kulturereignis aus Deutschland will, kann sich hier, in diesem Kaufhaus schick aufbrezeln.

Ob diese vertrackte Werbung erfolgreich war? Den Widerspruch zwischen der Präsenz des Tanzes in der Werbung und seiner häufigen Absenz auf den Bühnen kann auch diese Ausstellung nicht auflösen. Im Gegenteil: Er ist vielleicht das heimliche Thema dieser klugen, liebevoll komponierten Schau. Denn so sehr die Sparte um ihr Standing kämpfen muss, die Mad Men dieser Welt glauben bis heute: Dance sells.

Reizend! Tanz in der Werbung“, Jahresausstellung des Deutschen Tanzarchivs Köln, bis 28. 2. 2021, Anmeldung unter www.sk-kultur.de

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