Glen Hansard in der Kölner Philharmonie„Ihr solltet euch was schämen!“

Lesezeit 3 Minuten
08052019_AR_Glen_Hansard_0003

Glen Hansard in der Kölner Philharmonie.

  • Mit 13 musterte Hansard aus der Schule aus – ein verständnisvoller Lehrer erkannte den hoffnungslosen Fall – und begann auf den Straßen Dublins zu spielen.
  • Viele Jahre später sollte seine Rolle als chronisch erfolgloser Straßenmusiker im bittersüßen Musikfilm „Once“ den internationalen Durchbruch bedeuten.

Köln – „Ihr solltet euch was schämen!“, ruft Glen Hansard dem Publikum in der ausverkauften Philharmonie zu. Die Empörung ist echt. Kurz zuvor hatte der weißbärtige Ire Leonard Cohens „Bird on a Wire“ angestimmt, begleitet vom spanischen Meistergitarristen Javier Mas, den er einst mit einem glühenden Fanbrief aus Cohens Tourband an seine Seite gelockt hatte.

Wieder bei den einleitenden Vergleichen vom Vogel auf dem Drahtseil, vom Betrunkenen im Mitternachts-Chor angekommen, trat Hansard einen Schritt vom Mikrofon zurück, legte die Hand an die Ohrmuschel und wartete: Nichts. Nur vier, fünf Unentwegte im Oberrang deren Stimmen sich im Rund des Konzertsaals verlieren. Armer toter Cohen.

Als Kind, hat Glen Hansard einer australischen Zeitung erzählt, sei er mit der heiligen Dreifaltigkeit aus Leonard Cohen, Bob Dylan und Van Morrison aufgewachsen. Mit diesen Göttern im Pantheon war Hansard für das Zivilleben nicht mehr zu gebrauchen.

Musikfilm „Once“ brachte für Glen Hansard den Durchbruch

Mit 13 musterte Hansard aus der Schule aus – ein verständnisvoller Lehrer erkannte den hoffnungslosen Fall – und begann auf den Straßen Dublins zu spielen. Viele Jahre später, zwischenzeitlich hatte er die Rockband The Frames gegründet und sein Kinodebüt in Alan Parkers „The Commitments“ gegeben, sollte seine Rolle als chronisch erfolgloser Straßenmusiker im bittersüßen Musikfilm „Once“ den internationalen Durchbruch bedeuten.

Seitdem sind zwölf Jahre vergangen; die sehnsüchtige Ballade „Falling Slowly“ aus dem Film hat Hansard indes noch immer auf der Setliste, und sie wird mit ebenso sehnsüchtigen Seufzern begrüßt. Hansard ist ein unverbesserlicher Romantiker und seine Fans sind das auch: Menschen, bei denen sich Alltag und Tagträume durchdringen.

Menschen, denen die Ansage zum trunkenen Liebeskummerlied „McCormack“s Wall“ zur großen Beichte entgleitet. Wenn Hansard erzählt, wie er sich in die junge Folk-Sängerin Lisa O’Neill verliebt hat, und wie seine Liebesträume nach einem wunderbaren nächtlichen Rendezvous – in dessen Rahmen die titelgebende Mauer übersprungen wurde – eben nicht Wirklichkeit wurden, klingt das beinahe, als sei er dazu verdammt, den Plot von „Once“ im sogenannten echten Leben zu wiederholen. Romantiker haben nun mal kein Talent zum Glück. 

Hansards neunköpfige Band lässt keine Wünsche offen

Auf seinem aktuellen Album, „This Wild Willing“ – dessen Songs einen Großteil des zweieinhalbstündigen Abends ausmachen – hat Hansard seine schwärmerische Disposition allerdings ins Mystische geweitet. Scheinbar auf den Spuren seines Landsmannes W.B. Yeats, tatsächlich jedoch das Ergebnis eines Zufallstreffens mit den Khoshravesh-Brüdern, drei iranischen Virtuosen, die er spontan zu sich ins Studio einlud.

Die sind am Mittwochabend nicht mit dabei, doch Hansards neunköpfige Band lässt keine Wünsche offen. Die Songs mäandern wie lange, dunkle Flüsse, steigern sich zu mitreißenden Strömen, überschlagen sich schließlich in lautstarken Epiphanien, wie man sie eher in einem Konzert von Godspeed You Black Emperor! oder Sigur Ros erwartet hätte.

Hansard spielt zumeist eine akustische Gitarre, deren Decke schon schwer abgeschürft ist, und wenn man sieht, wie er zunehmend manisch die linke Hand übers Schallloch schlägt, dann weiß man auch, warum.

Hansard sucht in seiner Musik nach Transzendenz und Erlösung, „Grace Beneath The Pines“ schmettert er den Zuhörern ohne Hilfestellung des Mikrofons entgegen und ganz zum Schluss erklimmt er mit Band und Instrumenten, Kontrabass inklusive, die Stufen der Philharmonie um von dort oben, inmitten der Zuschauer mit ihnen gemeinsam Pete Seegers Vergänglichkeits-Gospel „Passing Through“ anzustimmen.

Die Scharte mit dem Cohen-Song hatte das Publikum zuvor mit einem Geburtstagskanon für Bassist und Cellistin ausgewetzt. „Na sowas“, freute sich Glen Hansard, „ihr könnt ja doch singen.“ Was für ein Konzert!  

KStA abonnieren