„Harry Potter und das verwunschene Kind“Kompaktversion wird noch magischer

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Die Charaktere Harry Potter, Albus Dumbledore Potter, Lucius Malfoy, Ginny Weasley, Hermione Granger und Ron Weasley halten ihre Zauberstäbe hoch, aus zweien kommen Feuerstöße, die sich in der Mitte der Bühne kreuzen.

Beim „Harry Potter“-Theaterstück gibt es viele kleine Bühnentricks, die Magie vortäuschen.

Ab Februar wird im Mehr!-Theater in Hamburg nicht mehr die lange, zweiteilige Version vom Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ gezeigt, sondern die Kompaktversion. Wir haben die kurze Fassung jetzt schon in New York gesehen. Lesen Sie hier, was sich beim neuen Stück ändert.

Der Saal ist dunkel, nur schwach scheint ein Lichtstrahl von oben auf die Bühne, rund wie der Mond. Säulen werfen – ähnlich Bäumen – Schatten auf den Boden. Sie kommen näher, das langgezogene, scharrende, mal zischende Saugen wird lauter, es klingt wie der nahende Tod. Und das sind sie auch: Die Dementoren saugen ihren Opfern die Seele aus. In langen, seidigen, dunkel-schimmernden Gewändern kommen sie plötzlich von der Decke herab, schweben über der Bühne, über dem Publikum. Ihre Finger sind lang und knöchern, die Bewegungen fließend.

Die an Drahtseilen schwebenden Dementoren schaffen einen der wohl eindrucksvollsten Momente im Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“. Aber auch sonst gibt es immer wieder kleine Bühnentricks, die das Publikum in Staunen versetzen. Da flattern Buchseiten wie von Zauberhand von rechts nach links, Harry Potter verschwindet in einer Telefonzelle, sein Umhang wird eingesaugt und plötzlich ist er weg, und durch Vielsafttrank verwandeln sich Albus Potter, Scorpius Malfoy und Delphi Diggory vor den Augen des Publikums in Harry Potter, Ron Weasley und Hermine Granger.

Mehr Magie pro Minute

Mit Musik, Licht, Kostüm und Drahtseilen wird die Bühne zum Schauplatz von Magie, die Zuschauer werden in die Zaubereischule Hogwarts, den verbotenen Wald oder auf Gleis 9 ¾ im Londoner Bahnhof King‘s Cross entführt. Und ab Februar gibt es im Mehr!-Theater am Großmarkt in Hamburg noch mehr Magie pro Minute – das ist das Versprechen der Produzenten.

Wer derzeit das Stück sehen möchte, muss viel Zeit mitbringen. Die Fortsetzung von J.K. Rowlings siebenteiligem Abenteuer um Harry Potter, die die nächste Generation von Zauberern begleitet, wird in zwei Teilen aufgeführt. Etwa fünfeinhalb Stunden dauert das Stück, Karten kosten mindestens 99,90 Euro. Ein stolzer Preis, gerade für Familien. Außerdem ist der Besuch nur schwer kurzfristig planbar, da entweder ein ganzer Tag im Theater verbracht wird oder zwei aufeinanderfolgende Abende.

Scorpuis Malfoy und Albus Dumbledore Potter sind zusammen in einem Abteil des Hogwarts-Express. Albus sitzt und schaut zu Scorpius, der zwischen den Sitzen steht. Aus seinen Ohren kommt Rauch, sein Mund ist weit geöffnet, in seiner Hand hält er eine Tüte mit Süßigkeiten. Beide tragen Hogwarts-Schuluniformen.

Alle „Zaubertricks“ sollen im kurzen Stück enthalten bleiben.

„Es war eine Herausforderung, ein Stück zu kreieren, das sowohl Harry-Potter-Fans anspricht, aber nicht langweilt, und zugleich für Nicht-Fans zugänglich ist“, erzählt Produzent Colin Callender beim Interview in New York. „Es war ein Hochseilakt“, die Menschen mitzunehmen, die die Bücher und Filme nicht kennen, und trotzdem den Fans nicht zu viele Erklärungen zuzumuten. Nach einer Weile auf der Bühne hätten die Produzenten, Rowling, ihr Co-Autor Jack Thorne und Regisseur John Tiffany aber gemerkt, dass manche Erklärung doch nicht notwendig ist. Und sich für eine Kürzung entschieden.

In den USA, Japan, Kanada und Australien wird bereits die kompakte, etwa dreieinhalbstündige Version gezeigt. In Hamburg läuft am 8. Januar zum letzten Mal der Zweiteiler, am 19. Februar feiert das komprimierte Stück Premiere. Nur in London gibt es dann weiter die Originalfassung zu sehen. Der Preis für das gekürzte Stück startet bei 59,90 Euro, statt vier Mal soll es in Hamburg künftig acht Mal die Woche aufgeführt werden.

