U2-Sänger wird 60Warum sich an Bono immer noch die Geister scheiden

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U2-Sänger Bono

  • Vor 60 Jahren wurde Paul Hewson alias Bono Vox in Dublin geboren.
  • Bis heute polarisiert der U2-Sänger mit seinem politischen Aktivismus.
  • Was Bono von allen anderen Rockstars unterscheidet.

Köln – „Glaub’ nicht, was du hörst, glaub’ nicht, was du siehst/ Wenn du nur deine Augen schließt, kannst du den Feind fühlen.“ Singt Bono im Song „Acrobat“ vom 1991er U2-Album „Achtung Baby“, der Platte mit der sich die irische Band und ihr messianischer Sänger nach einer ersten Phase ungebrochenen Rock-Heldentums noch einmal neu erfanden.

„Acrobat“ ist das Lied, in dem Bono auf dem Hochseil des Ruhms ins Trudeln gerät, den Glauben und die moralische Orientierung verliert. In dem er tief in sich hineinschaut  und nur einen Heuchler sieht.

U2 haben den Song in 28 Jahren niemals live gespielt, bis zu ihrer  „Experience + Innocence“-Tour, mit der sie vor anderthalb Jahren auch in Köln Station gemacht hatten. Dort kombinierte Bono seine Selbstzweifel-Hymne – ihm geraten sogar Minderwertigkeitsgefühle zur Hymne – mit Kraftwerks „Im Spiegelsaal“ („Sogar die größten Stars/ Mögen sich nicht im Spiegelglas“), ein anrührender Moment öffentlich ausgestellter Introspektion.

Bono: Bühnenpersona und Privatperson fallen in eins

Bono wurde vor 60 Jahren, am 10. Mai 1960, als Paul David Hewson in Dublin geboren. Aber selbst Freunde und Familie nennen ihn nur Bono. Bühnenpersona und Privatperson fallen in eins: Bono bleibt Bono. Was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass Bono beileibe nicht der Einzige ist, der Bono der Heuchelei bezichtigt.

Niemanden interessiert, wo Mick Jagger sein Geld anlegt, er ist ein Rockstar, ein Symbol für konsequenzlosen Sex und Anarchie, warum sollte er irgendwelche moralische Verpflichtungen gegenüber seinem Publikum haben? Bono aber hat den Rockstar als buchstäblichen Heilsbringer erfunden,   sein Name ist mehr als nur ein  Künstler-Pseudonym,   er will wahrhaft „gut“ sein und Gutes tun, ein Vorbild für die Massen, die ihm Nacht für Nacht zujubeln.

Kein Wunder, dass ihn so viele Menschen unerträglich finden. Etwa der Reiseschriftsteller Paul Theroux, der ihn vor 15 Jahren in der „New York Times“ in einem Leitartikel angriff, der mit den Worten begann: „Wahrscheinlich gibt es verdrießlichere Dinge als von einem Cowboyhut tragenden, reichen irischen Rockstar über die Entwicklung Afrikas belehrt zu werden, aber mir fällt im Moment keines ein.“ Es reicht schon, in einem beliebigen Pub in Irland einen U2-Song anzustimmen, um umgehend von angetrunkenen Einheimischen darüber aufgeklärt zu werden, dass der Präsidenten- und Diktatorenflüsterer von der Dubliner Nordseite und seine Band hier keine Steuern zahlen.

Oder darüber, dass Bonos Name in den der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielten „Paradise Papers“ auftaucht, als Investor in windigen Offshore-Geschäften.

Letztlich bleibt es eine Glaubensfrage

Andererseits: Die Erkenntnis, nicht nur Teil der Lösung, sondern stets auch des Problems zu sein, hat Bono bereits – wie eingangs erwähnt – vor Jahrzehnten in seinem Song „Acrobat“ formuliert.

Ist es nicht zudem ziemlich dreist, sich über die Doppelmoral berühmter Aktivisten zu mokieren, während man doch selber nicht mehr schafft, als lustig im Kneipendunkel sein Guinness zu verschwappen, während die Welt da draußen so beschissen bleibt, wie sie ist?

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Mick Jagger hat seine Generation mit lustbereitem Mund und lüsternem Hüftschwung von der bigotten Moral ihrer Eltern befreit. Bono dagegen versucht, den Kindern der Baby Boomer eine neue Moral zu vermitteln. Mick Jaggers Bühnen-Persona gleicht einem entfesselten Voodoo-Tänzer mit charismatischen Zügen. Für Bono ist ein Rockstar die säkulare Version eines evangelikalen Priesters.

Deshalb sind so viele U2-Songs Hymnen, von „Pride (In the Name of Love)“ über „I Still Haven’t Found What I Was Looking For“ bis zu „Yahweh“ aus dem Jahr 2004. Und deshalb bleibt es letztlich eine Glaubensfrage, ob Bono nun der Erlöser oder nur der letzte Prophet eines in die Jahre gekommenen Genres namens Rockmusik ist. An einer Sache kann indes niemand zweifeln: Dass Bono selbst glaubt, was er predigt.

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