Historiker bei „Anne Will“ genervt„Der Krieg geht fast ein Jahr, was gibt es denn da abzuwägen?“

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Sönke Neitzel (l.) und Lars Klingbeil bei „Anna Will“

Sönke Neitzel (l.) und Lars Klingbeil bei „Anna Will“

Die Debatte über Panzerlieferungen spaltet nicht nur die Ampel, auch bei Anne Will hagelt es Kritik für die Bundesregierung.

Wird Deutschland Kampfpanzer an die Ukraine liefern? Dieser Frage gingen bei „Anne Will“ unter anderem der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sowie Historiker Sönke Neitzel auf den Grund.

Die ARD-Talkshow „Anne Will“ stand ganz im Zeichen der Debatte der Woche: Im Streit um mögliche „Leopard“-Lieferungen diskutierte die namensgebende Moderatorin der Sendung am Sonntagabend mit dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter, dem Militärhistoriker Sönke Neitzel sowie der Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff.

Zugeschaltet war zudem Boris Pistorius, der bei seinem ersten Talkshow-Auftritt als Verteidigungsminister allerdings wenig preisgab.

Boris Pistorius wirbt bei „Anne Will“ um Geduld bei Leopard-Entscheidung

Pistorius erklärt zu Beginn der Sendung, warum eine Bestandsprüfung der Leopard-2-Gefährte für eine „Handlungsgrundlage“ notwendig sei. Die Entscheidung über eine etwaige Lieferung dürfe nicht übereilt getroffen werden und könne aber nur in Abstimmung mit anderen europäischen Ländern sowie den USA erfolgen. 

Man sei „in allen Schritten während dieses furchtbaren Krieges als Alliierte gemeinsam und abgestimmt vorgegangen“ und habe dabei gute Erfahrungen gemacht.

Wenig Geduld für das Zögern der Bundesregierung bringt Roderich Kiesewetter auf. Der CDU-Politiker mahnt, die Debatte würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, eine Entscheidung dränge aber.

Historiker Sönke Neitzel bei „Anne Will“: „Was gibt’s denn zu überlegen?“

Während SPD-Chef Lars Klingbeil das Vorgehen des Bundeskanzlers wenig überraschend verteidigt, schlägt Historiker Sönke Neitzel scharfe Töne an. Er kritisiert vor allem die aus seiner Sicht wenig transparente Kommunikation des Bundeskanzlers. „Der Krieg geht fast ein Jahr, was gibt es denn da abzuwägen? Liebe Leut! Ich erwarte doch, dass im Kanzleramt vorüberlegt wird: Unter welchen Bedingungen machen wir was?“, so Neitzel.

Was bringt Herrn Scholz so zum Zögern? Ist es die Angst vor einem Atomschlag? Das halte ich für baren Unsinn.
Historiker Sönke Neitzel

„Dass wir jetzt erstmal überlegen müssen, was gibt’s denn zu überlegen?“, will er weiter wissen. „Was bringt Herrn Scholz so zum Zögern? Ist es die Angst vor einem Atomschlag? Das halte ich für baren Unsinn (...) Da Scholz nicht spricht, wissen wir es nicht, und das führt dazu, dass alle spekulieren.“

Lars Klingbeil mahnt zur Vorsicht: „Wissen wir, wie Putin eskaliert?“

Neitzel kritisiert insbesondere an der Debatte, dass Europa dadurch ein Bild der Uneinigkeit abgebe, aber das sei „genau das, was wir nicht wollen“.

Klingbeil relativiert: Deutschland habe bereits viele Waffen geliefert, den „nächsten Schritt“ aber müsse die Bundesregierung sorgfältig abwägen. „Wissen wir, wie Putin eskaliert? Wissen wir, was er mit chemischen und biologischen Waffen macht?“, gab er dabei zu Bedenken.

Überzeugend kann er Neitzel damit nicht. Der Historiker bemängelt die mangelhafte Zeitenwende: „Ich kann das alles nicht mehr hören, denn es passiert überhaupt nichts.“ Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen und Europa wehrhafter werden. Die Friedensforscherin Deitelhoff hält dagegen und schlägt sich auf die Seite Klingbeils. Manches sei in der Debatte untergegangen, aber es sei „enorm viel in Bewegung geraten“, so Deitelhoff.

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