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Jodie Foster über Guantanamo„Man darf Feuer nicht mit Feuer bekämpfen“

Lesezeit 5 Minuten
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Jodie Foster in ihrem neuen Film.

Frau Foster, Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder als Regisseurin hinter der Kamera gestanden. Warum haben Sie sich jetzt für die Rolle der Verteidigerin Nancy Hollander in „The Mauritanian“ begeistern lassen?Jodie Foster: Zunächst einmal wollte ich helfen, die Geschichte von Mohamedou Ould Slahi zu erzählen. Rund 15 Jahre lang hat Mohamedou ohne Anklage und ohne Prozess in dem nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 errichteten Lager Guantanamo auf Kuba gesessen – in das er aus seiner Heimat Mauretanien verschleppt worden war. Genauso hat mich aber auch das Leben von Nancy Hollander selbst fasziniert, je mehr ich über sie gelesen habe.

Vermissen Sie die Schauspielerei?

Was ich vermisse, ist das Leben auf einem Filmset. Ich mag es, dort den ganzen Tag herumzuhängen und mit Leuten in Kontakt zu kommen – überhaupt den Prozess, wie ein Film durch Kooperation entsteht. Aber das Schauspielern selbst? Ich bin ganz froh, nur noch dann eine Rolle zu übernehmen, wenn sie mir wirklich etwas bedeutet und sie mir wichtig erscheint – so wie es bei „The Mauritanian“ eben der Fall war.

Was macht eine Rolle für Sie wichtig?

Wenn ich dadurch womöglich wenigstens ein kleines bisschen ein besserer Mensch werde oder wenn auch andere Menschen durch den Film besser werden. Wissen Sie, es gibt wirklich viele andere sinnstiftende Dinge im Leben, man muss sich nicht unbedingt vor einer Kamera postieren. Als ich jung war, wusste ich das bloß noch nicht. Da dachte ich, es gibt nur eine Sache im Leben: Filme machen. Aber da ich heute die Zeit habe, möchte ich diese anderen Dinge ausprobieren, die das Leben für mich bereithält.

Was hat Sie an Nancy Hollander so sehr fasziniert?

Das sind viele Dinge, zum Beispiel ihr enormer Beitrag, die US-Verfassung und die Unabhängigkeit der Justiz zu verteidigen. Bei den Dreharbeiten zu „The Mauritanian“ in Kapstadt habe ich Nancy kennengelernt und war beeindruckt von dieser Frau. Sie hat so viele Angeklagte verteidigt, von denen sie wusste, dass sie schuldig waren. Aber sie hatte immer ganz klar ihre Mission als Anwältin: Jeder Mensch verdient eine Verteidigung. Schuld oder Unschuld spielen dabei keine Rolle. Allein rechtsstaatliche Prinzipien zählen. Ich hätte gedacht, dass diese Herangehensweise einen Menschen verändert: Sie hätte argwöhnisch werden können, misstrauisch. Ihre Persönlichkeit und ihre Beziehungen zu anderen Menschen hätten darunter leiden können.

Und das war nicht der Fall?

Nancy muss irgendwann ihren Frieden mit dieser Situation geschlossen haben. Ich habe eine wirklich warmherzige Person getroffen – und das betrifft ganz besonders ihr Verhältnis zu Mohamedou. Durch den Film habe ich erkannt, dass es gerade ihre Erfahrungen mit Mohamedou waren, die sie geprägt haben über die Jahre. Sie hat es geschafft, zu einer Person zu werden, die beides zugleich ist: Sie ist klar, direkt, streng und wenig zugänglich, weil sie sich selbst schützen muss – und gleichzeitig behandelt sie Mohamedou so liebevoll, als wäre er ihr eigener Sohn.

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Sie sind auch dem echten Mohamedou Ould Slahi begegnet. Wie hat er es geschafft, sich nicht von Bitterkeit und Hass überwältigen zu lassen?

Ja, diese Haltung ist bewundernswert. Es muss ihn viel Kraft gekostet haben, sich nicht brechen zu lassen in diesem System der Ungerechtigkeit, in dem er gefoltert und gequält wurde. Sie müssen bedenken, dass er auch nach dem Urteil eines US-Bundesrichters im Jahr 2010, wonach er hätte freigelassen werden müssen, wegen des Einspruchs der US-Regierung noch weitere sechs Jahre in Guantanamo saß.

Was glauben Sie, hat ihm über all die Zeit geholfen?

Zum Beispiel, dass er Freundschaft mit seinen Bewachern geschlossen hat – obwohl das nach den Gefängnisregeln gar nicht erlaubt war. Zudem hat es Mohamedou geschafft, neugierig zu bleiben und nicht abzustumpfen. Er hat seine Bewacher nach ihren Familien gefragt und wollte wissen, woher sie kommen. Warum sie zum Militär gegangen sind. Was sie politisch denken. Was sie ihm über den katholischen Glauben erzählen können. Kurz: Er versuchte zu verstehen, wie diese jungen Männer den Dienst auf Guantanamo überhaupt ausüben konnten.

Für was steht Guantanamo?

Für mich ist Guantanamo ein Symbol dafür, wie Amerikanerinnen und Amerikaner die Verfassung gebrochen haben, indem sie vor ihren Küsten ein gesetzloses Gefängnis errichteten, um dort tun zu können, was immer sie tun wollten.

Präsident Joe Biden hat angekündigt, das Lager schließen zu wollen. Wird ihm dies wirklich gelingen?

Ich hoffe sehr, dass Guantanamo endlich dichtgemacht wird. Und ich bin mir sicher, dass es so kommt – mit dieser Regierung oder einer anderen. Schon aus rein ökonomischen Gründen: Das Lager ist unglaublich teuer. Es ergibt überhaupt keinen Sinn, es weiter zu betreiben. Es sitzen dort vielleicht noch 40 Gefangene. Der einzige Grund, warum die meisten von ihnen dort ausharren müssen, ist, dass sie kein Zuhause haben. Aber irgendwann wird es Guantanamo nicht mehr geben, da bin ich sicher.

Was soll das Kinopublikum aus diesem Film mit nach Hause nehmen?

Die Lehren aus Mohamedous Verhalten sind: Man darf Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Man muss Terror und Angst nicht mit noch mehr Terror und Angst begegnen. Wir haben immer eine Wahl. Wir können der Menschlichkeit und den Gesetzen folgen. Das hilft. Diese Botschaft wird hoffentlich in dem Film gesehen.