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Impulse-FestivalWo Roberto-Blanco-Schlager auf Pina-Bausch-Ballett treffen

Lesezeit 3 Minuten
Mehrere Schwarze Tänzer in Abendgarderobe und Seidenkleidern.

Schlagerballett Joana Tischkau, Eröffnungsproduktion Impulse Festival 2025

In seinem 35. Jahr wird das Impulse-Festival erstmals von einer Frau geleitet. Bis zum 5. Juli zeigt es Höhepunkte aus freien Produktionen in Köln, Düsseldorf und Mülheim a.d. Ruhr.

Lange her, 1990. Da war Wende. Und Aufschwung in der freien Theaterszene. Erinnert sich jemand an das Programm „Kultur 90“ im Rheinland? Zudem gründete das NRW-Kultursekretariat Wuppertal, finanziert von Städten und Land, das erste Festival für die gesamte freie Szene der darstellenden Künste in den deutschsprachigen Ländern: Impulse. Den schwungvollen Namen trägt es bis heute und wird jetzt, in seinem 35. Jahr, erstmals von einer Frau geleitet. Franziska Werner ist erfahrene Theaterleiterin, Dramaturgin, Kuratorin, gebürtig aus Ost-Berlin, wie es 1975 genannt wurde – von der westlichen BRD aus. Tatsächlich ruft sie nun „Post-West“ aus und beim Festival lässt sie die innerdeutsche Beziehung West-Ost thematisieren in Treffen, Talks und Audio-Walks.

Das Eröffnungsstück des Festivals begnügte sich mit West. Allerdings aus der Perspektive Schwarzer Deutscher. In „Ich nehm dir alles weg – Ein Schlagerballett“ von Joana Tischkau sang, sprach, hauchte, leierte, schrie die siebenköpfige Gruppe, in Samtjacketts, Kleidern, Badeanzügen, alte Schlager. Einzelne bezeichneten sich als Roberto Blanco, Roy Black und Heino. Pina Bausch einst griff gern zu noch älteren Schlagern; sie bediente sich der Form der Revuen, einem 20-Jahre-Format, und an Gebräuchen, deutschen und anderswo per Auslandsreisen aufgesammelten. Wohl deshalb kopiert das „Schlagerballett“ einige Bausch-Szenen fast wörtlich, „nimmt sie weg“, und ergeht sich im Piña-Colada-Kalauer.

Joana Tischkau zeigt westdeutsche Geschichte aus Schwarzer Perspektive

Das gerät weder doppelbödig lustig noch krass genug karikierend. Sondern zäh. Das „Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“, das Tischkau und Kolleginnen 2020 in Frankfurt am Main ausstellten, gab mehr her, mit seinen alten Schallplatten, Kostümteilen, Magazinen und aufgesammelten erstaunlichen Lebensgeschichten.

Man hat früher schon verquaste Stücke bei den Impulsen gesehen; positiv formuliert: konnte sich einen Eindruck verschaffen von anderswo gepriesenen Gruppen. Aber Gutes war auch dabei, nur oft auffällig wenig aus NRW. Ausnahme: „Cobra Blonde“ der Kölner Choreografin Reut Shemesh. Jedes Mal machen sich eine Jury und „Scouts“ in Regionen Mühe mit dem Auskundschaften der inzwischen sehr groß gewordenen Freien-Landschaft. Allerdings finden sich in der diesjährigen Auswahl einige Player, die so verlässlich Gutes machen, dass sie unbesehen eingeladen werden könnten. Wie das Duo Lina Majdalanie und Rabih Mroué, wie Jaha Koo, wie Claire Cunningham. Ihre „Songs of a Wanderer“, die sie selber singt, spricht, tanzt und klettert mit ihren Krücken, sind große Kunst, mit menschlicher Größe, ehrlich, durchdacht, mit feinem Humor und perfektem Timing. Es geht ums Durch-, Weiter- und Hochkommen.

Elf Produktionen zeigen die Impulse dieses Jahr, zwei mehr als 2024. Wie immer verzweigt sich das Festival in mehrere Städte. Es beginnt dieses Mal in Mülheim an der Ruhr, im Ringlokschuppen, wandert nach Köln, 26. bis 28. Juni, dann nach Düsseldorf, wo es am 5. Juli im Forum Freies Theater, FFT, endet. Ein Ausläufer steckt in Wuppertal.

Nach Köln, ins Depot 1, kommt ein großes Tanzgastspiel aus Südafrika, „blue nile to the galaxy around olodumare“ von Jeremy Nedd und Impilo Mapantsula. Da Koproduktionsgelder aus Hamburg, Basel, St. Pölten und München mit drinstecken, ist es Impulse-fähig. Begleitet wird es von Mittanzangeboten und einer samstäglichen Mapantsula-Session auf dem Ebertplatz. In die Studiobühne, beziehungsweise die Tanzfaktur, reist Simone Dede Ayivi aus Berlin an, klagt „Autsch, warum geht es mir so dreckig?“ und forscht am Mist. Der Choreograf und Tänzer Arkadi Zaides, gewohnt gesellschaftskritisch, erinnert in „The Cloud“ an Tschernobyl, kämpft in einem originalen Liquidator-Anzug um den aufrechten Gang und weist auf KI-Wolken im Internet hin. Bis wohin reicht Kontrolle? Verleugnung? Wohin mit dem gefährlichen Dreck?

Informationen und Programm unter www.impulsefestival.de