NachrufHannelore Elsner – Lebensfreude in der piefigen deutschen Szene

Hannelore Elsner und Mario Adorf, Schauspieler während des Deutschen Filmballs 1977.
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Köln – Es kommt nicht häufig vor, dass deutschen Schauspielerinnen in den USA Aufmerksamkeit geschenkt wird, geschweige denn in Los Angeles, der Heimat der Film- und Traumindustrie. Hannelore Elsner aber hat man in der Stadt der Engel vor zehn Jahren sogar eine kleine Retrospektive gewidmet, mit Filmen wie „Alles auf Zucker“, aber auch mit ihrem damals aktuellen Werk: In der raffiniert erzählten Alltagstragikomödie „Vivere“ besteht ihre Größe nicht zuletzt darin, den beiden Nachwuchsschauspielerinnen Esther Zimmering und Kim Schnitzer unter der Regie von Angelina Maccarone Raum für eindrucksvolle Leistungen zu bieten.
Wenige Jahre zuvor war Hannelore Elsner nach längerer Pause auf die Kinoleinwand zurückgekehrt, und vielleicht begann von da an die Zeit ihrer größten Triumphe. Sie spielte in Filmen von Oskar Roehler mit, gewann für ihre Rolle in Oliver Hirschbiegels „Mein letzter Film“ den Deutschen Filmpreis – ihren zweiten –, und war in Doris Dörries bewegendem Drama „Kirschblüten – Hanami“ aus dem Jahr 2008 in der Rolle der Trudi Angermeier zu sehen, die nach einer ärztlichen Untersuchung erfahren muss, dass ihr Ehemann schwer krank ist. Charakterrollen waren dies allesamt, die die früher oft so aufgekratzte Hannelore Elsner als lebenserfahrene, von einer Aura der Ruhe umgebene Frau zeigten, die mit dem zunehmenden Alter souverän umgeht.

Elsner bei den Dreharbeiten für die Sat.1-Serie „Quandt“ im Jahr 1996
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Sie wurde 1942 im bayerischen Burghausen geboren und wuchs in München auf. Familiäre Verluste prägten ihre Kindheit: Der um zwei Jahre ältere Bruder starb bei einem Fliegerangriff, den Vater verlor sie, als sie acht Jahre alt war. Sie war ein hübsches Kind, aus dem eine schöne Frau wurde, und sie hat das nicht allein als Vorteil gesehen. „Ich behaupte, dass ich durch mein Hübschsein, wofür ich nichts konnte, viel zu wenig gute Rollen gekriegt habe“, sagte sie im Gespräch mit Alice Schwarzer, und ein Blick in ihre Filmografie zeigt, wie sehr sie mit dieser Einschätzung Recht hatte.
In den frühen Jahren ihrer Karriere war sie das Gesicht des deutschen Fräuleinwunders, die Stimme der sektseligen guten Wirtschaftswunderlaune, sie trat als „Mädchen mit den schmalen Hüften“ auf und sorgte für „Allotria in Zell am See“. Das Fernsehen hielt in immer mehr Haushalte Einzug, und Hannelore Elsner war ganz vorne mit dabei – auch in Serien wie dem „Kriminalmuseum“, „Funkstreife Isar 12“ und später von 1994 bis 2006 als Lea Sommer in der ARD in „Die Kommissarin“.
Hannelore Elsner stand auf der Bühne des Millowitsch Theaters
Vor allem aber feierten seit dem Ende der 50er Jahre der deutsche Musikfilm und die Komödie fröhliche Urständ, und Hannelore Elsner war das weibliche Pendant zu Freddy Quinn (in „Freddy unter fremden Sternen“), Peter Alexander (in „Zum Teufel mit der Penne“), Hansi Kraus (in „Die Lümmel von der ersten Bank“ und „Pepe, der Paukerschreck“) und Georg Thomalla (in „Hurra, wir sind mal wieder Junggesellen!“). Auch die Kölner lernten sie damals kennen, und zwar leibhaftig auf der Bühne des Millowitsch-Theaters. Hier spielte sie neben Peter René Körner, Willy Millowitsch und Elsa Scholten in „Tante Jutta aus Kalkutta“.

Die Schauspielerinnen Sonja Kirchberger (l.) und Hannelore Elsner und der Filmproduzent Bernd Eichinger (2.v.l.) während des 17. Deutschen Filmballs 1990
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Hannelore Elsner war witzig und charmant, schlagfertig und dabei bodenständig, durchaus eine Volksschauspielerin, die aber das Zeug zur Diva besaß. Und sie war schon damals eine Darstellerin, die sich durch das Image der jungen, ewig vergnügten Schönen nicht ihre Ambitionen nehmen lassen wollte: 1963 war sie Teil des Ensembles in Will Trempers „Die endlose Nacht“, der vor der Kulisse des im Nebel liegenden Flughafens Berlin-Tempelhof eine Art deutsch-deutsches und gar europäisches Sittenbild malt – ein Klassiker des deutschen Films jenseits des Mainstreams.
Glamour und Lebensfreude in der piefigen deutschen Szene
Auch jenseits der Leinwand, der Mattscheibe und der Bühne hatte Hannelore Elsner ihre Auftritte. Auf Galas, bei Preisverleihungen und an der Seite von Ehemännern und Partnern wie Dieter Wedel und Bernd Eichinger verstand sie es, die oft so piefige deutsche Szene mit Glamour und einer gehörigen Portion Lebensfreude aufzumischen. Hannelore gehörte auch deshalb zu den wenigen wirklichen Stars, die dieses Land hervorgebracht hat, weil sie sich ihren selbstbewussten, oft unangepassten Elan nicht nehmen ließ.
Noch vor kurzem war sie in der Fortsetzung von „Kirschblüten – Hanami“ zu sehen, die den Titel „Kirschblüten und Dämonen“ trägt. Völlig überraschend ließ die Familie nun mitteilen, dass Hannelore Elsner am Ostersonntag gestorben ist. Sie sei nach kurzer schwerer Krankheit friedlich eingeschlafen. Hannelore Elsner, diese unermüdlich nach ihrem eigenen Weg suchende Schauspielerin, wurde 76 Jahre alt.