Abo

Premiere in Kölner PhilharmonieWie man aus Müll Kunst macht

Lesezeit 2 Minuten
Der Marimbar-Spieler Christoph Sietzen steht am Gendarmenmarkt vor dem Berliner Konzerthaus. Er trägt ein leuchtend rotes Hemd und lacht.

Der Marimbaspieler Christoph Sietzen überwältigte im Gürzenich-Konzert

Percussionist Christoph Sietzen spielte unter François-Xavier Roth eine Erstaufführung des Komponisten Georg Friedrich Haas – auf Instrumenten vom Schrottplatz.

Kann man aus und mit Müll Kunst machen? Ja, man kann, die Moderne mit ihren provokativen Grenzüberschreitungen vom Ästhetischen hin zu seinem Anderen hat es längst erwiesen – in der Bildenden Kunst zum Beispiel durch die Installationen des Schweizers Jean Tinguely.

Und in der Musik funktioniert das selbstredend auch – wie jetzt das im Gürzenich-Abokonzert in deutscher Erstaufführung gespielte Konzert für Klangwerk und Orchester des Österreichers Georg Friedrich Haas erwies. Neben dem traditionellen Schlagapparat kommt darin ein aus über hundert Teilen montiertes Instrumentarium vom Schrottplatz zum Einsatz.

Georg Friedrich Haas lässt den Percussionisten Christoph Sietzen auf hundert Schrottteile schlagen

Klar, das ist Hardcore-Avantgarde pur – ohne „Melodien“ und nicht in einem konventionellen Sinne „schön“. Es gibt Residuen des Vertrauten, aber im Wesentlichen öffnet sich hier eine atonal-zerklüftete Landschaft, wobei sich der Klang nicht nur zu schmerzhaften Clustern verdichtet, sondern immer wieder auch zum Geräusch hin emanzipiert. Großstadt-Lärm, Herzschläge in den Orchesterpauken, das Ploppen von Wassertropfen wie aus undichten Rohren – viele Assoziationen sind möglich. Zuweilen scheint das Ganze in beklemmender Beschleunigung auf eine erlösende Katastrophe zuzusteuern, die dann aber doch nicht eintritt. Am Schluss versinkt es im Nirwana.

Alles zum Thema Kölner Philharmonie

In jeder Hinsicht großartig darf die Leistung des Solisten Christoph Sietzen genannt werden, der, ein zweiter Martin Grubinger, an seinen Instrumenten virtuose Feuerwerke sondergleichen zündet und dabei gar nicht mal so sehr durch die erwartbaren großen Lautstärken begeistert als vielmehr durch die Kunst des Leisen und Filigranen. In Verbindung mit dem Orchester tun sich da immer wieder neue und faszinierende Klangkonstellationen auf.

Mit dem gut aufgelegten Gürzenich-Orchester setzte François-Xavier Roth nach der Pause seinen auch für die Verewigung auf CD annoncierten Bruckner-Zyklus fort, diesmal mit der fünften Sinfonie. Die hat es bekanntlich in sich: Der Triumph mit Doppelfuge und Themenkombination im Finale kann nicht über die Gewaltsamkeit dieser „Positivität“ hinwegtäuschen, und die Bedrohung der Form will als solche vorgestellt und nicht im romantischen Wohllaut besänftigt werden.

Roth realisiert diese Dramaturgie ganz ausgezeichnet – mit einer Vielzahl an Gesten und Charakteren, mit großer rhythmischer Vitalität und Intensität bei den vielen Pausen-Abbrüchen. Nicht alles (zumal in den Streichern) funktionierte am Sonntag ganz astrein, aber da nachzujustieren, dürfte keine Probleme bereiten.

KStA abonnieren