Grimme-Institut in Not Belegschaft kritisiert Sparkurs

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Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, schaut in die Kamera. Sie trägt einen blauen Pullover.

Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, wird keine dritte Amtszeit antreten.

Direktorin Frauke Gerlach verlässt das Institut, die Belegschaft ist besorgt. Das Marler Institut blickt in eine ungewisse Zukunft.

Nichts Genaues weiß man nicht. So lässt sich die momentane Situation am Marler Grimme-Institut vielleicht am besten zusammenfassen. Die Verunsicherung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist nach der jüngsten Gesellschafterversammlung groß.

Immerhin einige wesentliche Fragen sind nun geklärt: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben und Direktorin Frauke Gerlach wird das Institut im Frühjahr verlassen. Anders als sie es noch im September in Aussicht gestellt hatte, wird es für sie keine dritte Amtszeit geben. Zudem sollen die Bereiche Grimme-Forschung und Grimme-Medienbildung abgewickelt werden. Wie das genau aussehen soll, steht aber noch nicht fest.

Gesellschafter des Instituts sind neben dem Land als größter Geldgeber die Stadt Marl, die Film- und Medienstiftung NRW, die Landesanstalt für Medien NRW, der Deutsche Volkshochschulverband sowie die beiden öffentlich-rechtlichen Sender WDR und ZDF. Das Grimme-Institut beschäftigt sich mit Medienkultur und -bildung, auch im digitalen Zeitalter. Zudem vergibt es den renommierten Grimme-Preis für herausragende Fernsehproduktionen und den Grimme Online Award.

Für 2024 wird ein Defizit in Höhe von 430.000 Euro erwartet

Das Institut ist in eine finanzielle Schieflage geraten und noch ist nicht klar, wie es wieder auf ein solides Fundament gestellt werden kann. Bei einem Etat von rund drei Millionen Euro fehlen in diesem Jahr 320.000 Euro, die das Land NRW ausgleicht.

Für 2024 wird allerdings ein Defizit in Höhe von 430.000 Euro erwartet. Die Gesellschafter hatten schon bei ihrer Sitzung im November in Aussicht gestellt, dass sie das neuerliche Defizit nicht ausgleichen werden. Das bestätigte sich nun. „Die Gesellschafter können in dieser wirtschaftlichen Lage nur begrenzt Mittel dazugeben“, sagte NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) dem Deutschlandfunk-Medienmagazin „@mediasres“ am Dienstag.

Liminski betonte, das Institut benötige eine Fokussierung auf seine Kernaufgaben. Es müsse die Aufgaben erfüllen, die die Öffentlichkeit von ihm erwarte. „Und das ist die Auszeichnung von besonders herausragenden journalistischen und medialen Produkten. Deshalb spielen die Preise eine ganz zentrale Rolle“, so der Chef der Staatskanzlei. Das sei die Sicht aller Gesellschafter.

Wie aus dem Grimme-Institut und auch aus dem Kreis der Gesellschafter zu hören ist, steht allerdings noch nicht fest, wie der Grimme Online Award (GOA), neben dem Grimme-Preis die zweite wichtige Auszeichnung, im kommenden Jahr vergeben wird. Sicher ist wohl, dass er nicht in der gewohnten Form stattfinden wird. Das bedeutete zuletzt eine Verleihung in der Kölner Flora auf Basis der Auswahl der Sieger durch eine Fachjury. Spekulationen gibt es viele. Szenarien reichen von einer abgespeckten Variante bis zum Komplettausfall. 

Die Zukunft des Grimme Online Awards ist ungewiss

Dass die Zukunft des GOA so ungewiss ist, beunruhigt die Belegschaft des Instituts, die sich in einem Statement an die Öffentlichkeit wandte: „Dies ist im Hinblick auf die Relevanz dieses Preises in der deutschen Medien- und Onlinewelt eine fatale Entwicklung.“ Die Zukunft des Preises wird sicherlich auch davon abhängen, ob es der neuen Direktorin oder dem neuen Direktor gelingt, Geld durch Sponsoring einzuwerben. 

Sehr kritisch äußern sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch über die Pläne, die Bereich Forschung und Medienbildung zu schließen. „Die Streichung dieser Institutsbereiche, die unverzichtbar für den Wesenskern unseres Hauses sind, das den Namenszusatz 'Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur' trägt, halten wir strategisch für den falschen Weg“, schreiben sie.

Seit 50 Jahren führe das Institut Qualitätsdiskurse über Medien. Mit Blick auf aktuelle Themen der Mediengesellschaft sei für eine zukünftige Positionierung des Grimme-Instituts die strategisch begründete, historisch gewachsene und erprobte Zusammenführung der vier Handlungsfelder Medienqualität, Medienbildung/-qualifizierung, Medienforschung und Mediendiskurs unter einem Dach zentral. „Der Wegfall zweier essenzieller Bereiche würde die aufgebauten Kompetenzen und die qualitativen, diskursiven Mehrwerte, die durch die Bündelung und Vernetzung im Grimme-Institut entstehen, zunichtemachen. Zahlreiche Arbeiten, Kooperationen und Netzwerke gingen verloren.“ 

Nathanael Liminski hingegen sagte dem Deutschlandfunk, Medienforschung und kulturelle Bildung finde auch an anderer Stelle statt.

Es wird sich zeigen, wie die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Frauke Gerlach, die sich nicht zu den Vorgängen äußert, mit dieser schwierigen Ausgangslage umgeht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verzichten im kommenden Jahr auf die Tariferhöhungen, was ungefähr 100.000 Euro ausmacht. Das wird aber nicht reichen, um das Loch zu stopfen, das Frauke Gerlach hinterlässt. Das Grimme-Institut steuert auf ein weiteres schwieriges Jahr zu. 

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