Es war eine Herausforderung, ein Stück zu kreieren, das sowohl Harry-Potter-Fans anspricht, aber nicht langweilt, und zugleich für Nicht-Fans zugänglich ist.
Colin Callender

Eine rein wirtschaftliche Entscheidung war das aber nicht: Durch die insgesamt längere Arbeitszeit pro Tag muss das Personal hinter der Bühne deutlich aufgestockt werden. Und damit die Magie auf der Bühne so echt wie möglich auf das Publikum wirkt, werden im Hintergrund ohnehin schon viele Hände gebraucht.

„Die ganze Magie, alle Illusionen aus dem Zweiteiler sind auch im Einteiler noch da“, versichert Callender. Das Stück sei nun geradliniger, der Fokus etwa auf die Beziehung zwischen Harry Potter und seinem Sohn Albus noch schärfer. Dass bei zwei Stunden weniger Spielzeit aber auch ordentlich gespart werden muss, ist klar.

Rückblicke fallen weg, auch ein Charakter fehlt komplett

So fallen alle Rückblicke weg: Während des Stücks träumt Harry Potter etwa von der Nacht, als Hagrid ihn bei den Dursleys findet und ihm sagt, er sei ein Zauberer. Jeder Harry-Potter-Fan kennt diese Szene, für die neue Geschichte ist die Nacherzählung tatsächlich nicht relevant.

Der Kürzung sind nicht nur ganze Szenen zum Opfer gefallen, auch ein Charakter musste dran glauben. Lily Potter, Tochter von Harry und Ginny und das dritte von ihren drei Kindern, findet im gekürzten Stück keine Erwähnung mehr. Im Zweiteiler war sie eine Nebenfigur, sie tritt etwa in der ersten Szene am Gleis 9 ¾ auf, wo der siebte Teil der Harry-Potter-Bände endete. Jetzt haben Harry und Ginny nur noch zwei Söhne, James und Albus, der im Mittelpunkt der Erzählung steht.

Albus Dumbledore Potter und ein Schauspieler, der den sprechenden Hut verkörpert, stehen nebeneinander auf der Bühne. Der Mann hält seinen Hut über den Kopf von Albus. Um sie herum sitzen im Dunklen weitere Hogwarts-Schülerinnen und Schüler.

Der sprechende Hut teilt Albus Dumbledore Potter in sein Hogwarts-Haus ein, es wird nicht das, was er sich erhofft hat.

Ansonsten fallen einzelne Dialoge und Sätze weg, Kürzungen, die dem normalen Besucher kaum auffallen dürften. Die Szenen wechseln sich dadurch noch schneller ab als schon im Zweiteiler, die Geschichte ist in einem stetigen Fluss. Mal rast er nur so am Publikum vorbei, wie etwa am Anfang, mal bremst er ab und fließt geschmeidig und ruhig.

Von Langatmigkeit kann keine Rede mehr sein, was beim Zweiteiler noch anders war. Der Zuschauer begleitet Albus und Scorpius, den Sohn von Lucius Malfoy, in der Kompaktversion ohne Umwege auf einem Abenteuer, das noch genauso vor Magie und Überraschungen strotzt wie in der Langfassung. Jetzt kommen die magischen Tricks sogar schneller hintereinander.

Schauspieler in langen, schwarzen Umhängen marschieren auf der Bühne im Kreis. Ihre Umhänge wehen dramatisch um sie herum. Hinter ihnen hängt ein großes Banner mit einem Totenkopf und einer Schlange.

Im Theaterstück gibt es auch einige düstere und gruselige Szenen.

Ein Stück zum Zurücklehnen ist es dabei sicher nicht, der Zuschauer muss bei den schnellen Wechseln auf Trab bleiben. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass die dreieinhalb Stunden wie im Flug vergehen. Wird das Erzähltempo bei dieser Länge, mit nur etwa fünfzehn Minuten Pause zwischendrin, zu langsam, gerät das Publikum doch in Gefahr, abzudriften. So ist die Länge für ein Stück zwar jetzt grenzwertig, aber machbar.

Die gekürzte und günstigere Fassung könnte das Stück jetzt auch für die interessant machen, die die Geschichte von Harry Potter zwar grob kennen, aber sich nicht selbst als Fans betrachten. Verständlich ist das Stück so lange, wie die Grundzüge von Harry Potters Zauberwelt bekannt sind. Tiefergehendes Wissen ist nicht notwendig, es hilft nur, um manchen Witz oder manche Nuance der Geschichte besser zu verstehen. Auch für Kinder könnte es jetzt zugänglicher werden, aber Eltern sollten beachten, dass einige Szenen, wie eingangs beschrieben, gruselig sein könnten.

Ab Februar wird sich dann zeigen, wie sehr und ob sich das Publikum ändert. Oder ob doch wieder nur die gleichen Personen kommen – zum 156. Mal. So wie eine Frau in London, die sich auf Nachfrage bei der Wiedereröffnung nach der coronabedingten Pause im Palace Theatre als häufigster Gast geoutet haben soll. Das bedeutet bei der langen Fassung fast ein Jahr im Theater, bei der kurzen wäre es immerhin nur ein halbes.

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